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Solidarität mit Solidarnosc [] Die Nachricht, daß in Polen jetzt endgültig militärisch regiert wird, die Gewerkschaftsführer der Solidarnosc bis auf Walesa verhaftet sind und das Kriegsrecht verhängt worden ist, stellt uns jetzt endgültig die Frage, auf welcher Seite wir stehen. Kriegsrecht, das heißt, wie Radio "Stimme der DDR" am Sonntag verkündete, daß selbst standrechtliche Erschießungen möglich sind. Der Versuch der polnischen Regierung, das verkrustete Machtmonopol der polnischen KP durch taktische Zugeständnisse an die radikaldemokratische sozialistische Erneuerung der Arbeiterbewegung, eben der Solidarnosc, zu retten, ohne in den entscheidenden Fragen nachzugeben, ist gescheitert. Das letzte Mittel der Herrschenden in Polen ist die Machtübergabe an das Militär, von dem sie glauben, daß es die letzte "intakte" Instanz ist. Dies ist nichts weiter als ein von den Herrschenden selbst initiierter und gesteuerter Militärputsch. Die Frage: Wie intakt ist das Militär wirklich? Kann es den von der Solidarnosc am Wochenende beschlossenen Generalstreik verhindern, und wird es tatsächlich das Kriegsrecht benutzen? Diese Situation kann für uns nur eines bedeuten: Wir müssen klar Stellung beziehen und die Solidarnosc mit unseren Möglichkeiten unterstützen. [] Demonstration Heute, 15.12. [] Treffpunkz 17 30 Martinsplatz (Ecke Münsterplatz / City-Ring) [] Kundgebung 18 30 Kaiserplatz [] Wie konnte es zur derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Situation in Polen kommen? Die ersten Ansätze zur Überwindung der nach dem II. Weltkrieg installierten stalinistischen Strukturen gab es bereits 1956. Der Aufstand in Posen [!] gegen Normerhöhungen und für politische Freiheiten wie Aufhebung der Zensur und Arbeiterräte in den Betrieben wird mit Panzern niedergeschlagen. Nach der Wahl Gomulkas zum Generalsekretär der KP werden die Arbeiterräte 1957/58 faktisch wieder liquidiert. Nach einer kurzen Studentenrevolte 1968 kommt es 1970 nach Preiserhöhungen für Lebensmittel und Konsumgüter erneut zu Protesten der Arbeiter. Wegen des brutalen Einsatzes gegen die Streikenden wird Gomulka gestürzt. Sein Nachfolger Gierek verließ den bis 1970 verfolgten Kurs der Entwicklung der Schwerindustrie auf Kosten von Landwirtschaft und Leichtindustrie zugunsten der Konsumgüterindustrie, ohne die anderen Produktionsbereiche anzupassen. Die Beruhigung der Bevölkerung durch bessere Lebensmittel- und Konsumgüterversorgung konnte so nur durch massivste Verschuldung Polens auf den westlichen Kapitalmärkten erkauft werden, also durch wachsende Abhängigkeit vom kapitalistischen Weltmarkt. Diese Abhängigkeit schlug mit der Krise der westlichen kapitalistischen Wirtschaft voll auf Polen zurück. [] Die Tilgung der Schulden über polnische Exporte wurde immer schwieriger, polnische Industrieprodukte waren im Westen kaum noch abzusetzen, es blieb vor allem der Export von landwirtschaftlichen Produkten. Während das polnische Volk immer härter arbeitete, wurde es gleichzeitig ausgehungert. Diese Abhängigkeit von westlichen Krediten ist neben den ineffizienten gesellschaftlichen Strukturen (Inkompetenz und Korruption in der Partei, praxisferner, aufgeblasener Verwaltungsapparat, unterentwickelte Landwirtschaft und Binnenmarkt) die Hauptursache der derzeitigen Krise. Als 1975 die wachsende Schuldenlast des Staates mit Lebensmittelspreissteigerungen bekämpft werden soll, kommt es wieder zu Unruhen. Als die Regierung 1980 heimlich die Fleischpreise in den Werkskantinen erhöht, weil ihr kein anderer Ausweg bleibt, ist das Maß voll: In landesweiten Streikaktionen werden Streikkomitees gegründet, auf betrieblicher und überbetrieblicher Ebene, die bedingen, daß die Gewerkschaft Solidarnosc gegründet werden kann. In ihr organisieren sich 10 Millionen Arbeiter, etwa 3/4 der gesamten Werktätigen Polens. Diese Gründung einer freien Gewerkschaft war der wichtigste Schritt in dem emanzipatorischen Prozeß, den die polnischen Arbeiter in den verkrusteten, hierarchischen Strukturen ihres Landes begonnen haben und der jetzt gestoppt werden soll. Wir solidarisieren uns mit den rätedemokratischen Ideen und Strukturen, die die polnischen Arbeiter, gegen die Willkürherrschaft der polnischen KP entwickelt haben. [] In der jetzigen Situation rufen wir daher zur Demonstration "SOLIDARITÄT MIT SOLIDARNOSC" unter folgenden Forderungen auf: [] - Sofortige Aufhebung des Kriegsrechts, Hände weg von den polnischen Arbeitern! [] - Sofortige Freilassung inhaftierter Gewerkschaftsführer und keine weitere Behinderung der Gewerkschaftsarbeit [] - Bildung des von Solidarnosc seit Monaten geforderten nationalen Wirtschaftsrates, der die strukturellen Probleme der polnischen Wirtschaft und Gesellschaft in einem breiten, basisdemokratischen Diskussionsprozeß angehen und durch weitgehenden Aufbau von Selbstverwaltungen lösen soll und die einzige Chance zur friedlichen Lösung ist [] - Wir fordern von der Bundesregierung, die Tilgung aller Polen - Kredite auszusetzen [] - Wir fordern die UdSSR und die Staaten des Warschauer Paktes wie auch die USA, die Bundesregierung und die anderen westeuropäischen Staaten der NATO auf, sich nicht in die inneren Angelegenheiten Polens einzumischen. [] Wir fordern alle Demokraten, Sozialisten, Kommunisten und alle demokratischen und gewerkschaftlichen Organisationen auf, sich diesem Aufruf und der Demonstration anzuschließen. [] Zu dieser Demonstration rufen auf: LUST Liste undogmatischer Studenten Die Grünen Kreisverband Bonn FLK Fachschaftsleiterkonferenz Uni Bonn SB Sozialistisches Büro Bonn KBW Kommunistischer Bund Westdeutschlands [] Informations- und Diskussionsveranstaltung zur Situation in Polen, nach der Kundgebung, um 20 00 in Hörsaal 8, Uni-Hauptgebäude [] VisdP: Stefan Hages, Nassestr.11, 53 BN 1
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