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SOZIALDEMOKRATISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS [] DER PARTEIVORSTAND [] 5300 BONN 1, ERICH-OLLENHAUER-HAUS [] OLLENHAUERSTRASSE 1 - POSTFACH 651 [] Bonn, den 12. April 1967 [] Offener Brief [] an die Delegierten des VII. Parteitages der SED [] Sehr geehrte Delegierte! [] Das Zentralkomitee der SED hatte sich am 7. Februar 1966 in einem vom Ersten Sekretär, Walter Ulbricht, unterzeichneten Offenen Brief an die Delegierten des Dortmunder Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und an alle Mitglieder und Freunde der Sozialdemokratie in Westdeutschland gewandt. Der Vorstand der SPD antwortete auf diesen Offenen Brief am 18. März. Das Zentralkomitee der SED erwiderte in einem zweiten Offenen Brief am 25. März, auf den der Vorstand der SPD am 15. April antwortete. Einen dritten Offenen Brief richtete das Zentralkomitee der SED unmittelbar vor dem Zusammentritt des Dortmunder Parteitages an dessen Delegierte. [] Der Vorsitzende der SPD erstattete den Delegierten des Dortmunder Parteitages über den Meinungsaustausch zwischen SED und SPD Bericht. Der Text der Offenen Briefe des Zentralkomitees der SED wurde allen Delegierten vollinhaltlich unterbreitet. [] Einstimmig nahm der Dortmunder Parteitag am 4.Juni 1966 folgende Entschließung an: [] "Der Parteitag begrüßt die durch den Vorstand eingeleitete offene Auseinandersetzung mit der kommunistischen SED und erklärt sich einverstanden mit den Offenen Antworten vom 18. März und 15. April 1966. [] Der Parteitag fordert den Vorstand auf, seine Bemühungen fortzusetzen, um vor den Menschen in ganz Deutschland den Austausch von Argumenten über die Kernfragen der deutschen Politik in Gang zu bringen und den Menschen im gespaltenen Deutschland das Leben leichter zu machen." [] Ziel und Sinn dieser sozialdemokratischen Bemühungen wurden von allen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien bejaht. Es ist nicht unsere Absicht, in diesem Brief die Diskussion vom vorigen Jahr nochmals nachzuvollziehen. Wir haben es jetzt mit einer anderen politischen Situation zu tun. Möglichkeiten für eine um Entspannung und Verständigung bemühte Politik sind vorhanden. Neue Wege könnten beschritten werden, wenn beiderseits der Wille besteht. Es kann, wie es im ersten Offenen Brief der SED hieß, das "Eis in der Deutschlandfrage" gebrochen werden. [] Leider hat das Zentralkomitee der SED die seinerzeit vereinbarten Versammlungen, in denen jeweils Redner beider Parteien hatten zu Wort kommen sollen, durch seine Absage unmöglich gemacht, obwohl diese Versammlungen vom Zentralkomitee der SED selbst angeregt worden waren. Millionen Menschen in beiden Teilen Deutschlands hatten Hoffnungen daran geknüpft. [] Der erwähnte Vorschlag der SED war der Gegenvorschlag zu einem umfassenden Angebot, das die SPD gemacht hatte und das wir hiermit in Erinnerung bringen. Es war vorgeschlagen worden, "die offene Aussprache aller Parteien in allen Teilen Deutschlands einzuleiten. Das heißt: in allen Orten sollten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß Vertreter der im Deutschen Bundestag und in der Volkskammer vertretenen Parteien offen ihre Auffassungen über die Deutschlandfrage darlegen, vertreten und austragen können." [] Eine solche umfassende Diskussion würden wir auch heute noch für nützlich halten. Sie sollte nicht unmöglich gemacht oder unerträglich erschwert werden durch doktrinäre Ansprüche und durch Polemik mit vergiftenden Unterstellungen. [] Wir teilen nicht die vom Zentralkomitee der SED vertretene Auffassung, daß zwischen den Teilen Deutschlands ein "Klassenkampf" ausgefochten werde oder werden müsse. Die Tatsache und die Notwendigkeit eines solchen Klassenkampfes werden bekanntlich in dem im Auftrage des Politbüros von einer Arbeitsgruppe unter Leitung des Ersten Sekretärs des Zentralkomitees der SED zur Vorbereitung Ihres Parteitages ausgearbeiteten "Material über Fragen unserer internationalen Politik" behauptet. Es ist widersinnig, wenn in diesem Material als "besonders wichtig" herausgestellt wird, "die sozialdemokratischen Mitglieder und Funktionäre von ihrem Nationalismus zu kurieren und klar zu machen, wieso die nationale Frage eine Klassenfrage ist." Keine der im Bundestag vertretenen Parteien erstrebt die Lösung der Frage unseres geteilten Vaterlandes aus nationalistischen Gründen oder mit den Mitteln des Klassenkampfes. Es geht allen dabei um den Frieden und die europäische Sicherheit. [] Wenn und solange die Führung der SED aber einen offenen Meinungsaustausch in ihrem eigenen Machtbereich nicht zulassen will, sollte sie - im Interesse des für den Frieden und die europäische Sicherheit erforderlichen Zusammenlebens der Menschen im gespaltenen Deutschland - doch wenigstens keine Hindernisse dagegen errichten oder zusätzlich verstärken, daß die Beziehungen zwischen den Menschen in beiden Teilen Deutschlands erleichtert werden. Die Bundesregierung, an der bekanntlich die SPD beteiligt ist, hat in einer Erklärung am 12. April 1967 zur Erleichterung der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland erneut konkrete und gangbare Vorschläge gemacht. Wir bitten Sie, die Delegierten des VII. Parteitages der SED, diese Vorschläge zu prüfen. Sie würden sich Verdienste erwerben, wenn Sie dabei behilflich wären, entsprechende Möglichkeiten auf Ihrer Seite herbeizuführen und zu gewährleisten. [] Bei Prüfung der Erklärung der Bundesregierung werden Sie feststellen, daß es sachliche Berührungspunkte zu den zehn Punkten geben könnte, die der Erste Sekretär des ZK, Walter Ulbricht, in seiner Neujahrsansprache als "unvermeidliche Schritte, die zuallererst gegangen werden müssen" bezeichnet hat. Freilich mit diesem grundlegenden Unterschied: Wir gehen davon aus, daß keine Seite der anderen unzumutbare Vorbedingungen stellt. Diese Grundhaltung allein kann eine innerdeutsche und europäische Entspannung herbeiführen. [] Mit vorzüglicher Hochachtung [] Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands [] Willy Brandt [] Vorsitzender
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