Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Bürgerinnen und Bürger von Rheinland-Pfalz [] Die Freie Demokratische Partei (FDP) unseres Landes hat am 31. März 1952 die Regierung Altmeier gerettet. Sie lehnte gemeinsam - mit Ausnahme von drei Abgeordneten - mit der CDU den Mißtrauensantrag, den die SPD gegen Altmeier gestellt hatte, ab. [] Die Regierung des politischen Katholizismus wird also vorläufig weiter in Rheinland--Pfalz an der Macht bleiben. [] Wie kam es zu dem Mißtrauensantrag gegen Altmeier? [] Kurz vor Beginn der Fastenzeit hatte der Bischof von Mainz die katholischen Eltern in Rheinhessen aufgefordert, die seit mehr als 100 Jahren bestens bewährte [] christliche Gemeinschaftsschule zu zerstören [] und an ihre Stelle die Konfessionsschule zu setzen. [] In zahlreichen Eltern- und Bürgerversammlungen wurde dieses Ansinnen abgelehnt. Die protestantische Kirche, die FDP und die SPD, forderten die Eltern öffentlich auf, sich für die Erhaltung der christlichen Gemeinschaftsschule einzusetzen. [] Die SPD richtete im Landtag an die Regierung die Aufforderung, ihre ganze Autorität zur Aufrechterhaltung des konfessionellen Friedens einzusetzen. [] Diese Aufforderung wurde in der Landtagssitzung vom 27. März 1952 gemeinsam von der FDP und SPD gegen die Stimmen der CDU unterstützt, nachdem Ministerpräsident Altmeier die Erklärung abgegeben hatte, daß die Regierung nichts in dieser Frage tun könne und wolle! [] Die Folge davon war der von der SPD eingebrachte Mißtrauensantrag, von dem man nach Lage der Dinge annehmen konnte, daß auch die FDP ihn unterstützen würde. [] Wahlversprechungen der FDP - und was aus ihnen wurde [] Die FDP hat bedauerlicherweise die in weiten freiheitliebenden Bevölkerungskreise unseres Landes in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Sie beugte sich dem Willen der CDU und der Aufforderung des Mainzer Bischofs. Ihr Verhalten in der Landtagssitzung am 31. März 1952 wurde damit zum Verzicht auf die Einlösung der Wahlversprechungen vor der Landtagswahl. Damals hatte die FDP ihren Wählern versprochen, daß sie als Erbe der liberalen Tradition für die Aufrechterhaltung der christlichen Gemeinschaftsschule eintreten werde und nicht gewillt sei, sich [] dem Diktat des politischen Katholizismus zu beugen. [] Die FDP hatte ihre Wähler glauben machen wollen, daß sie die Nachfolgerin jener freiheitliebenden Männer aus dem Jahre 1848 sei, die damals schon in unserer rheinhessisch-pfälzischen Heimat das Banner der geistigen Freiheit getragen hatten. [] Durch die Rettung der Regierung Altmeier hat die FDP aber auch ein anderes Versprechen gegenüber ihren Wählern außer acht gelassen; Sie hat sich bedingungslos denen ausgeliefert, die das von den Besatzungsmächten kurz nach dem Zusammenbruch geschaffene Land Rheinland-Pfalz erhalten wollen. [] Jedermann weiß, daß Peter Altmeier gerade in der Frage der notwendigen Neuregelung der deutschen Ländergrenzen die gleiche Rolle spielt, wie vor der Bildung des Südweststaates der südbadische Staatspräsident Leo Wohleb. [] Die FDP hat somit die ihr in dieser Situation gebotene Chance, den Auftrag ihrer Wähler zu erfüllen, verpaßt, um in dieser Regierung verbleiben zu dürfen. [] Welche Rolle spielt die FDP in der Regierung Altmeier [] Die FDP hat in der Regierung Altmeier zwei Minister. Diese beiden Herren verwalten schlecht und recht die Finanzen und die Justiz unseres Landes. Die Kulturpolitik, die Personalpolitik und auch Länderpolitik wird eindeutig im Sinne der CDU festgelegt. [] Der FDP ist es bei ihrer einjährigen Regierungsbeteiligung noch nicht einmal gelungen, ihre berechtigten Ansprüche in der Personalpolitik durchzusetzen. Überall in der Verwaltung regiert der von den Bischöfen gesteuerte katholische Einfluß. [] Der FDP-Abgeordnete Sommerey aus Trier hat mit Recht in der Landtagssitzung vom 28. März 1952 darauf hingewiesen, daß im Raume von Trier insbesondere bei der Besetzung von Lehrerstellen kirchliche Einflüsse entscheidend sind und daß es nicht auf die Leistung, sondern auf die Konfession ankomme. Abg. Sommerey mußte der CDU sagen, daß Teile der Bevölkerung diese Entwicklung mit der gleichen Befürchtung sehen, wie in jener unglückseligen Zeit, die wir erst vor wenigen Jahren überwinden konnten. [] Auch der FDP-Abgeordnete Claus hat in öffentlicher Sitzung dem Ministerpräsidenten Altmeier zugerufen, daß die Interessen der Bevölkerung unseres Landes gerade im Hinblick auf die Neuregelung der Ländergrenzen gemäß dem Willen des Volkes und nicht gemäß dem Willen des Ministerpräsidenten zu wahren sind. [] Diese wenigen Beispiele zeigen genügend, wie tief die Kluft zwischen der CDU und der FDP ist. Sie zeigen aber auch mit erschreckender Deutlichkeit, wie wenig die FDP in Rheinland-Pfalz willens ist, die von ihren Wählern erwartete Politik zu praktizieren. [] Die FDP hat erneut das Fehlen einer politischen Zielsetzung im Lande Rheinland-Pfalz dokumentiert und sich weiter der Führung einer dogmatisch-klerikalen Regierung gebeugt. [] Bürgerinnen und Bürger von Rheinland-Pfalz! [] Die Sozialdemokratische Partei bedauert diese Entwicklung auf das tiefste. Dem Drängen auch zahlreicher FDP-Anhänger folgend, und gemäß ihrem von den SPD-Wählern erhaltenen Auftrag, hatte sie der FDP die Chance gegeben, eine Politik der geistigen Freiheit und Toleranz in Rheinland-Pfalz einzuleiten. [] Die FDP hat auf der ganzen Linie versagt und sich wieder bedingungslos in die Reihen derer gestellt, für die unter anderem die Trennung der Kinder in den Konfessionsschulen eine "politische Aufgabe" ist. [] Die FDP hat durch ihre Ablehnung des Mißtrauensantrages gegen Altmeier die Front jener politischen Kräfte gestärkt, die das Land Rheinland-Pfalz, die Hochburg des politischen Katholizismus, entgegen den vitalen Interessen seiner Bevölkerung erhalten wollen. [] Unbeirrt von dieser sichtbaren politischen Unzuverlässigkeit der FDP wird die SPD allein weiter den Kampf führen: [] Für die soziale Gerechtigkeit [] Für die geistige Freiheit [] und für die Schaffung eines demokratischen Deutschland [] in welchem nicht die Interessen von einem Dutzend Ländern mit hundert Ministern für die weitere Entwicklung unseres Vaterlandes entscheidend sind, sondern das Wohl des ganzen Volkes. [] Herausgeber: Landtagsfraktion der SPD in Rheinland-Pfalz [] Druck: Naubrunnendruckerei GmbH., Mainz
Published:31.03.1952