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Flüchtlinge! [] Kann uns denn niemand Antwort geben? [] Blühen die Gärten im Heimatland? [] Reifen die Früchte am Oderstrand? [] Glühet die Sonne den Ostseestrand? [] Strahlen die Sterne im Schlesierland? [] Fragen, die ohne Antwort bleiben, [] weil wir in dem Strome treiben, [] den kein Meer empfangen will! [] Zukunft und Vergangenheit sind still. [] Flüchtlinge werden wir genannt, [] als hätten wir nie ein Heimatland, [] als hätten wir nie dem Lied gelauscht, [] das ein Heimatwald mit seinen Wipfeln rauscht. [] Liebende Hände sind entglitten, [] Mutterherzen haben ausgelitten. [] Kein trauliches Plätzchen erwartet uns mehr. [] Wie ist doch die Fremde so lieblos und leer. [] Kann uns denn niemand Antwort geben, [] ob wir noch einmal in diesem Leben [] Wege der Heimat betreten werden [] und ob wir einst schlafen in Heimaterden? [] Hanna Deu. [] Ein grenzenloses Heimweh um die verlorene Heimat spricht aus diesen Versen. [] Die bange Frage nach der Zukunft der Flüchtlinge [] fordert gebieterisch vom gesamten deutschen Volke die klare und eindeutige Antwort einer sofortigen tatkräftigen Hilfe. Wir alle haben gemeinsam die Lasten des verlorenen Krieges zu tragen, wir alle haben weder ein moralisches noch verbrieftes Recht darauf, unser Eigentum, an dem die Kriegsfurie zufällig verschonend vorbeiging, als unser alleiniges Privileg zu betrachten, solange es noch Flüchtlinge gibt, die größere Opfer an Existenz, Gut und Heimat gebracht haben. [] Flüchtlinge sind keine Zigeuner und lästige Almosenempfänger, die man am liebsten abschieben möchte! Ihr Schicksal ist aller deutschen Menschen Schicksal, ihr Anrecht an dem uns verbliebenen deutschen Lebensraum muß ihnen in vollster Gleichberechtigung zuerkennt und nunmehr auch gegeben werden, damit sie überall, wohin immer das Schicksal sie in deutschen Landen verschlug, ihre verlorene Heimat wiederfinden. [] Die deutschen Sozialdemokraten wollen gemäß ihrer Tradition dieses größte soziale Problem unserer Tage schnell und gründlich lösen. Die Katastrophe, die Millionen Deutscher aller Schichten und Stände in den Abgrund trostloser seelischer Lethargie und hoffnungslosen Vegetierens hinabschleuderte, [] verträgt keine phrasenreichen Vertröstungen auf eine nebelhafte Ferne. [] Gewiß soll nicht verkannt werden, daß diese Probleme der zukünftigen deutschen Regierung in vielem zur letzten befriedigenden Lösung vorbehalten bleiben. Das darf aber nie und nimmer dazu führen, die [] Flüchtlingsfrage in den Gemeinden [] auf die lange Bank des Abwartens zu schieben und sich mit allgemeinen Vertröstungen um die moralische Verpflichtung gegenüber unseren heimatlosen Volksgenossen herumzudrücken. Wem nützt das phrasenreiche Bedauern des egoistischen Besitzbürgers und Luftkrieggewinnlers den Enterbten auf ihre bangen Fragen nach der Zukunft? [] Es sind keine wahren Demokraten und Sozialisten aus innerstem Herzensbedürfnis, die da großspurig erklären: "Es gibt für uns keine Flüchtlinge, es gibt nur Umsiedler!", als ob der neue Titel sattmachen könnte, oder andere, deren reaktionäre, hartherzige Gesinnung sich hinter der Redensart versteckt: "Die Flüchtlinge sind nur unsere Gäste, sie dürfen keine Rechte beanspruchen und können nicht bei uns mitreden wollen." Nein, liebe Volksgenossen, so geht das nicht! [] Die Sozialdemokratische Partei wird sich nie und nimmer mit einer solchen leichtfertigen Handlungsweise gegenüber den Volksgenossen ohne Heimat, ohne Herd und Heim abfinden! [] Ein Stück Heideland oder einige Morgen kahler Gutsacker sind noch keine "Umsiedelung", sondern ein Luftschloß. Mit leeren Händen, ohne Gerät, Inventar und Vieh, ohne Haus und Stall kann ein "Umsiedler" ebensowenig sein Leben fristen, geschweige denn in geordneten Verhältnissen existieren, wie der bis zum St. Nimmermehrtag auf die Rückkehr in die verlorene Heimat wartende "Gast" aus dem Osten. [] Wer den Flüchtlingen wirklich helfen will, muß für sie opfern wollen! [] Schon in den Gemeinden wird die sozialdemokratische Aktion einsetzen. [] Sozialdemokratische Anträge werden durchgreifende Hilfsmaßnahmen in sozialistischem Sinne von den Gemeinden in Stadt und Land für die Flüchtlinge fordern! [] Dann wird sich zeigen, welchen Parteien es wirklich ernst mit der sofortigen Hilfsbereitschaft für die Flüchtlinge ist. Die Schultern der ganzen Gemeinde müssen die Lasten tragen. Die Gemeindevertreter sind das soziale Gewissen der Gemeinden. Es ist nicht gleichgültig, wie sie zur Flüchtlingsfrage eingestellt sind und ob sie bereit sind, jedes Opfer für die Enterbten zu bringen. [] Die SPD-Gemeindevertreter wollen den Flüchtlingen das Gefühl wiedergeben, nicht nur als gleichberechtigte Einwohner anerkannt, sondern auch aufgenommen zu sein! [] Gewaltige Aufgaben sind von ihnen zu lösen, sei es in der Erstellung menschenwürdiger Heime, in der Beschaffung von Erwerbs- und Arbeitsmöglichkeiten und Heizung und in der Gewinnung von Gemüsegärten für den zusätzlichen Lebensbedarf. [] Alters- und Siechenheime für an Leib und Seele zerbrochene Arbeitsunfähige und Greise, Kinderhorte für arbeitende Mütter, Ledigenheime für anhanglose Jugend, Umschulungsanstalten für Berufswechsel müssen eingerichtet werden, ganz abgesehen von den sonstigen zahlreichen Aufgaben der sozialen Hilfe. Es darf keine Menschen zweiter Klasse mehr unter uns geben. Die Not unserer Zeit müssen alle gemeinsam tragen. Sie ist überall riesengroß. [] Die materielle Not der Flüchtlinge darf nirgends noch größer sein als die der Einheimischen. Jene tragen schon sowieso seelisch allzu schwer an ihrem Heimweh! [] Die Sozialdemokraten als die Bannerträger der sozialen Demokratie bieten allein schon durch ihre jahrzehntelange Tradition die Gewähr dafür, daß auch ihre Gemeindevertreter diesen Grundsätzen bedingungslos die Treue halten. [] Sozialdemokratische Vertreter aus den Reihen der Flüchtlinge [] werden die politische, Gleichberechtigung und soziale Gleichstellung mit der einheimischen Bevölkerung herbeiführen. [] Die Sozialdemokraten sind die einzigen, die ihr Programm nicht geändert haben, sie [] sind und waren immer Demokraten, [] während andere Parteien sich jetzt demokratische Mäntelchen umhängen, aus deren Löchern Diktaturgelüste nach hitlerischem Vorbild und finstere reaktionäre Willkür hervorlugen. Wir haben beides im Naziregime mehr als genug genossen. [] Sozialdemokraten sind und waren immer Sozialisten und damit für eine Vergesellschaftung der dazu geeigneten Trusts und Großbetriebe, für eine sorgfältige Bodenreform und [] vernünftige Landbesiedelung, [] für eine geregelte Planwirtschaft mit sozialer Gerechtigkeit für alle Volksgenossen, während die zahlreichen Interessentenparteien sich mehr oder weniger geschickt "sozial" zu tarnen versuchen. [] Die SPD hat auch als einzige Partei von der Militärregierung gefordert, die Wählbarkeit der Flüchtlinge an Stelle von einer 18monatigen nur von einer 12monatigen Ortsanwesenheit abhängig zu machen, um [] möglichst viele Flüchtlinge als Gemeindewahlkandidaten [] aufstellen zu können. [] Die Flüchtlinge müssen sich die Namen der SPD-Kandidaten genau merken, um sie aus den alphabetisch aufgestellten Wahlzetteln mit den Kandidaten aller Parteien richtig herauszufinden und in der für ihre Gemeinde vorgesehenen Anzahl anzukreuzen. [] Flüchtlinge, wählt sozialdemokratisch, wählt die Kandidaten sozialistischer und demokratischer Gerechtigkeit: [] Wählt SPD! [] Druck: Hannoversche Presse, 61/200, 8. 46, Kl. C
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