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Nr.54. [] Bericht [] über die [] Tätigkeit [] des [] "Reichsverbandes gegen die Sozialdemokratie" [] für 1906. [] Am 12. Dezember 1906 traten in Berlin in den abermals erweiterten Räumen der Hauptstelle des Reichsverdandes der Vorstand und Ausschuß zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen, die von etwa 50 Vertretern aus allen Gauen des Deutschen Reiches besucht war. Der Vorsitzende, Generalleutnant z. D. von Liebert, begrüßte die Erschienenen mit herzlichen Worten, indem er seiner Genugtuung darüber Ausdruck gab, daß das Jahr 1906 dem inneren Ausbau des Reichsverbandes hat gewidmet werden können. Während das Jahr 1905 ein Jahr der Werbung gewesen ist, ist es in dem laufenden Jahre gelungen, die Organisationen des Reichsverbandes soweit auszubauen und zu kräftigen, daß man berechtigte Hoffnung haben darf, im kommenden Jahr 1907 mit der Organisation fertig zu werden. Das Wachstum des Vereins hat bereits die Notwendigkeit einer Dezentralisation der Geschäftsführung notwendig gemacht. Am 1. Januar l997 wird der Reichsverband außer der Hauptstelle in Berlin bereits zwölf Provinzialgeschäftsstellen eingerichtet haben und dann wird es möglich sein, die Vorbereitungen für die Reichstagswahlen 1908 noch ausgiebiger als bisher zu treffen. Mit dem Wachstum seiner Mitglieder, mit der Vermehrung seiner Ortsgruppen geht auch Hand in Hand eine starke Aufwärtsbewegung der Gesamteinnahmen des Reichsverbandes. Schon heute ist der Verband eine Finanzmacht und er wird aller Voraussicht nach, wenn seine Entwicklung sich in dem gleichen Tempo wie bisher vollzieht, im Jahre 1908 sogar eine Finanzgroßmacht sein. Der Reichsverband wird nichts unversucht lassen, um unter Aufbietung aller seiner Kräfte im Jahre 1908 der Sozialdemokratie eine empfindliche Niederlage zu bereiten. Er wird dieses Ziel in vollem Umfange jedoch nur dann erreichen können, wenn auch die Reichsregierung sich entschliest, eine nationale Wahlparole zu schaffen, die keine andere sein kann, als: "Kampf gegen die Sozialdemokratie bis zu deren Vernichtung." [] Die Ausführungen des Vorsitzenden wurden durch Dr. Bovenschen im einzelnen ergänzt. Aus den Berichten über die Tätigkeit und die Entwickelung des Reichsverbandes im verflossenen Jahre sei hervorgehoben, daß die Zahl der Gesamtmitglieder des Reichsverbandes sich seit der letzten Ausschußsitzung um mehr als verdoppelt hat. Am Tage der Sitzung zählte der Reichsverband insgesamt 144 000 Mitglieder, die in 287 Ortsgruppen und Sammelstellen und in 340 körperschaftlich angeschlossenen Vereinen organisiert sind. Als erfreulicher Beweis für die innere Erstarkung des Reichsverbandes darf die Tatsache betrachtet werden, daß im verflossenen Jahre die Zahl der Ortsgruppen und Sammelstellen des Reichsverbandes sich um 214 vermehrt, das will besagen, sich vervierfacht hat. Die Höhe der Jahresbeiträge hat um mehr als 106 000 Mark zugenommen. Ein solcher Erfolg konnte nur durch eine ausgiebige Werbung erzielt werden, die teils auf schriftlichem Wege durch Versenden von Beitrittserklärungen, Sammelmappen und Zeichnungslisten, teils durch eine umfassende Agitation in Versammlungen erfolgte. Fortgesetzt sind zahlreiche Redner des Reichsverbandes unterwegs, um durch das lebendige Wort möglichst alle Kreise des deutschen Volkes über die dem Vaterlande durch die Sozialdemokratie drohende Gefahr aufzuklären. Welchen Umfang bereits heute die Tätigkeit des Reichsverbandes angenommen hat, zeigt u. a. auch noch die Tatsache, daß allein die Hauptstelle in Berlin gegen 19000 Eingänge und fast 232 000 Ausgänge zu bearbeiten hatte. [] Auch im Jahre 1906 hatte der Reichsverband vielfach Gelegenheit, eine umfassende Wirksamkeit bei Reichstags-Ersatzwahlen zu entfalten. Es ist bekannt, daß es gelang, bei der Reichstags-Ersatzwahl in Darmstadt einen der bürgerlichen Kandidaten in die Stichwahl mit dem Sozialdemokraten zu bringen, während im Jahre 1903 der sozialdemokratische Kandidat dort sofort im ersten Wahlgange gewählt worden war. In Hannover, das man bisher als Hochburg der Sozialdemokratie zu betrachten gewohnt war, wurden für den bürgerlichen Kandidaten 7000 Stimmen mehr abgegeben, als im Jahre 1903. Und während damals der Sozialdemokrat mit einer Mehrheit von 5000 Stimmen siegte, war diesmal diese sozialdemotratische Mehrheit auf 1200 zusammengeschmolzen. Endlich wurden in Döbeln bei der Ersatzwahl 1800 bürgerliche Stimmen mehr abgegeben, als im Jahre 1908, während die sozialdemokratische Mehrheit von 2100 Stimmen auf 374 bei der Ersatzwahl zurückging. [] Auch bei den Landtagswahlen hatte der Reichsverband mehrfach Gelegenheit, einzugreifen. In Schwarzburg-Rudolfstadt gelang es, eine bürgerliche Mehrheit in den Landtag zu bringen. Bei Stadtverordnetenwahlen ist der Reichsverband ebenfalls an zahlreichen Orten mit Erfolg tätig gewesen und er hat es ferner nicht versäumt, wo sich Gelegenheit bot, auch bei Krankenkassen-, Gewerbegerichtswahlen und dergleichen seine Truppen gegen die Sozialdemokratie ins Feld zu führen. Die Erfahrungen, die der Reichsverband in seiner Praktischen Tätigkeit gerade bei den Wahlen der verschiedensten Art gemacht hat, lassen deutlich erkennen, daß in immer weiteren Kreisen des deutschen Volles das Bewußtsein von der Notwendigkeit eines Zusammenschlusses der bürgerlichen Parteien gegen die sozialdemokratische Umsturzpartei sich erheblich vertieft. Nichts verbindet so sehr als gemeinsame Not und gemeinsame Arbeit, und darum darf man hoffen, daß das Zusammengehen der verschiedensten Parteien bei Wahlen nicht politischer Art auf den Wahlkampf im Jahre 1908 im günstigen Sinne einwirken und den Willen stärken wird, bei der bevorstehenden Schlacht den Kampf zwischen den bürgerlichen Parteien nach Möglichkeit ohne persönliche Schärfe und Gehässigkeit zu führen und die ganze Stoßkraft des staatserhaltenden Bürgertums gegen die Sozialdemokratie zu kehren. [] Der Vorbereitung für die Wahlen 1908 dienen auch andere vom Reichsverband getroffene Einrichtungen. So vor allem die Rednerschule, die im Jahre 1905 zweimal abgehalten werden konnte. An diesen beiden Kursen baben 54 Herren teilgenommen, unter denen nicht weniger wie 3-2 Arbeiter sich befanden, ein schöner Beweis dafür, daß auch in den Kreisen der deutschen Arbeiterschaft das Bedürfnis, sich geistiges Rüstzeug zum Kampfe gegen die Sozialdemolratie zu verschaffen, in fortgesetztem Steigen begriffen ist und daß der von der Sozialdemokratie unternommene Versuch, den Reichsverband als einen Verein gegen die Arbeiter bei der Arbeiterschaft zu verdächtigen, in den von der Sozialdemokratie noch nicht ganz verseuchten Kreisen ziemlich erfolglos geblieben ist. [] Die "Korrespondenz" des Reichsverbandes wird heute von 1275 Zeitungen benutzt. Um sie in Zukunft aktueller zu gestalten, ist beschlossen worden, die "Korrespondenz" vom 1. Januar ab nicht nur einmal, sondern zweimal wöchentlich erscheinen zu lassen. Ihr Doppelcharakter als Materialiensammlung für die Vertrauensmänner und die Ortsgruppen des Reichsverbandes und als Korrespondenz für die Presse soll ihr auch für die Folgezeit erhalten bleiben. Anträge, die "Korrespondenz" allen Mitgliedern des Reichsverbandes zuzustellen, mußten daher abgelehnt werden, weil mit einer solchen Maßregel die "Korrespondenz" zu einer Vereinszeitschrift gemacht werden würde, was sie ihrem ganzen Zwecke nach nicht sein darf. Auch würde, ganz abgesehen davon, die Abgabe der "Korrespondenz" an alle Mitglieder bei dem heutigen Stande des Reichsverbandes ungeheuere Kosten verursachen. Dahingegen soll in Zukunft die Abfassung und Verbreitung von Flugschriften, von denen bisher 52 verschiedene Nummern in 2600000 Stück verbreitet worden sind, weiter gepflegt, und es sollen neben dem "Handbuch für nichtsozialdemokratische Wähler", das in allerkürzester Zelt erscheint, auch eine Reihe von größeren Werken, Monographien usw. über und gegen die Sozialdemokratie herausgegeben werden. Diese neue Aufgabe wird erheblich dadurch erleichtert, daß der Reichsverband im verflossenen Jahre einen besonderen Verlag, den Reichsverbandsverlag, geschaffen und eine Abteilung "Buchhandel" eingerichtet hat, die nunmehr in der Lage ist, den gesamten Vertrieb der Druckschriften nach buchhändlerischen Grundsätzen zu besorgen. [] Die praktische Tätigkeit des Reichsverbandes hat im verflossenen Jahre eine weitere Ausdehnung auch noch dadurch erfahren können, daß der Reichsverband in einer Reihe von Orten teils Rechtsauskunftsstellen begründet hat, teils schon bestehende durch Zuschüsse hat unterstützen können. Aus den über die Wirksamkeit dieser Rechtsauskunftsstellen allmonatlich bei der Hauptleitung eingehenden Berichten konnte festgestellt werden, daß die Rechtsauskunftsstellen sich eines Zuspruches erfreuten, der zum Teil selbst die größten Erwartungen noch weit übertraf. Infolgedessen beschloß der Ausschuß des Reichsverbandes, die Begründung von Rechtsauskunftsstellen und nationalen Arbeitersekretariaten auch im kommenden Jahre nach Möglichkeit zu fördern, da die Erfahrung gezeigt hat, daß derartige Einrichtungen eine wirksame Waffe sind gegen die von der Sozialdemokratie durch die sozialdemokratischen Arbeitersekretariate getriebene Propaganda. Das verflossene Jahr hat weiter eine Erscheinung gezeigt, die erhoffen läßt, daß der Kampf gegen die Sozialdemokratie mit der Zeit auch direkt aus der Arbeiterschaft wird aufgenommen werden können. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß unter den noch nicht von den sozialdemokratischen Parteien eingefangenen, aber unter dem Druck des sozialdemokratischen Terrorismus schwer leidenden Arbeitern das Bedürfnis sich geltend machte, die gutgesinnten Elemente der Arbeiterschaft zu besonderen Organisationen Zusammenzuschließen, um in ihnen die Mitglieder national und politisch zum Kampfe gegen die Sozialdemokratie zu erziehen. Der Reichsverband ist infolgedessen im Jahre 1906 erfreulich oft in die Lage gekommen, seine Mitwirkung bei der Begründung von "reichstreuen Arbeitervereinen" zu gewähren. Diese reichstreuen Arbeitervereine haben eine sehr erfreuliche Entwickelung genommen und zählen zum Teil schon nach vielen Hunderten von Mitgliedern. Sie verfolgen, wie ausdrücklich bemerkt werden soll, keine Zwecke gewerkschaftlicher Art, sie sollen, wie gesagt, lediglich national und politisch wirken, was selbstverständlich kein Hindernis ist, daß in ihnen nicht auch Wohlfahrttzeinrichtungen, wie Krankenunterstützungskassen, Sterbekassen und dergleichen getroffen werden können. Für diese reichstreuen Arbeitervereine hat der Reichsverband ein besonderes Organ ins Leben gerufen, das den Titel führt "Der reichstreue Arbeiter", und zunächst alle 14 Tage erscheint. Aber nicht nur diese reichstreuen Arbeitervereine, auch andere Arbeitervereine, die auf dem Boden der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung stehen und die dem Reichsverband körperschaftlich angeschlossen sind - es sind bereits 26 solcher Vereine mit annähernd 20000 Mitgliedern - haben gern die Gelegenheit ergriffen, diesen "Reichstreuen Arbeiter" zu ihrer Vereinszeitschrift zu machen. Auch diese Halbmonatsschrift soll im kommenden Jahre weiter ausgebaut und es soll ferner angestrebt werden, daß möglichst alle dem Reichsverbande körperschaftlich angeschlossenen Arbeitervereine diesen "Reichstreuen Arbeiter" in großen Massen beziehen. Seine Auflage beträgt schon heute 10000 Stück. Es darf erhofft werden, daß auf diese Weise aus der Arbeiterschaft selbst heraus gegen die Sozialdemokratie eine wehrhafte Kerntruppe für den Wahlkampf im Jahre 1908 geschaffen werden kann. [] Wie diese umfassende Tätigkeit des Reichsverbandes auf die Sozialdemokratie gewirkt hat, läßt sich, abgesehen von den immer wüster werdenden Beschimpfungen, denen die Vertreter des Reichsverbandets in der sozialdemokratischen Presse ausgesetzt sind, in einer Reihe von Maßnahmen erkennen, die beweisen, welche Bedeutung die offizielle Parteileitung der Sozialdemokratie der Wirksamkeit des Reichsverbandes zunutzt und welche Gefahr für die sozialdemokratischen Umsturzbestrebungen sie in ihm bewertet. So hat die sozialdemokratische Parteileitung beschlossen, eine besondere Partei-Korrespondenz herauszugeben, in der dem Reichsverbande stets eine besondere Rubrik gewidmet ist. Am deutlichsten zeigt sich dies aber vor allem in dem Geheimerlaß, den die sozialdemokratische Parteileitung im Frühjahr 1905 an ihre Vertrauensmänner hat ergehen lassen. In diesem Erlaß wird der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß die Sozialdemokratie angesichts der Tätigkeit des Reichsvorbandss das nächste Mal einen Wahlkampf haben werde, wie sie bisher noch keinen zu führen hatte. Der Reichsverband habe die Rechnung aufgestellt, er hoffe, der Partei das nächste Mal 20 bis 25 Wahlkreise zu entreißen und da er seine Mitgliederzahl im letzten Jahre vervielfacht und sehr erhebliche Geldmittel in den Händen habe, sei es Pflicht der Partei, ihre Kräfte bis aufs äußerste anzustrengen. Daß der Reichsverband den ernsten und festen Willen hat, alles aufzubieten, um die schlimmsten Befürchtungen der Sozialdemokratie, wie sie in diesem Geheimerlaß zum Ausdruck kommen, zur Tat werden zu lassen, davon legten die Aeußerungen aller Vorstands- und Ausschußmitglieder in der letzten Ansschußsitzung ein rühmliches Zeugnis ab. [] An den Geschäftsbericht knüpfte sich weiter eine äußerst angeregte Debatte, in der teils freudige Zustimmung zu dem, was der Reichsverband bisher geleistet, ausgedrückt, teils Wünsche ausgesprochen und wertvolle Anregungen für die zukünftige Weiterarbeit gegeben wurden. Aus diesen Zukunftsplänen, die naturgemäß sich nicht alle zu öffentlichen Erörterungen eignen, sei nur hervorgehoben, daß die Einrichtung der Rednerschule vom kommenden Jahr ab eine erhebliche Ausdehnung erfahren soll, so zwar, daß durch wissenschaftlich gebildete Beamte des Reichsverbandes in möglichst allen Ortsgruppen des Reichsverbandes eine Art fliegender Rednerschulen eingerichtet werden soll. Auf diese Weise wird es möglich sein, eine große Zahl von Mitgliedern des Reichsverbandes in den betreffenden Ortsgruppen selbst zum Kampfe gegen die Sozialdemokratie in Wort und Schrift zu schulen und ihnen die zum öffentlichen Auftreten nötigen politischen und volkswirtschaftlichen Kenntnisse zu verschaffen. Diejenigen Teilnehmer, die in diesen fliegenden Rednerschulen sich besonders hervortun, sollen dann zu einer weiteren Ausbildung nach Berlin geschickt und dort in der stäudigen Rednerschule weiter ausgebildet werden. Auf diesem Wege hofft der Reichsverband für die Wahlen 1908 viele Hunderte von erfahrenen und gewandten Mitkämpfern zu gewinnen. Weiter sollen, um auch auf die große Masse zu wirken, in den Ortsgruppen des Rcichsverbandcs Lichtbildervorträge veranstaltet werden, zu denen auch die Familien eingeladen werden sollen. [] So hat auch die diesjährige Sitzung des Ausschusses des Reichsverbandes das erfreuliche Ergebnis gezeitigt, daß dem Waffenarsenal des "Reichsverbandes gegen die Sozialdemokratie" abermals neue Kampfmittel gegen die Umsturzpartei zugeführt werden konnten. Auch hat der Verlauf der Sitzung und die in ihr gepflogene eingehende Aussprache gezeigt, daß im Vorstand und Ausschuß völlige Uebereinstimmung herrscht über die einzuschlagende Taktik, über die Art der Arbeit und über die Mittel und Wege, die schließlich zu einer glücklichen Lösung der dem Reichsverbande zugewiesenen Aufgabe führen müssen und werden. [] Verlag: Reichsvnband gegen die Sozialdemokratie, Berlin SW. 11, Dessauerstr. 80. - Druck: Buchdruckrei "Die Post", Berlin, Zimmerstr. 94.
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