Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; [?] = vermutete Leseart; [!] = sic!
An die preußischen Wähler! [] Auf die Wahl zur verfassunggebenden Körperschaft des Deutschen Reiches folgt in wenigen Tagen die Wahl zur preußischen Nationalversammlung. Das preußische Volk wird dadurch zu einer Entscheidung aufgerufen, so folgenschwer und so bedeutungsvoll wie noch niemals. Zum ersten Male finden öffentliche Wahlen in einem Preußen statt, das, frei von den Fesseln des bürokratischen Staates, als souveränes Volt seine Vertreter in das Parlament entsendet. Und hier harrt ihrer eine Aufgabe, schwierig zwar, aber auch würdig eines freien und seiner Verantwortung bewußten Volkes: die Neuschaffung des durch den Krieg und seine Folgen so geschwächten preußischen Staates, der Bau einer Verfassung auf freiheitlichem, wahrhaft sozialem Boden. [] Die Wiederaufrichtung der daniederliegenden alten und die Weckung neuer lebendiger Kräfte, die endgültige und vollständige Beseitigung aller unzeitgemäßen Ueberreste des ehemaligen Regiments ist nur möglich durch die Demokratie. Darum hat [] die Deutsche demokratische Partei [] den Anspruch darauf, an erster Stelle die Wähler aufzurufen, sich um ihr Banner zu scharen. [] Wir stellen uns auch für Preußen, diesen Bestandteil des republikanischen Nationalstaates Deutschland, fest auf den [] Boden der Republik. [] Dieses Deutschland muß auch die deutsch-österreichischen Brüder in seinen Grenzen umschließen. Ferner treten wir ein für die Aufrechterhaltung eines ungeteilten und unversehrten Preußens. In dem neuen Preuhen verlangen wir allgemeines, geheimes, gleiches und direktes Wahlrecht für beide Geschlechter. Hand in Hand damit hat zu gehen die gründliche Beseitigung jeder Möglichkeit einer Beeinflussung der Bürger bei ihrer politischen Betätigung durch Verwaltungsbeamte, besonders durch Regierungspräsidenten und Landräte. [] Für die freiheitliche Ausgestaltung des Staatswesens ist eine weitere Vorbedingung die [] Reform der Landesverwaltung [] durch Vereinfachung des Regierungsapparates, durch Schaffung leistungsfähiger Gemeindeverbände, Beseitigung der ungerechten Sonderstellung der Gutsbezirke durch demokratische Neugestaltung der Kreistage, durch Verstärkung und Ausdehnung der Selbstverwaltung in Kreis, Provinz und Gemeinde, ebenfalls fordern wir für die Gemeinden ein demokratischtes, gleiches und geheimes Wahlrecht für Männer und Frauen. [] Wir verlangen die [] Gleichberechtigung aller kirchlichen und religiösen Organisationen, [] denen es freistehen muß, ihre inneren Verhältnisse nach eigenem Ermessen zu ordnen. Bei einer Trennung von Kirche und Staat hat diese zu erfolgen unter Wahrung des kirchlichen Besitzes, der geschichtlichen Rechtsansprüche und des eigenen Besteuerungsrechts. Jedenfalls muß ein Notstand durch plötzlichen Fortfall staatlicher Zuschüsse vermieden werden. Jedem Kinde ist [?] Gelegenheit zu geben, den Religionsunterricht seiner Konfession in der Schule zu empfangen, ohne Gewissenszwang gegen Eltern und Lehrer. Die Einwirkung der erzieherischen und sittlichen Kräfte [?] des [?] Christentums [?] sowie [?] jeder anderen Religionsgemeinschaft darf nicht eingeschränkt werden. Wir treten ein [] für die Einheitsschule [] und in ihr für das unbeschränkte Recht jedes Kindes auf Bildung und Erziehung nach Maßgabe seiner Fähigkeiten und seines Bildungswillens, ohne Rücksichtnahme auf Vermögen, Stand und Glauben der Eltern, sowie für volle staatsbürgerliche Freiheit der Lehrer. [] Zur Durchführung einer [] gerechten Steuerpolitik [] für Staat und Gemeinde, bei der auf Schonung der minder tragfähigen Schultern sorgsam acht zu geben ist [?], fordern wir unbedingte Gleichheit der Veranlagung zur Steuer, Beseitigung der Landräte als Vorsitzende der Veranlagungskommissionen und ihre Ersetzung durch Berufsbeamte. Auf die Gesundung der Finanzen der Gemeinden muß seitens des Reiches und des Staates die erforderliche Rücksicht genommen werden. [] Um die [] Landwirtschaft [] stark und leistungsfähig zu machen, treten wir ein für ein [?] freies Landvolk auf freier Scholle. Veralterte Feudalrechte und Fideikommisse sind zu beseitigen. Eine großzügige innere Kolonisation hat die Vermehrung des bäuerlichen Besitzes zu bewirken und dafür zu sorgen, daß dem Landarbeiter der Erwerb von Eigenland erleichtert wird. Durch ausreichende und zweckmäßige Entlohnung, durch gesunde Wohnungen ist die Neigung zur Landarbeit zu heben. Die Wälder sind für Zwecke der Allgemeinheit mehr als bisher nutzbar zu machen, der Wildschaden ist durch durch ausreichenden Abschuß zu verhüten und unter allen Umständen voll zu ersetzen. [] Da für jeden geordneten Staatsaufbau ein kraftvoller [] gewerblicher u. kaufmännischer Mittelstand [] eine unbedingte Voraussetzung ist, so muß sich der Staat in Zukunft dieser unentbehrlichen Volksschicht mehr denn je annehmen. Wir fordern deshalb vor allem die Wiederaufrichtung der selbständigen Betriebe im Handwerk und im Kleinhandel durch Zuführung von Aufträgen, Rohstoffen und Kredit; sodann weitgehende berufliche Selbstverwaltung, freiheitlichen Ausbau bei Handwertskammern, Innungen und sonstigen Berufsverbände [!], Änderung des öffentlichen Verdingungswesens auf der Grundlage des angemessenen Preises, Verbesserung des Fach- und Fortbildungswesens und der gesamten Berussausbildung, Schutz des Handwerks gegen den schädlichen Wettbewerb der Gefängnisarbeit und der öffentlichen Regiebetriebe. [] Den [] Beamten und Lehrern ist eine den wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechende Besoldung zu gewähren. Schon vor der endgültigen Gehaltsregelung verlangen wir zur Abhilfe der dringendsten Not eine sofortige Erhöhung der Kriegs- und Teuerungszulagen. Auch die Ruhegehälter und Hinterbliebenen-Ansprüche sind grundsätzlich neu zu regeln. Alle Bezüge, Pensionen und die Ansprüche der Hinterbliebenen müssen unantastbar bleiben. Unerläßliche Voraussetzung für die tätige Mitarbeit der Beamten im öffentlichen Leben ist die Schaffung eines freiheitlichen Beamtenrechts, das eine gesetzliche Regelung der Arbeits- und Ruhezeiten verbürgt und den Ausbau von Fürsorgebeftrebungen auf gesetzlicher Grundlage ermöglicht. Jedem Beamten und Lehrer ist Einsicht in seine Personalakten zu gewähren. [] Für die [] Arbeiter und Angestellten [] verlangen wir völlige Sicherung der Koalitionsfreiheit, Anerkennung der Organisationen, ausreichende Mitwirkung der Arbeiter bei Festsetzung der Löhne und der Arbeitsbedingungen, Schutz gegen Ausbeutung der Arbeitskraft, insbesondere Schutz der Frauen und der jugendlichen Arbeiter, obligatorische Arbeitsnachweise, ausreichende Altersversorgung. [] Die volle [] staatsbürgerliche Gleichberechtigung [] ohne Ansehen von Stand, Geburt und Konfession muß endlich zur Tatsache werden. Bei der Besetzung der öffentlichen Ämter dürfen allein die Fähigkeiten entscheiden. Freie Bahn dem Tüchtigen ohne Unterschied der Geschlechter! muß dabei die Richtschnur sein. [] Ein Gemeinwesen, wie es die Deutsche demokratische Partei erstrebt, läßt sich nur schaffen auf dem Boden einer Gesellschaftsordnung, die das Privateigentum anerkennt. Darum wendet sich die deutsche demokratische Partei mit Entschiedenheit gegen die Sozialdemokratie, da deren Endziel, die Sozialisierung des gesamten Wirtschaftsprozesses, ja schon die Annäherung an dieses Ziel, den Ruin der gesamten Produktion und den Untergang der persönlichen Freiheit herbeiführen würde. Aber ebenso entschieden sind die Versuche der rechtsstehenden Parteien zurückzuweisen, unter mehr oder weniger unverfänglichen Formen und Bezeichnungen den veralteten Polizeistaat wieder einzuführen. [] Wahre innere und äußere Freiheit des einzelnen, glückliches Gedeihen des Ganzen können nur durch die Verwirklichung der Grundsätze der [] Deutschen demokratischen Partei [] gesichert werden. Darum, wer ein starkes, neues Preußen will, der wähle [] die Kandidaten der Deutschen demokratischen Partei!
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