Sowjet-Lohnsystem in der Sowjetzone

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; SOWJET-LOHNSYSTEM IN DER SOWJETZONE [] Es war nur ein Anfang, was bisher Arbeiter und Bevölkerung in der Ostzone erdulden mußten. Mitte Juli 1952 wurden auf sowjetische Anweisung eine Reihe von Maßnahmen verkündet, die sämtlich nur den einen...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1952
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/D3717F1B-5904-407F-8A95-B444A4BDF5CF
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; SOWJET-LOHNSYSTEM IN DER SOWJETZONE [] Es war nur ein Anfang, was bisher Arbeiter und Bevölkerung in der Ostzone erdulden mußten. Mitte Juli 1952 wurden auf sowjetische Anweisung eine Reihe von Maßnahmen verkündet, die sämtlich nur den einen Zweck haben, die Sowjetzone in eine "Volksdemokratie" nach Moskauer Muster umzuwandeln, die bisher geheime Aufrüstung zu legalisieren und Soldaten für Stalin aufzustellen, den eisernen Vorhang hermetisch abzuschließen und 18 Millionen Deutsche unter die sowjetische Knute zu zwingen. [] Ein Kernstück dieses sowjetischen Programms ist die Einführung des stalinistischen Gehalts-, Lohn- und Prämiensystems in der mitteldeutschen Wirtschaft. [] So erhält z. B. ein Direktor einer "volkseigenen" Kohlengrube als hervorragender "Spezialist" an Gehalt und Prämien bei 110% Planerfüllung rund 53000,- DM (Ost) monatlich, fast unversteuert, während ein Hilfsarbeiter der Lohngruppe I in einem Textilbetrieb den Monats-Hungerlohn von 134,- DM erhält. Damit ist ein weiterer Schritt auf dem Wege getan, die sowjetische Klassengesellschaft auch auf die Sowjetzone zu übertragen. [] Spezialist sein ist alles. Die bevorzugte Schicht der Spezialisten genießt alle nur denkbaren Sonder- und Vorrechte. Da werden Gehälter bis zu 180000 DM und Altersrenten bis zu 144000,- DM jährlich festgesetzt. Hierzu kommen noch Prämien, die ein Mehrfaches des Gehaltes betragen, außerdem Sonderzuteilungen rationierter Lebensmittel, bevorzugte Versorgung mit Mangelwaren, hochwertigen Importwaren und Zuweisung von neuen Wohnungen. Die höchsten Einkommen zahlt man in der Rüstungsproduktion, während die Gehälter und Löhne in den Werken für den zivilen Bedarf am niedrigsten sind. Nur als Rüstungs-"Aktivist" oder -"Spezialist" ist das Leben in der Sowjetzone erträglich. Die großen Einkommenunterschiede zwischen Arbeitern und Spezialisten dienen allein dem Zweck, die darbenden und schwer arbeitenden Menschen desto straffer an die Leine zu bekommen. [] Hennecke machte seinerzeit den Anfang. Er fuhr als Hauer eine Sonderschicht, und das "Übersoll" nach sowjetischem Stachanow-Vorbild war geboren. Sowjetgoldene Ehren häuften sich auf seinem Haupt, er wurde zum Dank SED-Instrukteur, Prämienkassierer und erhielt den "National"-Preis in Höhe von 150000,- DM. Mit diesem System der Sollfestsetzung wurde in der Sowjetzone das System der Normerfüllung, der Prämien, der Aktivisten und Spezialisten geboren. [] Spezialisten und Aktivisten bestimmen heute das Arbeitstempo und wer nicht mitkommt, bleibt auf der Strecke liegen, hungert und darbt und mit ihm seine Familie. Die vorübergehende Leistungssteigerung eines Hennecke-"Aktivisten" hat zur Folge, daß die Arbeitsnormen allgemein heraufgesetzt werden bei gleichzeitiger Senkung der Stücklöhne. [] Die nebenstehenden Lohn- und Gehaltsübersichten weisen deutlich die enormen Lohnunterschiede aus, durch die ganze Arbeitergruppen gegeneinander ausgespielt werden sollen. [] EINKOMMENS-UNTERSCHIEDE IN DER SOWJETZONE [] Gehaltsgruppe [] Gehalt ohne Prämie im Monat in DM [] Höchstgehalt Mindestgehalt [] Leitende "hervorragende" Techniker, Ingenieure, Wissenschaftler 15000,- 5000,- [] Leitende "hochqualifizierte" Techniker, Ingenieure, Wissenschaftler 4000,- 2000,- [] TECHNIKER, INGENIEURE, WISSENSCHAFTLER GEHALTSGRUPPE J V UND J I [] Steinkohle unter Tage 2190,- 700,- [] Metallurgie 1720,- 715,- [] Grundchemie 1600,- 480,- [] Allgemeiner Maschinenbau 1285,- 565,- [] Textil 1255,- 505,- [] Bekleidung 1100,- 435,- [] MEISTER - GEHALTSGRUPPE M IV UND M I [] Braunkohle über Tage 920,- 490,- [] Metallurgie 900,- 480,- [] Grundchemie 770,- 415,- [] Allgemeiner Maschinenbau 710,- 397,- [] Textil 635,- 340,- [] Buchbindereien 580,- 310,- [] NACH DEN NEUEN AMTLICHEN SOWJETZONALEN UNTERLAGEN [] ... und was verdienen demgegenüber die Arbeiter und Hilfsarbeiter? [] Die Stundenlöhne der Arbeiter [] Betriebsgruppen [] Stundenlohn in DM (höchste Ortskl.) [] Aktivisten (Leistungsl.) Lohngr. VI Facharbeiter Lohngr. V Hilfsarbeiter Lohngr. I [] Steinkohle unter Tage 4,38 1,91 1,10 [] Braunkohle über Tage 3,14 1,58 0,94 [] Metallurgie 3,10 1,47 0,87 [] Grundchemie 2,44 1,41 0,76 [] Allg. Maschinenbau 1,91 1,24 0,87 [] Übrige Chemie 1,59 1,27 0,76 [] Textil 1,51 1,00 0,68 [] Zu den Aktivistenlöhnen kommen noch Prämien bei Sollerfüllung und Übererfüllung bis zu 25% des Leistungslohnes und Sonderprämien. Der Aktivist, der davon lebt, daß er die Arbeitsbedingungen seiner Kollegen verschlechtert, fällt somit den schwächeren Arbeitern in den Rücken und macht damit ihre Lage hoffnungslos und schwer. [] So sehen also die sogenannten sowjetischen "Errungenschaften" für alle schwachen und hilfebedürftigen arbeitenden Menschen aus! [] Fast die gesamte Industriearbeiterschaft in der Sowjetzone ist in die Lohngruppen 1 bis V eingestuft. Nur etwa 50/" aller Arbeiter erhalten die Aktivistenlöhne in den Lohngruppen VI bis VIII und dazu natürlich die Prämien. Somit geht der größte Teil der Arbeiter, nämlich 95%, leer aus und darbt bei Hungerlöhnen, die ihnen dieses Ausbeutersystem bietet. [] Außerdem darf man nicht vergessen, daß die Kaufkraft der Löhne in der Sowjetzone wesentlich geringer ist als in der Bundesrepublik. Der Arbeiter in der Sowjetzone erhält weniger für sein sauer verdientes Geld als sein Fachkollege im Westen. Die Schwarzmarktläden der HO sind für ihn verschlossen, weil nur "Aktivisten" und "Spezialisten" mit Sonderprämien diese sowjetischen HO-Preise bezahlen können. [] Das sowjetische Lohnsystem begünstigt willkürlich nur einen verschwindend kleinen Teil der Arbeiter- und Angestelltenschaft: die "Aktivisten" und "Spezialisten". Nur diese können sich sattessen und die Waren kaufen, die ihnen die HO-Laden zu Schwarzmarktpreisen bieten. [] Außerdem wird in der Sowjetzone jeder Arbeiter gezwungen, alljährlich eine große Zahl unbezahlter Überstunden zu leisten. In diesem Jahr werden es, zusammengerechnet, an die 300 Stunden sein, die zu Ehren des großen Präsidenten Pieck und des großen Stalin gefordert werden. [] Diese Tatsachen verschweigen die Kommunisten im Westen bewußt. Sie verschweigen auch die Wahrheit, daß dem Arbeiter in der sowjetischen Zone das Streikrecht genommen wurde. Wenn die Sowjetzone ein Paradies ist, warum gehen die Kommunisten dann nicht in die Sowjetzone? Dort hätten sie jede Gelegenheit zum Wohle dieses "Paradieses" ihr Soll zu erfüllen und ihre Liebe zum großen "Vater" aller Werktätigen unter Beweis zu stellen. [] Wir aber, vor allem die Menschen in der Sowjetzone, haben genug von ihren Parolen! [] DIE SPD FORDERT [] ... die Beseitigung dieses Lohnsystems in der Sowjetzone; [] ... die Unterstützung der Mutigen im Kampfe gegen die Herrschaft der Sowjets; [] ... freie und geheime Wahlen in Gesamtdeutschland und die Bildung einer freigewählten deutschen Regierung; [] ... die Befreiung der Arbeiterschaft in der Sowjetzone von diesem Joch. [] FÜR DIE DEUTSCHE EINHEIT IN RECHT UND FREIHEIT [] SPD [] Herausgeber: Vorstand der SPD, Bonn 9. 52
Published:1952