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Heimatvertriebene! Flüchtlinge! Ausgebombte! [] Schicksalsgefährten aus Pommern, Westpreußen-Danzig, Ostpreußen, Schlesien, Sudetenland und dem Ausland! [] Hinter Euch liegt der wahnsinnige Schrecken der Flucht und der Vertreibung aus Eurer Heimat. Vor Euch türmen sich die schweren Probleme der Wohnungs-, Existenz- und Bekleidungssorgen. [] Ihr fragt mit Recht, was mehr als drei Jahren für Euch getan wurde, die Ihr mit der Heimat alles verloren habt! [] Eure Zähigkeit, Nüchternheit, Beharrlichkeit und Duldsamkeit ist wahrlich auf eine harte Probe gestellt worden. [] Ihr habt ein Recht zu fragen, wie man sich nach alledem die Gestaltung Eures Schicksals in der neuen Heimat in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht denkt. [] Darauf die Antwort: [] "Nach §9 des Gesetzes zur Behebung der Flüchtlingsnot (verkündet am 21. Januar 1948) endet die Sonderbetreuung, wenn der Flüchtling eine Existenz gegründet hat und eine angemessene Unterkunft sowie den notwendigen Bestand an Einrichtungsgegenständen, Hausrat und Kleidung besitzt." [] In der Ersten Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz heißt es u.a.: "Angemessen und ausreichend im Sinne dieser Bestimmung sind Tätigkeit, Einkommen, Wohngelegenheit und Lebensführung dann, wenn sie unter Zugrundelegung gleicher allgemeiner Lebensbedingungen, den Lebensverhältnissen der Einheimischen entsprechen." [] Hiernach ist völlig klar, daß es noch unendlich großer Anstrengungen bedarf, die Voraussetzungen dieser eindeutigen Rechtsvorschriften zu schaffen. [] Aber auch in diesem Zusammenhang und unter Berücksichtigung aller gesammeltem Erfahrungen in der Vergangenheit entsteht die berechtigte Frage für Euch, ob tatsächlich eine hinreichende Gewähr für die Erfüllung dieser Bestimmungen besteht oder nicht? [] Darauf die Antwort: [] Wenn das Gesetz zur Behebung der Flüchtlingsnot nebst allen bisherigen Durchführungsverordnungen und Erlassen nicht nur ein Stück Papier mit gutgemeinten Ratschlägen sein soll, sondern ein Gesetzgebungswerk, getragen von tiefsten sozialen Verpflichtungen den Betroffenen gegenüber, dann muß die gesamte Staatsautorität für die Durchführung dieses Gesetzes angewendet und eingesetzt werden! Wer sich danach den Gesetzen der Menschlichkeit und der sozialen Gerechtigkeit verschließt, muß beiseitegeschoben werden! [] Heimatvertriebene! Flüchtlinge! Ausgebombte! [] Was nützt es wohl, wenn der Schleswig-Holsteinische Landtag mit seiner sozialdemokratischen Mehrheit Gesetze zur Boden- und Schulreform, ein Durchführungsgesetz zum Wohnungsgesetz, ein Baulenkungsgesetz, ein Gesetz zur Behebung der Flüchtlingsnot, ein Gesetz zur Wiedereingliederung der Flüchtlinge in das Wirtschaftsleben usw. beschließt, während die Gemeinde- und Kreisvertretungskörperschaften mit anderen politischen Mehrheiten nicht willens sind, diese Gesetze im Sinne der Gesetzgeber durchzuführen? [] Dann sind alle diese Bemühungen ohne Wirkung und ohne fruchtbares Ergebnis! [] Es nützt uns alles nichts, wenn wir uns wegen dieser scheinbaren Ausweglosigkeit resigniert oder entmutigt abseits stellen und unseren unsozialen Gegnern das politische Feld überlassen. Genau das Gegenteil müssen wir tun, wenn wir im politischen Kräftespiel nicht unterliegen wollen. Aus Anlaß der am 24. Oktober dieses Jahres stattfindenden Gemeinderats- und Kreistagswahlen heißt es jetzt, auf den Plan zu treten! [] Schon einmal, am 20. April 1947, habt Ihr der schleswig-holsteinischen Sozialdemokratie für die Wahl zum Landtag Euer Vertrauen geschenkt. Dadurch habt Ihr es der sozialdemokratischen Mehrheit im Landtage ermöglicht, eine Anzahl Gesetze zu Euren Gunsten zu beschließen. [] Jetzt heißt es, eine gleiche politische Entscheidung auf der Gemeinde- und Kreisebene herbeizuführen! [] Geschieht das nicht, werden bürgerliche Mehrheiten gewählt, dann braucht Ihr Euch eines Tages nicht zu wundern, wenn Eure sozialen und wirtschaftlichen Belange nicht beachtet werden! Ihr habt dann kein Recht, an der Sozialdemokratischen Partei Kritik zu üben, wenn sie sich nicht auf Euch stützen kann. [] Bemüht Euch vielmehr, daß die überall in den Gemeinden und Kreisen, aufgestellten Flüchtlingskandidaten der SPD in die Gemeinde- und Kreisparlamente gewählt werden. Ihr werdet feststellen können, daß Eure Landsleute aus den Gebieten östlich der Oder und Neiße, aus Ostpreußen, Schlesien, Sudetenland, zur Wahl stehen. [] Die von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands aufgestellten Kandidaten bieten die Gewähr, daß Euer Interesse endlich und mit Nachdruck in den Gemeinde- und Kreisausschüssen bzw. Parlamenten wahrgenommen werden, was bisher leider nicht in hinreichendem Maße der Fall war. Wenn Ihr in dieser Form Eurer staatsbürgerlichen Pflicht am 24. Oktober 1948 nachkommt, dann wird der Erfolg unserer gemeinsamen Bemühungen zur besseren Gestaltung Eures Schicksals nicht ausbleiben! [] Schicksalsgefährten! [] Nun noch ein ernstes Wort zu den sogenannten Unpolitischen oder Unabhängigen. Diese sogenannten Flüchtlingsvertreter haben meistens bei den politischen Parteien aus irgendeinem Grunde abgewirtschaftet oder sie haben aus politischen Gründen etwas zu verdecken. Manche dieser "Interessenvertreter der Flüchtlinge" treten oft aus "gewerbsmäßigen" Gründen in den Vordergrund. Wieder andere tarnen sich als "Unabhängige", weil nach ihrer Meinung Politik den Charakter des Menschen verderbe und anderes mehr! Solche Personen rechnen meistens mit der Unaufgeklärtheit, der Gutmütigkeit und der Naivität ihrer Mitmenschen. Wenn solche getarnte Vertreter der angeblichen "Unpolitischen oder Unabhängigen" nach bisherigen Erfahrungen in die Gemeinde- oder Kreisparlamente gewählt werden, entpuppten sie sich meistens nach kurzer Zeit als äußerst unsoziale und vor allen Dingen unkontrollierbare Vertreter, weil sie niemandem gegenüber Rechenschaft schuldig sind. [] Hier kann es nur eine Parole geben: Fort mit den Zersplitterern! [] Am 24. Oktober dieses Jahres geht es aber auch noch um andere Dinge. Es geht darum, daß Eure Wohnverhältnisse besser gestaltet werden. Auch das setzt voraus, daß Eure Vertreter im Gemeinde- bzw. Kreisparlament sitzen. Erst auf diese Weise kann der vorhandene Wohnraum richtig erfaßt und gerecht verteilt werden. [] Die bestehende Wohnungsnot verlangt gebieterisch, daß neuer Wohnraum über den Weg gemeinnütziger Wohnungsbau-Genossenschaften mit allen nur möglichen Mitteln geschaffen, wird. [] Die Wahlen am 24. Oktober 1948 werden wiederum ein Stimmungsbarometer dafür sein, wie man in Zukunft zu dem Problem der Oder-Neiße-Linie steht. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat seit ihrer Wiederzulassung als politische Partei feierlichst durch den Mund ihres Parteivorsitzenden Dr. Kurt Schumacher erklären lassen, daß die Oder-Neiße-Linie niemals die deutsche Ostgrenze sein kann und, werden darf! Frei von jeder nationalistischen Tendenz wird die Sozialdemokratie um jeden Quadratmeter deutschen Bodens im Osten gingen. Nichts, aber auch nichts wird die deutsche Sozialdemokratie von dieser gerechten Forderung auf Rückgabe der deutschen Ostgebiete abbringen! [] Heimatvertriebene, Flüchtlinge und Ausgebombte! [] Wenn Euch das Schicksal nach Schleswig-Holstein verschlagen hat, so sollt Ihr Euch nicht verlassen vorkommen. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands steht Euch mit ihrer gesamten Kräfteballung zur Seite. Sie ist seit Jahrzehnten die Partei des armen Mannes und damit Eure politische Heimat! [] Nutzt diese schicksalhafte und schicksalbestimmende Kräftemessung aus. [] Geht am 24. Oktober alle zur Wahl und gebt Eure Stimme den Kandidaten der SPD [] Auerdruck GmbH., EP 36, Hamburg 1 - 3064/ 150000/ 10.46/ Kl. C
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