Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Autorisiert durch die französische Besatzungsmacht: Autorisé: GMP. Nr. 23 (Gouverneur Militaire de Paris); Aut. G.M.P. No. 21 (Gouvernement Militaire de Paris)
Die Stellung der S.P.D. zur Verfassung [] Aus einer Rede des Abgeordneten Dr. Hoffmann [] Das Land Rheinland-Pfalz ist eine Schöpfung, die nicht geschichtlich gewachsen ist. Dieses Land ist ohne Tradition, ohne wirtschaftliche, politische oder kulturelle Beziehungen der einzelnen Landesteile untereinander, ohne andere Gemeinsamkeiten als die gemeinsame Not. [] Bereits in unserer Stellungnahme zur Regierungserklärung haben wir darauf hingewiesen, daß wir dieses Land nur als Übergang, aber nicht als Endlösung im beabsichtigten bundesstaatlichen Aufbau Deutschlands ansehen können. Wir haben die Gelegenheit benutzt, uns ablehnend gegen jede Form eines offenen und getarnten Separatismus auszusprechen. [] Lange waren wir im Zweifel, ob es nicht verfrüht sei, diesem Land eine Verfassung zu geben. Wenn wir trotzdem bei den Beratungen unsere Mitarbeit nicht versagten, denn waren dafür zwei Überlegungen entscheidend: [] Einerseits schien es uns im Hinblick auf die Weltöffentlichkeit wichtig, ein Bekenntnis zur Demokratie abzulegen, andererseits hielten wir für angebracht, dem Lande wenigstens eine Art Geschäftsordnung zu geben. [] Jedoch der Verfassungsentwurf, wie er nun zu Abstimmung kommt, ist ein Werk der CDU, ist Fleisch von ihrem Fleische und Geist von ihrem Geiste. [] Wir forderten unmittelbare Demokratie im politischen, Toleranz im kulturellen und Parität im wirtschaftlichen Teile. [] Wir lehnten deshalb Staatspräsident und Staatsrat ab, da diese beiden Institutionen ebenso teuer wie unnötig sind und eine schädliche Überorganisation dieses Miniaturländchens darstellen. Die CDU hat schließlich nicht mehr gewagt, mit dem Staatsrat und dem Staatspräsidenten zur Volksabstimmung anzutreten. [] Christliche Gemeinschaftsschule [] So blieben am Schlusse der Verfassungsberatungen im wesentlichen zwei Differenzpunkte: [] Zunächst die Schulfrage, d.h. Konfessions- oder Gemeinschaftsschule. Die wesentliche Aufgabe der Schule besteht darin, Staatsbürger heranzuziehen, die ungeachtet der verschiedenen Konfessionen nebeneinander zu leben und in kirchlichen Dingen Toleranz zu üben imstande sind, Wenn wir boshaft sein wollten, könnte man sagen, wir wollen die Kinder verschiedener Konfessionen in der Gemeinschaftsschule frühzeitig zu der Toleranz erziehen, die sie später befähigt, tüchtige und überzeugte Mitglieder der CDU zu werden. [] Wir sind nicht für die Gemeinschaftsschule, sondern - ausdrücklich sei festgestellt - für die christliche Gemeinschaftsschule eingetreten. Es handelt sich hier in keiner Weise um einen taktischen Zug, sondern um eine bewußte programmatische Schwenkung in der Schulfrage aus unserer veränderten Stellung zur Kirche. Was wir ablehnen, ist die Tätigkeit der Kirche im Sinne einer bestimmten politischen Partei. Die öffentliche und private Moral unseres Landes ist im wesentlichen aus zwei Jahrtausend alten christlichen Grunzsätzen [!] [Grundsätzen] geformt und darum ist nicht einzusehen, warum wir als Demokraten dieser Tatsache nicht Rechnung tragen und in der Schule die Morallehre der 10 Gebote nicht Grundlage der Erziehung sein soll. In der Schulfrage konnte mit der CDU eine Übereinstimmung nicht geschaffen werden. Die katholische Partei blieb bei ihrem Dogma. [] Zur Sozialisierung [] In den Fragen der Wirtschafts- und Sozialordnung gibt es ebenfalls Gegensätze mit der von der CDU und dem SV geschaffenen Verfassung. Wo wir das "muß" in der Sozialisierungsfrage verlangten, waren sie für ein "soll", wo wir uns mit einem "soll" begnügten, waren sie für ein "kann" und wo wir uns mit einem "kann" die Möglichkeit zu einer Vergesellschaftung offen halten wollten, waren sie überhaupt dagegen. [] Uns kam es darauf an, aus der Periode der Versprechungen und Zusagen endlich zu Taten, zu wirklichen Anfängen zu kommen. Zu solchen wirklichen Anfängen konnte sich die CDU nicht entschließen. Nach anfänglichem Entgegenkommen nahm sie ihre Konzessionen zurück und übernahm die Formulierungen des SV, die im wesentlichen von den Industrie- und Handelskammern diktiert waren. [] Diese vom Geiste das kanonischen Rechtes erfüllte Verfassung wurde von der CDU und dem SV angenommen. Letzterer hatte einige begreifliche Hemmungen, die katholische Schulpolitik mit der Bekenntnisschule zu akzeptieren, doch ließ er sich schließlich diese Gegnerschaft abkaufen, durch die Verwässerung der wirtschaftlichen Bestimmungen. [] Die KPD lehnte die Verfassung ab, ohne sich ernstlich um eine Verbesserung bemüht zu haben. Sie lehnte sie ab aus grundsätzlicher Oppositionsstellung, die sie trotz der gegenteiligen Erklärung ihrer Bereitschaft zur Demokratie bereits wieder dem neuen Staate gegenüber zu beziehen sich anschickt. [] Für verantwortliche Mitarbeit [] Die SPD hat ihre ablehnende Entscheidung getroffen, nachdem sie durch monatelange Mitarbeit versucht hatte, der Verfassung ein Gesicht zu geben, für die sie als Partner die Verantwortung übernehmen konnte. [] Die SPD ist im neuen Deutschland in erster Linie zur verantwortlichen Mitarbeit berufen und schaltet sich aus der Mitverantwortung nur dann aus, wenn sie dazu triftige Gründe hat. Diese Voraussetzungen sind bei der Verfassung gegeben, sie wurden verschärft durch unsere grundsätzliche Stellung diesem Lande gegenüber. [] Für die Ablehnung war nicht nur die mangelnde Toleranz auf dem schulischen, wie die Unzulänglichkeit auf dem Gebiete der Wirtschaftsorganisation entscheidend. Mitbestimmend war das politische Motiv. [] Unser "NEIN" gegenüber dieser Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz bedeutet gleichzeitig ein Bekenntnis zur Einheit, die allein nur die Bürgschaft für einen erfolgreichen Aufbau einer neuen sozialen Demokratie ist. [] Darum fordern wir die Bevölkerung der Pfalz auf: [] Stimmt gegen die Verfassung [] Stimmt gegen die Schulartikel [] Stimmt beide Male mit "NEIN" [] Aut. G.M.P. No. 21 [] BROT - ARBEIT - SOZIALISMUS [] Schaffende Menschen der Pfalz! [] Nazistische Größenwahnpolitik und unersättliches kapitalistisches Gewinnstreben haben im grauenvollen Kriege die Städte zerstört und die Menschen in qualvoller Enge auf dem uns verbliebenen Trümmern zusammengedrängt. [] Hunger, Not und Elend der Gegenwart sind die Folgen dieses Niederganges. [] Ganz Europa wurde desorganisiert, Zonengrenzen haben Deutschland in die verschiedensten Interessengebiete zerrissen und die überall zu verzeichnende Planlosigkeit in der Behandlung der deutschen Frage erschwert die Gesundung auf allen Gebieten und kompromittiert die Demokratie. [] Die Ernährungswirtschaft ist vollständig zerrüttet [] Alles fordert höchste Leistungen von den Schaffenden, ohne ihnen die notwendigen Nahrungsmittel zu liefern, die sie zur Erhaltung ihrer Kraft dringend benötigen. [] Wir fordern aus diesem Grunde: [] Ausreichende Einfuhr von Brotgetreide und Fett, Bereitstellung von genügend Schiffsraum für Lebensmitteltransporte, Fisch- und Walfang; [] zentrale Lenkung von Ernährung und gewerblicher Wirtschaft für ganz Deutschland und ausreichende Exekutive für die deutschen zuständigen Behörden; [] demokratische Organisationen der Erzeuger, Landarbeiter und Verbraucher zur gerechten Erfassung und Verteilung aller Lebensmittel; [] rücksichtslose Bestrafung der Schwarzhändler und Schieber. [] Arbeiter, Angestellte, Beamte und selbständig Schaffende! [] Das Problem der Sicherung Eurer Existenz hängt ab von der sozialistischen Neuordnung der deutschen Wirtschaft und von einer durchgreifenden ertragssteigernden Agrar-Reform. Das kapitalistische Wirtschaftssystem verschuldete den Niedergang Deutschlands und die Katastrophe der Gegenwart. Nur durch die Ausschaltung der Industriegewaltigen und die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit ist Eure Zukunft gesichert. Darum vertritt die Sozialdemokratische Partei konsequent den Standpunkt der Sozialisierung der Grundstoffindustrien und setzt sich für die Ueberführung der großen industriellen Unternehmungen und des Bergbaues, die sich heute zum größten Teil in der Verwaltung der Siegermächte befinden, in den Besitz der Allgemeinheit ein. [] Frauen! [] Am 18. Mai habt Ihr eine bedeutende Entscheidung zu fällen. Eure Männer in der Kriegsgefangenschaft wollen, daß Ihr SPD wählt. In verschiedenen Kriegsgefangenenlagern fanden Abstimmungen statt. Aus vielen Probeabstimmungen ein Beispiel: In einem englischen Lager stimmten 43% für die SPD, 18% für die CDU und 3% für die KPD, der Rest war noch unentschlossen. Eure Männer können nicht abstimmen, wählt an ihrer Stelle die Kandidaten der Partei der Schaffenden. [] Werktätige in Stadt und Land! [] Wollt Ihr das Wiederaufleben der Interessenpolitik, der Besitzbürger in einer kapitalistischen Wirtschaft und damit verbunden eine Verewigung der Krisenzustände und der ewigen Beunruhigungen durch das kapitalistische System? [] Das darf niemals wiederkehren! Unter den Trümmern der Städte muß auch die Ursache unseres Elends ein für allemal begraben sein. [] Kämpft mit der Sozialdemokratischen Partei für soziale Gerechtigkeit durch Neubau einer sozialistischen Wirtschaft! [] Kämpft mit uns dafür, daß zukünftig der Ertrag Eurer Arbeit nicht mehr in die Taschen weniger Großbesitzer fließt, sondern zum Nutzen der Allgemeinheit verwandt wird! [] Kämpft mit uns für die Sicherung der Demokratie in einem politisch und wirtschaftlich geeinten Deutschland! [] Kämpft mit uns für Frieden und Gerechtigkeit! [] Wenn Ihr das wollt, gibt es nur eine Parole: [] Kreuzt am 18. Mai die Kandidaten der Sozialdemokratischen Partei an. [] Wählt Liste 2 SPD [] Autorisé: GMP. Nr. 23
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