Gegen den Krieg; Liebknechts Erklärung; Das erste Dokument der kommenden neuen Internationale

Bemerkungen: [] = Absatzmarken (ohne Punktion) im Volltext des Originals; Das Flugblatt beinhaltet zwei verschiedene Erklärungen Gegen den Krieg. Liebknechts Erklärung im Reichstag in der Sitzung vom 2. Dezember 1914. Meine Abstimmung zur heutigen Vorlage begründe ich wie folgt: Dieser Krieg, den ke...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: N.N.
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1914
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/DD68A8C4-8A64-4849-8BEC-ED90239363BA
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken (ohne Punktion) im Volltext des Originals; Das Flugblatt beinhaltet zwei verschiedene Erklärungen Gegen den Krieg. Liebknechts Erklärung im Reichstag in der Sitzung vom 2. Dezember 1914. Meine Abstimmung zur heutigen Vorlage begründe ich wie folgt: Dieser Krieg, den keines der beteiligten Völker selbst gewollt hat, ist nicht für die Wohlfahrt des deutschen oder eines anderen Volkes entbrannt. Es handelt sich um einen imperialistischen Krieg, einen Krieg, um die kapitalistische Beherrschung des Weltmarktes, um die politische Beherrschung wichtiger Siedelungsgebiete für das Industrie- und Bankkapital. Es handelt sich vom Gesichtspunkt des Wettrüstens um einen von der deutschen und österreichischen Kriegspartei gemeinsam im Dunkel des Halbabsolutismus und der Geheimdiplomatie hervorgerufenen Präventivkrieg. Es handelt sich auch um ein bonapartistisches Unternehmen zur Demoralisation und Zertrümmerung der anschwellenden Arbeiterbewegung. Das haben die verflossenen Monate trotz einer rücksichtslosen Verwirrungsregie mit steigender Deutlichkeit gelehrt. - Die deutsche Parole "Gegen den Zarismus" diente, - ähnlich der jetzigen englischen und französischen Parole "Gegen den Militarismus", - dem Zweck, die edelsten Instinkte, die revolutionären Überlieferungen und Hoffnungen des Volkes für den Völkerhaß zu mobilisieren. Deutschland, der Mitschuldige des Zarismus, das Muster politischer Rückständigkeit bis zum heutigen Tage, hat keinen Beruf zum Völkerbefreier. Die Befreiung des russischen, wie des deutschen Volkes muß deren eigenes Werk sein. Der Krieg ist kein deutscher Verteidigungskrieg. Sein geschichtlicher Karakter und bisheriger Verlauf verbieten einer kapitalistischen Regierung zu vertrauen, daß der Zweck, für den sie die Kredite fordert, die Verteidigung des Vaterlandes ist. Ein schleuniger, für keinen Teil demütigender Friede ohne Eroberungen, ist zu fordern; alle Bemühungen dafür sind zu begrüßen. Nur die gleichzeitige dauernde Stärkung der auf einen solchen Frieden gerichteten Strömungen in allen kriegführenden Staaten kann dem blutigen Gemetzel vor der völligen Erschöpfung aller beteiligten Völker Einhalt gebieten. Nur ein auf dem Boden der internationalen Solidarität der Arbeiterklasse und der Freiheit aller Völker erwachsener Friede kann ein gesicherter sein. So gilt es für das Proletariat aller Länder, auch heute im Kriege sozialistische Arbeit im Frieden zu leisten. Die Notstandskredite bewillige ich in der geforderten Höhe, die mir bei weitem nicht genügt. Nicht minder stimme ich allem zu, was das harte Los unserer Brüder im Felde, der Verwundeten und Kranken, denen mein unbegrenztes Mitleid gehört, irgend lindern kann; auch hier geht mir keine Forderung weit genug. Unter Protest jedoch gegen den Krieg, seine Verantwortlichen und Regisseure, gegen die kapitalistische Politik, die ihn heraufbeschwor, gegen die kapitalistischen Ziele, die er verfolgt, gegen die Annektionspläne, gegen den Bruch der belgischen und luxemburgischen Neutralität, gegen die Militärdiktatur, gegen die soziale und politische Pflichtvergessenheit, deren sich die Regierung und die herrschenden Klassen auch heute noch schuldig machen, lehne ich die geforderten Kriegskredite ab. Berlin, den 2. Dezember 1914. gez.: Karl Liebknecht. [] Das erste Dokument der kommenden neuen Internationale. Die Konferenz der schweizerischen und italienischen Sozialisten am 27. Sept. 1914 in Lugano hat folgende Proklamation erlassen: Die gegenwärtige Katastrophe ist das Ergebnis der imperialistischen Politik der Großmächte, die in den absolutistischen Monarchien zusammenfällt mit den dynastischen Interessen. Der europäische Krieg ist kein Ringen für höhere Kultur und für die Freiheit der Völker! Er ist in gleicher Weise ein Kampf der kapitalistischen Klassen um die Eroberung neuer Absatzmärkte in fremden Ländern, wie der verbrecherische Versuch, die revolutionäre Bewegung des Proletariats und der sozialen Demokratie im eigenen Lande niederzuzwingen. Die deutschen und die österreichischen Bourgeois haben kein Recht, sich zur Verteidigung des Krieges auf den Kampf gegen den Zarismus und für die Freiheit der nationalen Kultur zu berufen, denn wie das preußische Junkertum mit Wilhelm II. an der Spitze und die deutschen Großindustriellen immer eine Politik der Unterstützung und der Aufrechterhaltung des fluchbeladenen Zarismus führten, so haben die Regierungen in Deutschland und Österreich-Ungarn die nationale Kultur unterdrückt und die freiheitliche Bewegung der Arbeiterklasse in Fesseln geschlagen. - Auch die französischen und englischen Bourgeois haben kein Recht, sich in der Verteidigung ihrer Länder auf den Kampf gegen den deutschen Imperialismus und für die Freiheit der Völker zu berufen. Ihr Ziel ist nicht die Befreiung der Völker von dem kapitalistischen und militaristischen Druck, denn durch ihre Bündnispolitik mit dem zaristischen Rußland haben sie diesen Druck verschärft und die Entwicklung zu höherer Kultur verhindert [] Die wahren Ursachen und der eigentliche Karakter des gegenwärtigen Krieges werden verdunkelt durch den in allen Ländern von den herrschenden Klassen absichtlich entfochten chauvinistischen Taumel. Auch Teile der Arbeiterklasse wurden von dieser chauvinistischen Strömung mitgerissen und glauben durch die Teilnahme am Krieg der Befreiung des Proletariats der anderen Länder von der Blutherrschaft ihrer Regierungen zu dienen. Kein Krieg aber kann diese Wirkungen hervorrufen. Die Unterdrückten können sich nicht die Freiheit erringen im Kampf für ihre Unterdrücker und gegen die unterdrückten Klassen anderer Länder. - Diese alten Grundsätze der alten Internationale zu verkünden, ist heute, wo die internationalen Beziehungen der Arbeiter unterbrochen sind, mehr denn je die Pflicht der Sozialisten jener Länder, die von den Kriegsgreueln verschont geblieben sind. Demgemäß betrachten es die unterzeichneten Vertreter der sozialistischen Parteien Italiens und der Schweiz als ihre Aufgabe mit dem Aufgebot ihrer letzten Kraft gegen eine weitere Ausdehnung des Krieges auf andere Länder anzukämpfen und jeden Versuch, neue Völker in den Krieg hineinzuhetzen, als ein Verbrechen an der arbeitenden Bevölkerung und an der Kultur zu brandmarken. In diesem Sinne wenden sich die Vertreter der Sozialdemokraten Italiens und der Schweiz an die soz. Parteien der übrigen Staaten. Indem sie so die Grundlage für eine gemeinsame Aktion unter den am Krieg unbeteiligten, aber von seinen Wirkungen betroffenen Völkern gegen die Fortführung der furchtbaren Schlächtereien schaffen, ersuchen sie die soz. Parteien der neutralen Länder gleichzeitig, von ihren Regierungen unverzüglich die Einleitung diplomatischer Unterhandlungen mit den Regierungen der im Kriege stehenden Staaten zu fordern, um eine rasche Beendigung des Völkermordens anzustreben. Die italienischen Delegierten: Armuzzi, Balabanoff, De Falco, Lazarri, Modigliani, Morgari, Musatti, Ratti, Serati, Turati. Die schweizerischen Delegierten: Albisser, Ferri, Greulich, Grimm, Naine, Pflüger, Rimathé, Schenkel.
Published:1914