Lieber Freund!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Hannover, Weihnachten 1946 [] Lieber Freund! [] Weißt Du noch? In den Straßen lag das frühe Dämmern eines Winterabends. Leise Flocken tanzten in der Luft, und alle Menschen hatten es eilig. Du schrittest weiter. Doch plötzlich bliebst Du wie...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Parteivorstand
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 12.1946
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/C236A7DA-6349-45F1-A538-571420C825D5
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Hannover, Weihnachten 1946 [] Lieber Freund! [] Weißt Du noch? In den Straßen lag das frühe Dämmern eines Winterabends. Leise Flocken tanzten in der Luft, und alle Menschen hatten es eilig. Du schrittest weiter. Doch plötzlich bliebst Du wie gebannt stehen: Hinter einem Fenster wurde ein kleines Lichtlein wach. Da: Noch eins ... Und noch eins ... Aus allen Fenstern grüßten mit einem Male strahlende Weihnachtsbäume, und Dein Herz wurde weit und froh: Stille Nacht, heilige Nacht! [] Weißt Du noch? [] Es ist lange her, und nichts ist geblieben als eine wehe Erinnerung an diese glückliche, unbeschwerte Zeit. Denn wie sieht unser Weihnachten diesmal aus? [] Unsere Häuser und Heime sind zerstört, unsere Lieben mußten in den furchtbaren Jahren eines wahnsinnigen Krieges ihr Leben lassen. Vertrieben von Haus und Hof irren Millionen umher, hungern und frieren und mit ihnen die Kinder, deren Augen schon erloschen und deren Gesichter grau geworden sind! [] Aber mehr noch: Über 6 Millionen unserer Männer, Brüder und Väter werden in der Gefangenschaft zurückgehalten, und ihr ganzes Denken und Hoffen ist ein einziger Aufschrei: "Wann kommen wir endlich frei?" [] Es gibt keine deutsche Regierung die Euch helfen kann oder die für Eure Rechte eintritt. Doch wir werden es tun! Wir wollen um Euch kämpfen, bis Ihr wieder hier seid, Eure Familien und Angehörigen wiedergefunden habt und dann mithelfen könnt, ein neues besseres Deutschland aufzubauen. [] So ist Dr. Schumacher, der 1. Vorsitzender [!] der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, erst kürzlich in England gewesen und hat in verschiedenen öffentlichen Reden mannhaft die Freilassung aller Kriegsgefangenen verlangt. [] "Durch ganz Deutschland geht der Ruf: Schickt uns unsere 6 Millionen Gefangenen zurück!", so rief er unter Bewegung aus, und seine Abschiedsworte an die 400 Deutschen eines englischen Lagers waren: "Auf Wiedersehen in Deutschland!" [] Auf Wiedersehen in Deutschland! rufen wir auch Euch zu. Es ist unser aller Weihnachtswunsch, und es soll unsere Forderung und Hoffnung für das vor uns liegende Jahr 1947 sein. Wir werden in unserem Bemühen nicht nachlassen, und wiese man uns hundert oder tausendmal zurück. Ohne Euch kann Deutschland nicht gesund, können Eure Lieben nicht wieder froh werden. [] Auf Wiedersehen in Deutschland! [] Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Published:12.1946