Freiheit! Hitlers Volksverrat!

Bemerkungen: gelocht; Fraktur; [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Freiheit [] Hitlers Volksverrat [] Wollt ihr euch um 60 Reichspfennige verraten lassen? [] Die Regierung der Freiherren hat jetzt endgültig ihr wahres Gesicht enthüllt. Nun weiß man: wer vom Papen lht. wird am Hitler sterben!...

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Bibliographic Details
Main Authors: N.N., Gerisch & Co., G.m.b.H., Dortmund
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 31.07.1932
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/87F967AD-6DD3-4FC6-91E7-CA98F8D7C83E
Description
Summary:Bemerkungen: gelocht; Fraktur; [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Freiheit [] Hitlers Volksverrat [] Wollt ihr euch um 60 Reichspfennige verraten lassen? [] Die Regierung der Freiherren hat jetzt endgültig ihr wahres Gesicht enthüllt. Nun weiß man: wer vom Papen lht. wird am Hitler sterben! Am 23. Juni 1932 hat Herr Dr. Joseph Goebbels, der keine Mann mit dem großen Maul, von der Reichsregierung verlangt, daß sie der preußischen Regierung einen Reichskommissar "vor die Nase setzen" solle. In den nächsten Tagen wurde dieses Verlangen durch Drohungen anderer Naziführer verstärkt. Sie riefen offen zum Bürgerkrieg und zur Bewaffnung ihrer uniformierten Banden auf, um in Preußen "Ordnung" zu schaffen. [] Schließlich richtete der nationalsozialistische Präsident des Preußischen Landtags mit dem bezeichnenden Namen Kerrl eine Art Ultimatum an die Regierung der Freiherren, in dem die Einsetzung eines [] Reichskommisars in Preußen [] gefordert wurde. [] Einen Tag später war diese Forderung erfüllt. [] Mit Hilfe des Artikels 48 der Reichsverfassung wurdeüber Berlin und die Provinz Brandenburg der militärische Ausnahmezustand verhängt. Die Preußischen Minister und der Berliner Polizeipräsident Grzesinski wurden mit Gewalt aus ihren Aemtern entfernt. Aber auch alle höheren Beamten, die sich nicht den Weisungen der Regierung von Papen und der nationalsozialistischen Führer beugen wollen, wurden gewaltsam aus ihren Posten beseitigt. [] Es soll wieder wie in der Zeit des Kaiserreichs werden, wo der Adel, die Militär, und der ostelbische Großgrundbesitz in Preußen herrschten und die Untertanen nichts zu sagen hatten. [] Der alte Obrigkeitsstaat soll wieder hergestellt werden, in dem es ein Mensch mit aufrechter und selbständiger Gesinnung noch nicht einmal zum Nachtwächter bringen konnte. [] Der Umsturz in Preußen wurde damit begründet, daß die bisherige Regierung nicht scharf genug gegen die Kommunisten vorgegangen sei. In Wirklichkeit hat die preußische Regierung und vor allem der Innenminister Severing mit der größten Unparteilichkeit ihres Amtes gewaltet. Sie ist gegen die Bürgerkriegsdrohungen und gegen die Mordpest mit aller Entschiedenheit vorgegangen, ganz gleich, ob sie von den Kommunisten oder von den Nationalsozialisten herkamen. [] Aber gerade das hat den Nazis und ihren Baronen nicht gefallen. [] Die Kommunisten nennt man, aber die gesamte werktätige Bevölkerung wird gemeint. Sie soll unterdrückt werden, damit unter dem Schutze des Hakenkreuzes das Großkapital und das Junkertum in Preußen wieder regieren können. [] Den Freiherren und ihren nationalsozialistischen Gehilfen war die Preußenregierung deshalb ein Dorn im Auge, weil sie vor allem die Interessen der minderbemittelten Volksschichten wahrnahm. [] Trotz aller Not ist es bisher gelungen, die vollständige Verelendung der städtischen Bevölkerung zu verhindern. Auf dem<NZ>Lande wurden die mittelalterlichen Gesindeordnungen beseitigt, die Gutsbrzirke aufgehoben, das Siedlungswerk gefördert. Die demokratischen Freiheiten wurden gesichert, das Schul- und Erziehungswesen ausgebaut. [] Alles das soll wieder vernichtet werden. Preußen auf dem Stande von 1900, das ist die Absicht der Freiherren. Preußen auf dem Stande von 1900. das ist aber auch die Absicht der mit den Freiherren verbündeten Nationalsozialisten. [] Nicht umsonst ist gerade dieses Datum in dem geheimen Plan angegeben, dessen Inhalt wir an anderer Stelle veröffentlichen. Es soll kein Recht mehr auf Unterstützung geben. 60 Reichspfennig täglich will man in Berlin einem Erwerbslosen oder einem Invaliden mit samt seiner Familie zahlen, in kleineren Städten und auf dem Lande noch viel weniger. Judas Ischariot hat seinen Herrn um 30 Silberlinge verraten, Hitler will das deutsche Volk schon um 60 Reichspfennige verkaufen! [] Und was zu alledem noch fehlt, das soll der Arbeitszwang bringen, den die Nationalsozialisten vorbereiten und zu dem die Regierung Papen jetzt den Uebergang schaffen will. Die braunen Soldaten Hitlers in ihren neuen englischen Uniformen stehen schon bereit, um in diesem Zuchthaus- und Kasernenslaat Antreiberdienste zu verrichten. [] Solange in Preußen und in Deutschland die Sozialdemokratie ihren Einfluß ausüben konnte, hat sie daran gearbeitet, daß der Staat zuerst der Wohlfahrt der minderbemittelten Bevölkerung diene. Damit soll es jetzt ein Ende haben. Der Staat soll zu einer [] Wohlfahrtsanstalt für die besitzenden Klassen [] werden, für das große Kapital, für den Großgrundbesitz, säe die Schwerindustrie, für die Baufürsten. [] Nicht umsonst haben die Nationalsozialisten den Kapitalisten versichert, daß unter der Herrschaft des Hakenkreuzes von Sozialismus keine Rebe sein werde. [] Ihr Wählerinnen und Wähler, erkennt ihr jetzt, welchen Sinn der Umsturz in Preußen, welche Bedeutung das Bündnis zwischen den Baronen und den Naziführern hat? [] Die Nazis hatten geglaubt, daß der Gewaltakt gegen Preußen die arbeitende Bevölkerung zu Unbesonnenheiten, zu Ausbrüchen der Empörung reizen würde. Das Arbeitsvolk hat den Judassen den Gefallen nicht getan. Es bestimmt selber darüber, wie es den Kampf um seine Freiheit führt. [] Die erste Antwort werden die Freiherren und ihre Nazis am 31. Juli 1932 erhalten. Das deutsche Volk wird sich weder um 30 Silberlinge noch um 60 Reichspfennige verkaufen lassen. [] Am 31. Juli gilt nur die Losung [] Fort mit dem vom Großkapital ausgehaltenen Hakenkreuz! Siegreich sollen die drei Pfeile der Freiheit über das Land fliegen! [] Es lebe die Sozialdemokratie [] Wir alle wählen Liste 1 [] Fort mit dem Hungerkreuz! [] Fort mit dem Hungerkreuz! [] Die erste Notverordnung der Regierung der Freiherren hat dem arbeitenden Volk eine Belastung van 1500 Millionen Mark, den besitzenden Klassen dagegen ein Geschenk von vorläufig 50 Millionen Mark gebracht. Alle Unterstützungen wurden soweit gesenkt, daß die Hilfsbedürftigen kaum noch ein Hungerdasein fristen können. Dazu kam die Beschäftigtensteuer, die selbst vor dem kleinsten Einkommen nicht halt macht. Weiter die Salzsteuer, die das Volk sehr richtig als Hitler-Steuer bezeichnet. Und schließlich noch die Erweiterung der Umsatzsteuer, von der auf dem Umweg über die Gewerbetreibenden alle Verbraucher getroffen werden. [] Diese Hitler-Notverordnung. die zugleich den Weg freigemacht hat für die Ausrüstung der braunen Armee mit neuen kostspieligen Uniformen, genügt aber den Nationalsozialisten noch längst nicht. [] Wohin die Nazis es treiben wollen, das geht aus der programmatischen Ausarbeitung hervor, die von der Gauleitung Groß-Berlin der Nationalsozialistischen Partei der nationalsozialistischen Reichsleitung in München übermittelt worden ist. [] Damit das Volk nicht vorzeitig von den Plänen der Nazis Kenntnis erhält, ist dieses Dokument der Schande als geheim bezeichnet worden. Aber wir entreißen es der nationalsozialistischen Dunkelkammer und unterbreiten es der Oeffentlichteit des Volkes. [] Noch nie ist der kapitalistische Charakter der Nazipartei so klar geworden, wie durch diesen Hungerplan. [] Keine "Wohlfahrtsanstalt" mehr, sondern ein Zuchthaus und eine Kaserne für das werktätige Volk! [] Kein auswärtiger Feind hat es gewagt, dem deutschen Volke in solcher Form zu drohen. Noch niemals haben fremde Militärs in eroberten Ländern so gehaust, wie es die Nazis nach diesem Geheimdokument für Deutschland planen. [] Viele Organisationen der Arbeiter und Angestellten sollen zerschlagen werden, man will ihnen alle Einrichtungen rauben, die sie sich mühselig Jahr um Jahr geschaffen haben. Die hilfsbedürftigen sollen verrecken, nur der erhält 60 Pf. täglich, der seine Ehre, seine Freiheit, seine Gesinnung an das Hakenkreuz verkauft. [] Die Löhne und Gehälter, das wissen wir aus früheren Eingeständnissen der Naziführer, sollen soweit gesenkt werden. daß damit nicht einmal die notdürftigste Existenz gesichert ist. Den Beamten soll das Beamtenrecht geraubt werden, und überdies will man sie zu 30 Proz. abbauen. [] Ihr Beamte, die ihr bisher den Nazis nachgelaufen seid, werdet jetzt hoffentlich merken, welchen Betrug man an euch begehen will! [] Aber auch ihr Handwerker, Gewerbetreibende, Kaufleutc und Landwirte, die ihr den Wundern des "Dritten Reichs" geglaubt habt, ihr werdet jetzt wohl einsehen, daß in einem Zuchthaus- und Käsernenstaat auch für euch kein Raum ist! [] Nicht anderes bedeutet das hierunter veröffentlichte Dokument. [] Der Mord- und Hungerplan der Nazis! [] Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Gau Groß-Berlin. [] Berlin SB 48, den 3. Juni 1932. Geheim! Hedemannstraße 10. [] An die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei [] Reichsleitung München. Briennerstr. 45. [] In der von den Wirtschaftsberatern der Reichsleitung, für den Fall der Machtergreifung entworfenen Wirtschafts- und Sozialverfassung nimmt die Gauleitung entsprechend der Verfügung der RL. nach Anhören der zuständigen Gaufachberater nur insoweit Stellung, als ihr das Programm in Einzelheiten ergänzungs- bzw. änderungsbedürftig zu sein scheint. Die folsgenden Anregungen erfolgn aug dem spezifischen Gesichtswinkel der Groß-Berliner-Bedürfnisse. Wieweit ihre allgemeine Anwendung auf das ganze Reichsgebiet zweckmäßig erscheint, bleibt dem Ermessen der RL. anheimgestellt. [] Löhne vom Jahre 1900. [] Wirtschaftspolitik. [] In Artikel 9. Die Rückführung des gesamten Lohn- und Gehaltniveaus auf den Stand der Jahrhundertwende, wie sie das Programm vorsieht, ist notwendig, wird aber nur bei entsprechender Senkung der gesamten Lebenshaltungskosten durchgeführt werden können. Unerträglich würde eins so einschneidende Lohnsenkung sein, wenn etwa, wie geplant, die Mieten lediglich um 10 Proz. herabgesetzt, Löhne und Gehälter aber im Durchschnitt um 25 Pr. gekürzt würden. Im übrigen wird es im autarkischen Wirtschaftssystem vor allem darauf ankommen, dem schaffenden Volke der Faust und der Stirne die Unvermeiddarteit einer so rigorosen Lohnsenkung überzeugend vor Augen zu führen. Daran ist ja im letzten Grunde das System Brüning gescheitert: daß es dem Volk immer neue Lasten aufbürdete, ohne ihm ihre Notwendigkeit glaubhaft zu machen. [] In Artikel 11. Der Leistungslohn soll grundsätzlich seine Gültigkeit beanspruchen; das Existensminimum des arbeitenden Menschen müßte aber in irgendeiner Form sichergestellt werden. [] 60 Pfennige! [] Sozialpolitik. [] In Artikel l4. Ueber die Tatsache, daß das Recht auf Arbeitslosenunterstützung bankrott gemacht hat und mithin nichl länger aufrecht zu erhalten ist, besteht keine Unstimmigkeit. Der schaffenden Bevölkerung muß mit aller Deutlichkeit klargemacht werden, daß der Gedanke der Wohlfahrtspflege im marxistischen Sinne abgewirtschaftet hat, daß der menschliche Hang zur Trägheit nicht weiter gefördert werden darf und daß die Auswirkungen des Versicherungsgedankens - abgesehen von der Unfallversicherung - korrumpierend und erschlaffend auf den deutschen Menschen gewirkt haben. Der Arbeitsdienst wird hier Wandel schaffen und daneben fiskalische Ersparnisse bringen, soweit bei unverschuldeter Erwerbslosigkeit und Invalidität Unterstützungen in Frage kommen, wird an Stelle der bisherigen Versicherung und des rechtlich begründeten Anspruchs eine individuell gestaltete, den wirlschafllichen Verhältnissen angepaßte Ntothilfe eingeführt, die widerruflich ist. [] Für Groß-Berlin müßte diese Nolhilfe auf 60 Reichspfennig pro Tag und Person festgesetzt werden. [] Ueber die Gewährung der Nolhilfe entscheidet auf Vorschlag der Gemeinde die zuständige Sektion der NSDAP., die die nötigen Erkundigungen einzuziehen hat. Juden, Jugendliche unter 18 Jahren und Frauen sind grundsätzlich vom Bezug der Not-Hilfe ausgeschlossen. [] In Artikel 15. Die Gauleitung stimmt dem Entwurf, der an Stelle der Krankheitsversicherung das [] System der Betriebssparkasse [] setzt, grundsätzlich zu, um so mehr, als mit Sicherheit anzunehmen ist, daß die Unternehmungen dadurch liquider werden und neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Nur möchte die Gauleitung um die Gefahr von Verlusten der eingezahlten Spargelder nach Möglichkeit auszuschalten, ergänzend vorschlagen, daß über Anlage und Verwendung der Gelder den Nationalen Gewerten eine gewisse Kontrolle zugestanden wird. [] Beamtenabbau! [] Beamtenpolitik. [] Zu Artikel 18. Dem Vorhaben, das bestehende Beamtenrecht aufzuheben und die Reichs-, Staats- und Kommunalbeamten dem allgemeinen Arbeitsrecht anzugliedern, wird zugestimmt. Nur wird empfohlen, die [] Ueberführung der öffentlichen Beamten in das Angestelltenverhältnis gestuft nach der Dauer der Dienstzeit des einzelnen Neamten vorzunehmen, d. h. mit entsprechend elastischen Kündigungsfristen und im Übergangsgeld je nach der Anzhl der Dienstjahre. Daß die Parteibuchbeamten davon ausgenommen werden sollen, ist an sich richtig; nur wird die Definition dieses Begriffes in vielen Fällen schwierig sein. Es wird empfohlen, auf Grund der von der zuständigen Verwaltungsbehörde eingereichten Personalakten in der Gauleitung die Entscheidung zu treffen, die gegebenenfalls durch Anrufung der Reichsleitung abgeändert werden kann. Nach zwölfjähriger erfolgreicher Dienstzeit kann dauernde Anstellung erfolgen. [] Für die richterlichen Beamten wird eine Ausnahme vorgesehen. Sie bleiben grundsätzlich lebenslänglich und unkündbar angestellt. Nur wird durch Notverordnung dieser Grundsatz für die Dauer von sechs Monaten aufgehoben, innerhalb deren eine Aussiebung des Richterpersonals erfolgt. [] Da nach Schätzungen unseret Fachberater etwa 75 Proz. der Richter zum mindesten mit den Fernzielen der NSDAP. [] sympathisieren, [] werden etwa 25 Proz. des Bestandes auszuschalten sein. Ungefähr das gleiche Verhältnis besteht bei den meisten Verwaltungen. Insgesamt wird sich ein Personalabbau von mindestens 20 Proz. reibungslos vollziehen lassen. [] Verbot der Gewerkschaften! [] Ständischer Aufbau. [] In Artikel 22. Bis zum organischen Ausbau des berufsständisch gegliederten Staates sieht die Wirtichaftsverfassung paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern beschickte Nationale Gewerke vor, die - an Stelle der gegenwärtig bestehenden Instanzen - alle arbeitsrechtlichen, betriebswirtschaftlichen und lohnpolitischen Fragen zu entscheiden haben. Hier wird empfohlen, die einzelnen Kammern in ihrer Beschlußfassung insoweit der Hoheitsverwaltung zu unterstellen, als bei Stimmengleichheit, insbesondere bei Lohnstreitigkeiten der Beauftragte der NSDAP. in seiner Eigenschaft als Vorsitzender den Ausschlag gibt. [] Der von den Pgg. Dr. Wagener und Walter Funk ausgearbeitete Entwurf sieht eine allzu weitgehende Einflußnahme der Unternehmervertreter vor. Ganz unerträglich würde die in Aus sicht genommene Bestimmung sein, wonach bei Lohndifferenzen der Unternehmer den Ausschlag geben soll. Bliebe es dabei, so könnte die NSDAP, den ohnehin sehr erschwerten Kampf um die Betriebe endgültig einstellen. Es ist sehr charakteristisch, daß die Fühlungnahme zwischen Pg. Gregor Straßer und dem Sachwalter des ADGV. Furtwängler gerade in diesen entscheidenden Fragen ergebnislos verlaufen ist. Der Kampf um die Seele der Arbeiter ist jedenfalls mit solchen Methoden nicht zu gewinnen. [] Von dem Verbot der Gewerkschaften wird empfohlen, den Deutschen Gewerkschaftsbund auszunehmen. Er könnte mit den ihm angeschlossenen Unterverbänden, insbesondere dem DHV., die Kader für den Aufbau der Nationalen Gewerke bilden. [] Zeitungs-Dauerverbote. [] Uebergangsbestimmungen nach der Machtergreifung im Reich. [] Presse. [] Die Scheidelinie für Dauerverbote im Bereich Groß-Berlin wäre links von der DVZ. zu ziehen. Unter Vorzensur wird das Erscheinen widerruflich gestattet: DVZ., Scherl-Presse, Kreuzzeitung, Deutsche Tageszeitung, Tägliche Rundschau. Unzensuriert: Angriff, Deutsche Zeitung, Berliner Börsen-Zeitung. Die näheren Ausführungsbestimmungen erläßt das Gaupresseamt (Pg. Dinkel). Besonders wichtig wird die Kontrolle bestimmter, im nationalen Sinne halbstarker Zeitschriften (Tat. Riny. Vorstoß, Fridericus, usw) sein, da anzunehmen ist, daß sich um sie nach der Machtergreifung die intellektuelle Opposition gruppieren wird. Für sie kommt Vorzensur in Frage. [] Vom Feind besetzte Stadt! [] Oeffentliche Sicherheit. [] Bis 1. August 1932 stehen in Groß-Berlin zehn Standarten einsatzbereit. Die freiwerdenden Gebäude Kl. Alexanderstratße 23 (Liebknecht-Haus), Inselstr. 6 (ADGV), Lindenstr. 3 (Vorwärts), Jerusalemer Straße 46/49 (Mosse), Kochstr. 22/26 (Ullstein) kommen zunächst für die Unterbringung der SA.-Gliederungcn z. b. V. in Stärke von acht Sturmbannen in Frage. Stab des NSKK. und Motrstaffeln werden im Liebknecht- und Moss-Haus untergebracht. Durch die Bereitschaften wird de Ruhe in allen Stadtteilen verbürgt. [] Für den Ersatz der Schupo sind 9000 bewährte SA.-Männer mit mindestens zweijähriger Dienstzeit in Aussicht genommen. [] Die Polizeistunde ist für die Reichchauptstadt allgemein für 10 Uhr abends vorgesehen. Ausnahmen. insbesondere für Vereinslokale, bewilligt auf Befürwortung der zuständigen Sektion der NSDAP, die Polizeibehörde. Lichtreklamen sind ab 10 Uhr zu verbieten. [] Arbeitsdienst. [] Sammellager für arbzitsunwillge und politisch unzuverlässige Personen im Grotß-Berliner Bereich sind vorerst in Döberitz, Zossen und Ruhleben in Aussicht genommen, wo ausbaufähige Barackenlager und andere geeignete Unterkunftsmöglichken vorhanden sind. Unterbringung Beaufsichtigung, Verpflegung und Beschäftigung nach den für Kriegsgefangene gültigen Bestimmungen. Mindestdauer des Strafdienstes sechs Monate, Höchstdauer zwei Jahre. Standort der Besserungs-Abteilungen des Arbeitsdienstes, die zweckmäßiger und politisch wirksamer Strafkompagnien zu nennen wären, an den gleichen Stellen. Das Aufsichts- und Kommandopersonal wird sich um berechtigte Mißstimmung unter den SA.-Gliederungen zu vermeiden, nicht lediglich aus SS.-Männern, sondern etwa zur Hälfte aus SA.-Leuten zusammensetzen müssen. Das ist die Lahusen-Partei! [] Die Nazi-Anwälte verteidigen die Nordwolle-Kapitalisten. [] Im Frühjahr 1931 ist der Nordwolle-Konzern der Brüder Lahusen in Bremen zusammengebrochen. Auf mindestens 230 Millionen Mark wird der Schaden berechnet, den sie direkt angerichtet haben. Gar nicht abzuschätzen ist aber der indirekte Schaden, den sie der deutschen Wirtschaft zufügten. [] Der Zusammenbruch der Gebrüder Lahusen und ihrer Unternehmungen war eine Folge unfähiger und gewissenloser Geschäftsführung. Während die Angestellten und Arbeiter zu den schlechtesten Bedingungen arbeiten mußten, haben sie selbst ein Schlemmerleben geführt, wie es in der Welt vorher kaum erhört war. [] Viele Millionen sind auf Luxusbauten draufgegangen. Riesige Summen haben sie in die deutschnationale und nationlsozialistische Bewegung gesteckt. Bis eines Tages das ganze Lügengebäude zusammenbrach. [] Der Zusammenbruch des Lahusen-Konzerns hat im Sommer 1931 den großen Bankenkrach verursacht. Mehr als eine Milliarde Mark mußte das Reich ausgeben, damit die deutsche Wirtschaft nicht gleichfalls in den Bankrott der Nordwolle verstrickt werde. [] Die Brüder Lahusen sollen sich jetzt wegen ihrer Straftaten vor Gericht verantworten. Man muß erwarten, daß durch diesen Prozeß das Volk einen Einblick in das Wesen kapitalistischer Wirtschafts"führung" erhält. [] Und wen haben sich die Brüder Lahusen als ihre Verteidiger auserkoren? [] 1. den nationalsozialistischen Reichstagsabgeortneten Frank II, den Leiter der Rechtsabteilung der Nationalsozialistischen Partei, den Leibanwalt von Adolf Hitler. [] 2. den nationalsozialistischen Rechtsanwalt Lütgebrune aus Hannover, aus vielen Prozessen der Hakenkreuzler bekannt, Verteidiger von Feme-Mördern und Bombenlegern, gleichfalls Rechtsbeistand von Adolf Hitler. [] Damit ist die Verbindung zwischen der Nationalsozialistischen Bewegung und dem korrupten und verfaulenden Großkapital offenbar geworden. [] Keine Stimme der Lahusen-Partei! [] War das ein geordnetes Reich? [] Fragen an Adolf Hitler [] "Im November 1918 haben die heute herrschenden Parteien ein geordnetes großes Reich übernommen", so log Adolf Hitler in einer seiner wortreichen, aber inhaltlosen Wahlreden. [] In Wirklichkeit war Deutschland Ende 1918 ein einziger Trümmerhaufen. [] Habt ihr das vergessen? [] 14 Millionen Menschen standen in Deutschland 1914 bis 1918 an der Front, die von der Heimat ernährt, bekleidet und versorgt werden mußten! [] Diese 14 Millionen Menschen pulverten fünf Jahre lang das deutsche Volksvermögen in die Luft. [] Zwei Millionen Menschen wurden auf den Schlachtfeldern getötet, vier Millionen wurden verwundet, in der Heimat ging eine Million Menschen an Unterernährung zugrunde. Viele Millionen Soldaten und Zivilisten verloren ihre Gesundheit. [] Habt ihr vergessen? [] Deutschland hat durch den Weltkrieg die Hälfte seines Volksvermögens eingebüßt. Am Ende des Krieges war eine Kriegsschuld von 165 Milli' Mark vorhanden. [] Die junge Republik muß für anderthalb Millionen Witwen, für zwei Millionen Waisen und für eine Million Eltern, für mehr als zwei Millionen Kriegsbeschädigte sorgen. [] Das allein kostet Jahr für Jahr mehr als zweitausend Millionen Mark! [] Und all diese schweren Lasten hatte ein Deutschland zu tragen, das ein Sechstel seines Gebietes, ein Zehntel seiner Bevölkerung, die Hälfte seines Vermögens durch den Weltkrieg verlor, das von allen Rohstoffen entblößt war und an den notwendigsten Nahrungsmitteln bittersten Mangel litt. [] Und wer hat schuld? [] Großadmiral von Tirpitz, der spätere deutschnationale Reichstagsabgeordnete, schrieb bereits im März 1915: [] "Es ist ein unerhörtes Versagen unserer Oberschicht, mitverschuldet durch die Spitzen. Ich habe das ja die ganzen Jahrzehnte hindurch kommen sehen. Wie oft habe ich dir gesagt: Wie die Katastrophe einmal kommen werde, wüßtle ich nicht, sie müsse aber kommen." [] Wilhelm II. desertierte nach Holland, Ludendorff floh nach Schweden, alle anderen Machthaber krochen in die Mauselöcher. [] Einen Schutthaufen hinterließen sie der Arbeiterschaft, deren mühselige Arbeit für den Wiederaufbau Deutschlands sie immer zu stören und zu hindern versucht haben. [] Der Hakenkreuzzug ohne Zweifel [] dient nur dem Haß- und dem Kriegsteufel [] Freund, Du willst den Frieden haben? [] Schnell - das Hakenkreuz begraben! [] Des Hakenkreuzes Ritter [] sind Deutschlands Leichenbitter [] So sah es 1918 aus! [] 2 Millionen unserer kräftigsten Männer lagen als Tote auf bem Schlachtfeld. Viel Krüppel, Witwen und Waisen - dafür große Versorgungslasten. [] Deutschland litt an den Folgen der 4jährigen Hungerblockade. [] Die Wirtschaft infolge riesiger Anspannung für die Kriegsproduktion völlig zerrüttet. [] 4 1/2 Jahre hindurch keine Wohnungen gebaut - daher riesige Wohnungsnot. [] Die Eisenbahnen durch riesige Ueberlastung für Kriegszwecke stark zerrüttet. Das gute Material mußte auf Grund des Friedensschlusses an die Sieger abgegeben werden. [] Die ganze deutsche Handelsflotte verloren - mußte an die Sieger abgeliefert werden. [] 150 Milliarden Goldmark sür den Krieg verpulvert. [] Alle für Kriegszwecke benötigten Metalle beschlagnahmt und eingezogen (Sammlung von Messingtürklinken, Kupfergsschirr usw.). Wer trug noch ordentliche Kleidung? (Papier-, Wäsche, Ersatzstoffe, Holzsohlen und Papierschuhwerk.) [] Das Rheinland und Oberschlesien von den Siegern militärisch besetzt. [] Deutschland war politisch und wirtschaftlich von aller Welt isoliert und angefeindet. [] Das ist die Wahrheit! [] Das kaiserliche Deutschland hatte Bankrott gemacht. [] Damals wußte das deutsche Volt, wer für diese Not verantwortlich war. [] Die Verantwortlichen selbst kannten ihre Schuld. Sie brachten sich in Sicherheit. [] Die Arbeiterschaft - bis dahin ohne Mitbestimmungsrecht - begann den Wiederaufbau. Sie hat das Millionenheer in die Heimat und wieder in Arbeit gebracht, [] in das völlig ausgehungerte Land Mehl und Speck hereingeholt, die Wirtschaft wieder in Betrieb gebracht. [] Wo waren damals die Leute, die sich heute so laut als "Retter" anpreisen? [] Ein Hakenkreuz vor dem Kopf [] Daß es auf den Straßen heute überall Diskussionen gibt, ist nichts Auffälliges mehr. Daß sich Menschen über Politik unterhalten, ist auch ganz selbstverständlich, denn die Politik macht sich im täglichen Leben der Menschen kräftig bemerkbar. Der Arbeitslose, der Kleinrentner, die Kriegsopfer beispielsweise: sie alle wissen, wie sie unter der Nazi-Papen-Politik zu leiden haben. Ein Wunder, wenn man auch einmal ein unpolitisches Gespräch hört. [] Standen da zwei junge Leute an einer ganz belebten Ecke und stritten und stritten, wie hoch wohl das Flugzeug sei, das da am Himmel flog. "1000 Meter", sagte der eine, "1500", der andere. Wieder legte der eine einige hundert Meter zu, der andere stritt ebensoviel herunter. Aber sie konnten nicht einig werden. Mit einem Male brüllte der eine den anderen an: "Mensch, du bist ja so dumm, du hast ja - ein Hakenkreuz vorm Kopf!" [] Was war das? Wieder Politik!? Früher hieß es - so dachte wohl der Kluge - "so dumm, ein Brett vorm Kopf". Jetzt heißt es: "Ein Hakenkreuz vorm Kopf". [] Zwölf vergewaltigen eine Million [] Zwölf Kohlen, und Eisenbarone - Thyssen, Krupp, Vogler, Wolff, Flick, Haniel, Harpen, Hoesch, Klöckner, Mannesmann, Duisburg und Stinnes - beherrschen 90 Proz. der deutschen Eisenerzeugung und 80 Proz. der Ruhrzechen. In diesen Werken schufteten früher (1929) über eine Millon Arbeiter. . . [] Ein Dutzend beherrscht eine Million! Soll das so bleiben? Entscheide dich für den Sozialismus. Wähle Liste 1! [] "FREIHEIT!" [] A: "Was war denn das?" [] B: "So grüßen sich jetzt die Republikaner." [] C: "Das hört man jetzt allenthalben, man merkt plötzlich, daß es auch noch andere Leute als Hakenkreuzler gibt." [] Gebrauche auch Du den Gruß! Er besteht aus : [] ERHOBENER FAUST [] und dem lauten Ruf: [] "FREIHEIT!" [] Jeder trag' das Zeichen, [] Keiner darf jetzt weichen - [] Keinen darf's verdrießen, [] Mit "Freiheit!" zu grüßen! [] Willibald Kater: [] Die Rente wird gekürzt [] Sie starb am 1. Juli 1932. Die alte gebrechliche Rentnerin Luise verw. Schumann geb. Malz. Sie war 71 Jahre alt geworden und fiel einem Unfall zum Opfer. Früh gegen 9 Uhr, machte sie sich auf den Weg zum Postamt. Die Rente holen. Die Sonne als wäre es schon Mittagzeit, stach bereits in dieser Stunde unbarmherzig in den immer weicher werdenden Asphalt, das Pflaster glühte, die Wände der Häuser leuchteten grell wie die Hitze und machten die Augen rot und schniefnd, träge floß der Verkehr durch die Straßen. [] Die Alte trippelte mit ihren kraftlosen Beinen quer über die Fahrdämme, über Plätze und Straßen, sie trug fürsorglich fest einen Henkelkorb über den rechten Arm, darin lag nichts weiter als die Rententarte, eingewickelt in ein Taschentuch, und dieses wieder in einer Schürze, sauber und sicher, denn die Karte war ihr kostbarster Besitz. In der Linken führte sie einen alten Stock, der für sie vorstieß, sie scheinbar nachzog, ihr den Weg ebnete, wie ein Hund seinem ihm vertrauenden Blinden. [] So lief sie, klein und verhärmt, 71jährig, mit weichen hastigen Schritten, trapptrapp, und ihre Brust gab bei jedem ihrer Schritte sonderbare musikalische Töne von sich, wie eine Flöte, in die ein zu schwaches Kind ohne Können hineinbläst. Sie war krank, die Alte Asthmatikerin. [] Im Laufen dachte sie an die Rente, die sie holen wollte, sie rechnete und führte das ewige Selbstgespräch: wie soll sie bloß mit den paar Mark auskommen den ganzen Monat, es ist nicht richtig, daß sie so wenig hat, wo doch andere Leute, wie sie genau weiß, viel mehr haben den ganzen Monat, hundert Mark sogar und tausend auch,l und sie weiß gar nicht, wie hundert Mark heute aussehen. [] Dies dachte sie und ahnte nicht, daß sie an diesem Tage sechs Mark weniger bekommen wird. [] Sie wußte nichts davon, daß eine neue Regierung das Staatsruder ergriffen hatte, eine Regierung der "feinen Leute", Freiherren und Grafen, denn sie hatte kein Geld, um Zeitungen zu lesen, und so lief sie denn ahnungslos zum Postamt hin, nicht wissend, was dort auf sie wartete. [] Als sie um die Ecke bog, sah sie schon die Schlange der Rentenempfänger stehen. Einer drückte ihr ein Flugblatt in die Hand. Sie war so müde heute, die Hitze und der Weg hatten sie haltlos matt gemacht, so kraftlos, daß sie das Blatt fallen ließ. Der Mann, der ihr den Zettel gegeben hatte, hob ihn wieder auf. [] "Komm, Mutter", sagte er freundlich, "les' dir das Flugblatt durch. Die Nazibarone haben deine Rente gekürzt. Du kriegst heute sechs Mark weniger." [] Sie begriff nicht gleich, obwohl sie jedes Wort verstanden hatte. [] "Was?" stammelte sie. "sechs Mark weniger . . ." [] Sie blickte sich hilflos um, und es fuhr ihr kalt über den Rücken, als sie die stummen Blicke, die Empörung der Menschen neben sich sah. Sie wollte es nicht fassen, sie konnte es nicht fassen, sie versuchte zu überlcgen, sie wollte fragen: noch weniger als bisher, sechs Mark weniger, das geht doch nich, das is nich möglich ... Die Knie zittern ihr. Sie versuchte das Blatt zu lesen, sie rückte ihreBrille zurecht, trotzdem schwankten die Buchstaben, auf und ab tanzten sie auf dem Papier. Auch die Hand, die das Blatt hielt, zitterte, und sie preßte heraus: [] "Das is nich wahr, das ist nicht wahr---?l" [] Aber schon die letzten Worte sprach sie nicht mehr aus, es kam nur noch ein furchtsamer Hauch aus dem Herzen geflattert, der alle Worte zusammenfaßte zu einem einzigen Stöhnen. Mit Angst erblickten ihre Augen eine Mauer verbitterter Gesichter um sich, ringsum stand Verzweiflung, Erschütterung, Jammer und Not, und sie begriff ganz klar - und klappte bei diesem Gedanken zusammen -, daß das Flugblatt und der Mann, der es ihr gegeben, die Wahrheit sprachen. [] "Damit kann ich doch nlch leben", weinte sie am Schalter, als ihr der Beamte die gekürzte Rente auf das Zahlbrett legte, "wie soll ich denn von sechzehn Mark leben, den gangen Monat sechzehn Mark, ich muß doch mein Geld kriegen, wo doch jahrelang reingezahlt worden is, ich kann doch nich damit auskommen ---." Und sie stellte sich hin und schluchzte auf und nahm das Geld und ging, leise wimmernd, ohne zu wissen, daß sie ging. durch die Halle, an der empörten Menschenschlange entlang, und lallte weinend: [] "Das is doch nich möglich, das geht doch nich, sechs Mark weniger, nein nein nein ---", und wankte durch das Tor. [] Draußen lehnte die Alte an der Mauer und weinte weiter. Und sehr schnell standen um sie Menschen und hatten rasch einen Ring diskutierender, schimpfender und streitender Ansichtler gebildet - o diese Menschen! - und waren sich nicht einig, ob diese arme bedauernswerte Frau eigentlich Invalidenrente bezieht ober Hinterbliebenenrente. Sie war indessen unbemerkt an den Fahrdamm gekommen, sie schritt unsicher weiter, krampfhaft hielt sie das Geld in der Hand. Sie dachte (und vor ihren Augen begann die Straße zu kreisen): uns nehmen sie noch das Letzte weg, warum nehmen sie immer nur uns Armen und Alten alles und den Reichen nichts, das is eine Ungerechtigkeit auf der Welt, das is eine große Ungerechtigkeit . . . Unglücklich und im Zickzack wankte sie zwischen dem ratternden Getöse, das von den Straßenbahnen, den Lastfuhrwerken und den Autobussen verursacht wurde, blind und taub, sie hörte nicht auf das aufgeregte Hupen der Autos, das schrille Klingeln der Radfahrer, sie trug hilflos den Korb mit der eingewickelten Rentenkarte vor sich her, der Stock schleppte sich ihr nach wie ein störrischer Dackel, so lief sie blaß und mit blinden, schreckhaft geweiteten Augen über die Straße und sah erst im letzten Augenblick, daß sie direkt in ein Auto hineinlief. Sie schrie auf, fiel zusammen, unfähig sich zu bewegen, kreischte noch einmal, kein Wort, nur einen einzigen langgezogenen, gräßlichen Laut: in diesem rasenden Verkehrelärm klang es, als zirpe eine Grille einsam gegen ein tobendes Gemitter. [] Ein jäher Tumult entstand auf der Straße. Die Menschen eilten von allen Seiten erschrocken hinzu. Sie klaubten rasch das Gelb zusammen. Dann zogen sie die Leiche der Alten unter den Wagen hervor und stellten allgemein und mit großer Bewegung fest, daß nichts mehr zu machen sei, sie sei tot, die arme, alte Frau. sie sei aber selber schuld. Und man hob sie hoch und drückte sie, die blutig und leicht war, in die Polster des Wagens, der sie überfahren hatte. Den zerdrückten Korb legte man zu ihr, desgleichen dcn Stock und die Rentenkarte, die jetzt offen und grün auf der blauen nunmehr zerrissenen und verdrückten Schürze lag. So fuhr der Wagen davon, begleitet von einem Polizisten und zwei Zeugen. Zehn Minuten später ging der Verkehr wie gewöhnlich weiter. Und die Menschen unterhielten sich am Rande des Fahrdamms über die Regierung und die Notverordnung. [] Verantwortlich: Franz Klupsch, Dortmund [] Druck und Verlag: Gerisch u. Co., Dortmund [] [...Werbung...]
Published:31.07.1932