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Hanf [] und [] die deutschen Kolonien. [] Gesamteinfuhr in Deutschland 1905: [] 143 Millionen Mark. [] Sklaven und Elfenbein waren die Erzeugnisse des dunklen Weltteils schon zu Zeiten der Phönizier und Römer; während der Portugiesenzeit und später unter der Herrschaft der Araber war ebenfalls kaum eine Änderung eingetreten. Die Sklavenausfuhr hat in neuerer Zeit ganz aufgehört, aber als wir in den achtziger Jahren unsere Kolonien erwarben, spielte das Elfenbein immer noch eine sehr bedeutende Rolle und stand z. B. in Ostafrika ganz an der Spitze der Ausfuhrliste. Augenblicklich ist Elfenbein durch andere Produkte von seiner hervorragenden Stelle verdrängt worden, denn wir haben leider mit unseren Nachbarn in der Verkehrspolitik nicht gleichen Schritt gehalten. Der östliche Teil des Kongostaates, Uganda, Teile des Sudans und der Nyassa-Länder waren noch vor 20 Jahren gewissermaßen Handels-Dependenzen von der ostafrikanischen Zentrale Zanzibar; genannte Länder haben nun moderne Verkehrswege, stehen durch Eisenbahnen, Fluß- und Seedampfer in direkter Verbindung mit dem Weltverkehr und bedürfen also der primitiven ostafrikanischen Karawanenstraßen nicht mehr. [] Neben dem Elfenbein fanden wir allerdings auch andere Ausfuhrprodukte vor; Erzeugnisse der Wildnis sowohl, als solche der Eingeborenen Kulturen: als Ölfrüchte, Feldfrüchte, Kautschuk, Kopal usw. Damit konnten wir uns natürlich nicht begnügen, sondern mußten bestrebt sein, die ungeheuren Strecken brachliegenden Landes nutzbar zu machen. Es galt Produkte anzubauen, welche den heimischen Industrien, den Arbeitgebern, Arbeitern und Konsumenten von Nutzen waren und welche versprachen, die aufgewendeten Kapitalien zu verzinsen. Wie in allen Neuländern Versuche mit verschiedenen Kulturen gemacht werden, so auch in Ostafrika. Nach längerer ernster Arbeit hat man nun drei Produkte gefunden, welche die Zukunft der Kolonie sicher stellen dürften: Baumwolle, Kautschuk [] -2- [] und von den verschiedenen Hanfarten der Sisalhanf; mit letzterem wollen wir uns hier beschäftigen. In den Jahren 1897 und 1898 machte die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft die ersten Versuche mit Sisalhanf; das Saatgut wurde von den Bahama-Inseln verschafft, die Pflanzen schlugen gut ein, und heute besitzt die Gesellschaft auf ihren Plantagen Kikogwe und Muoa bereits etwa 4 000 000 Pflanzen. Kikogwe konnte schon im Jahre 1904 außer 35000 Mk. für Abschreibungen einen Nutzen von 120 000 Mk. bar aufweisen. [] Im Jahre 1900 bildete sich die Deutsche Agaven-Gesellschaft, ein Unternehmen, welches seine Zukunft einzig und allein auf Sisalhanf stellte und sich in seinen Erwartungen wahrlich nicht getäuscht hat. Die Gesellschaft verteilte im vorigen Jahre trotz reichlicher Abschreibungen 7 % Dividende und die Aktien wurden 20% über pari gehandelt. Nun hat man also ein Produkt, dessen Rentabilität die Gegner und Nörgler nicht wegzudispunieren imstande sind. [] Deutschland braucht im Jahr etwa 8000 Tonnen Hanf von Qualität des Sisal- oder Manilahanfes; interessiert ist namentlich die Seiler- und Kabelindustrie, mit ihren Tausenden von Arbeitern und kleinen selbständigen Handwerkern. Noch vor wenigen Jahren wurde das gesamte Rohmaterial aus den Produktionsländern Jukatan, Philippinen usw. eingeführt, größtenteils über England. Es ist daher mit großer Freude zu begrüßen, daß unsere Kolonie Deutsch-Ostafrika anfängt, eine Stelle als Hanflieferantin einzunehmen. Im vergangenen Jahre verschiffte sie etwa 1500 Tonnen im Werte von etwa 1 1/4 Millionen Mark. Wenn wir nun eine Steigerung im ostafrikanischen Export von etwa 500 Tonnen pro Jahr annehmen, welche bei genügender Beteiligung des Kapitals und der Interessenten an diesen lukrativen Pflanzungsanlagen ganz gut stattfinden kann, so würden wir in etwa einem Jahrzehnt vom Auslande unabhängig sein und selbst das Geld verdienen, welches wir fremden Pflanzern, fremden Händlern und fremden Dampferlinien für den Bezug von Hanf bezahlen. Die Qualität unseres Produktes ist eine vorzügliche und übertrifft die des Mutterlandes der Sisalhanfkultur Jukatan, so daß Nordamerika sich eifrig um unser Erzeugnis bewirbt. [] Die Aktiengesellschaft für Seil-Industrie in Mannheim-Neckarau sagt in ihrem Gutachten über ostafrikanischen Sisalhanf: ". . . . diese Faser stellt, was Feinheit und Kraft anlangt, etwas vortreffliches dar. Wenn das Produkt in größeren Quantitäten geliefert werden kann, wird die Ware sich einen guten Preis holen." Dieses Urteil hat sich vollkommen bestätigt und heute holt unser Hanf in Hamburg 880-900 Mk. per Tonne. [] Die Befürchtung eines bedeutenden Preissturzes ist wohl unbegründet, zumal in absehbarer Zeit keine Überproduktion zu erwarten ist, aber selbst wenn der Hanf billiger werden sollte, so würde das unsere ostafrikanische Kultur noch lange nicht ruinieren, denn bei den jetzigen hohen Preisen arbeitet man in bequemen Gewinngrenzen mit bedeutendem Nutzen und braucht bei den Anlagen und Arbeiten absolut nicht auf den Pfennig genau zu rechnen. Allerdings kam der Entwickelung unserer Hanfkultur damals der Umstand gut zu statten, daß die Philippinen sich gerade in hellem Aufstand befanden und Bananenhanf aus Manila für einige Zeit auf dem Markte fast gänzlich fehlte. Die Qualität unseres Produktes ist jedoch eine so vorzügliche und [] -3- [] erfreut sich auf dem Markte einer solchen Beliebtheit, daß es die Konkurrenz von Manila nicht mehr zu befürchten hat, im Gegenteil scheint Sisal berufen, Manila vom Markte zu verdrängen. Es fragt sich nun noch, ob wir in Ostafrika genügend Land zur Verfügung haben unseren eigenen Bedarf selbst zu erzeugen. Diese Frage ist ohne weiteres zu bejahen, trotzdem fürs erste nur die Küstenzone in Betracht kommt, nicht nur wegen der leidigen Transportfrage, sondern auch wegen der Beschaffenheit des Bodens. Die Sisal-Agave braucht vor allen Dingen einen kalkhaltigen Boden, ist also auf die Küste, welche bekanntlich aus Korallenkalk besteht, angewiesen; die kleinen tertiären Kalklager, die wohl weiter im Innern vorkommen, sprechen gar nicht mit. [] Die Agave wird jetzt in Entfernungen von 7 1/2x7 1/2 Fuß ausgepflanzt, so daß etwa 1500 Pflanzen auf einen Hektar kommen, welche etwa 11/2 Tonnen Faser liefern; bei dem jetzigen Verbrauch von Hanf würden also 7000 Hktar über und über genügen. [] Unsere von den prinzipiellen Kolonialgegnern vielgeschmähte deutsch-ostafrikanische Kolonie ist also imstande, die Seiler- und Kabelindustrie in kürzester Zeit unabhängig vom Ausland mit Sisalhanf zu versorgen und es würde mit besonderer Genugtuung zu begrüßen sein, wenn diese direkten Interessenten selbst sich an der Erzeugung ihres Rohstoffes durch Anlage eigener Plantagen auf eigener Scholle in unseren deutschen Kolonien betätigen wollten. Auch andere Industrien und Erwerbszweige würden von solchem Vorgehen Nutzen ziehen; 8000 Tonnen Sisalhanf von Ostafrika nach Hamburg verschifft, bedeutet eine Einnahme von etwa 200 000 Mk. für deutsche Reeder, Seeleute, Quai- und Hafenarbeiter. Ferner werden Feldbahnen, Lokomotiven und anderes rollendes Material gebraucht, sowie Dampfpinassen, Leichter, Dampfkrähne, Hacken, Spaten, Schaufeln, Buschmesser, Eisenreifen, Packmaterial usw.; selbst neue Perspektiven eröffnen sich für die Maschinenindustrie durch Herstellung von praktischen Entfaserungsmaschinen für die fleischigen Blätter der Agave. [] Bisher waren unsere ostafrikanischen Sisal-Pflanzungen fast ausschließlich auf die Verwendung englischer und namentlich amerikanischer Maschinen angewiesen, noch vor 3 Jahren sandte die deutsche Agaven-Gesellschaft ihre Vertreter nach Jukatan und New Jork, um an Ort und Stelle die besten Maschinen auszusuchen und viele tausend Dollar gingen für die Anschaffung nach Amerika. Vor wenigen Tagen war in Köln a. Rh. vor den versammelten Pflanzern und einem Vertreter des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees die komplette Anlage einer neuen deutschen Maschine (Corona) zum Versuch in Betrieb gesetzt. Die Leistung wurde allgemein anerkannt; es wurden pro Stunde 20000 Blätter entfasert, also 700 kg Faser hergestellt (ein Blatt enthält im Durchschnitt 35 g Faser). Es konnte mit Genugtuung konstatiert werden, daß das neue System allen bisher verwandten fremdländischen vorzuziehen sei, ein schöner Erfolg für die deutsche Maschinenindustrie, der einzig und allein der Sisalkultur in Ostafrika zu verdanken ist. [] Druck: V. S. Mittler & Sohn, Berlin. [] Nationalwichtige Kolonialprodukte [] an deren Lieferung die deutschen Kolonien beteiligt sind [] Einfuhr in Deutschland 1905 [] Baumwolle: 470 Mill.Mk. [] Tierische Produkte: 283 Mill.Mk. (Häute, Fälle, Wachs.) [] Nahrungs- und Genussmittel: 385 Mill.Mk. [] Kautschuk 156 Mill.Mk. [] Hanf: 143 Mill.Mk. [] Oelprodukte 153 Mill.Mk. [] Kupfer: 156 Mill.Mk [] Gerbstoffe und tropische Hölzer. 40 Mill.Mk.
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