Offener Brief an Minister Asbach

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Deutschland-Post [] für Schleswig-Holstein [] Extra-Ausgabe [] 12. Januar 1951 [] [] Offener Brief an Minister Asbach [] [] Der Chefredakteur der Schleswig-Holsteinischen Volks-Zeitung hat an den Landesminister Asbach (BHE) nachstehenden of...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Deutschland-Post für Schleswig-Holstein
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 01.1951
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/9AF86780-6800-4BAC-969A-F856903DCE26
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Deutschland-Post [] für Schleswig-Holstein [] Extra-Ausgabe [] 12. Januar 1951 [] [] Offener Brief an Minister Asbach [] [] Der Chefredakteur der Schleswig-Holsteinischen Volks-Zeitung hat an den Landesminister Asbach (BHE) nachstehenden offenen Brief gerichtet: [] [] Herr Minister! [] [] Als Sie im September des vergangenen Jahres Ihr Ministeramt mit einem Führererlaß in der Manier eines nationalsozialistischen Reichsleiters übernahmen, veröffentlichte die Zeitung, die ich die Ehre habe, redaktionell zu vertreten, lediglich Ihren Ukas. Wir glaubten, bei einem frischgebackenen Minister uns jeglichen Kommentars enthalten zu müssen, weil wir annahmen, daß fehlender Takt durch die Würde und Bürde des Amtes ersetzt werden könnte. Lange bevor in anderen Presseorganen auf die Tatsache hingewiesen wurde, daß der neue schleswig-holsteinische Minister für Arbeit, Soziales und Vertriebene ein Reitpferd wünschte und dieserhalb an zwei Minister herantrat habe ich von Ihrem Wunsch Kenntnis gehabt. Ich wußte, daß Sie, Herr Minister, ein Reitpferd auf Staatskosten wünschten, denn ein von der Polizei gestelltes Reitpferd ist ja wohl als Staatseigentum zu bezeichnen. Auch damals habe ich geschwiegen, trotzdem es nicht nur mich stärkstens empörte, daß ein mit den Stimmen der Aermsten der Armen gewählter Minister plötzlich die Allüren eines reich gewordenen Mannes an den Tag legte. Ihre Wähler, Herr Minister, wären mehr als erstaunt gewesen, wenn sie durch diese Zeitung erfahren hätten, daß ihr Minister Allüren und eine Vergnügungssucht an den Tag legte, die in diametralem Gegensatz zur Notlage dieser Wähler stehen. [] [] Weiter habe ich geschwiegen, als Sie befahlen, nicht wünschten oder erbaten, daß Arbeitslose zur Teilnahme an einer Feier eines Ihnen unterstehenden Amtes abkommandiert werden sollten! Dann habe ich noch geschwiegen, Herr Minister als Sie in der vorletzten Landtagssitzung nicht nur der offensichtlichen Lüge bezichtigt, sondern derselben sogarüberführt wurden. In einer in Lübeck erscheinenden Zeitung hatten Sie wider besseres Wissen unwahre Behauptungen aufgestellt, von denen sich sogar Ihr Ministerpräsident distanzieren mußte. In diesem Falle war es besonders schwer, der Oeffentlichkeit keinen Kommentar zu der Tatsache zu geben, daß ein Minister, um eine politische Partei zu diffamieren, die Unwahrheit sagte. Es waren teilweise Ihre Wähler, die auf Grund Ihrer unwahren Behauptungen in den "Lübecker Nachrichten" mich aufforderten, dieses, Ihr Verhalten, einer größeren Oeffentlichkeit bekanntzugeben. [] [] Nun ist der Augenblick gekommen, Herr Minister, wo weder die schleswig-holsteinische Presse noch ich länger schweigen können. Die amerikanische Nachrichtenagentur UP veröffentlicht, nachdem bereits vor einiger Zeit eine in Kiel erscheinende Zeitung ähnliches meldete, eine Anweisung von Ihnen, wonach erst dann Informationen an Presse und Rundfunk gegeben werden dürfen, wenn diese von Ihrem Ministerium genehmigt worden sind. Diese Anweisung, Herr Minister, bedeutet, der Presse einen Maulkorb umzuhängen. Sie zwingt mich zu diesem Schritt an die Oeffentlichkeit. Nicht nur, daß Sie die Presse an der Ausübung ihrer im Grundgesetz verankerten Berufspflichten hindern wollen, haben Sie darüber hinaus nach dieser UP-Meldung verfügt, daß Ihr Regierungsdirektor, Dr. Timm, die Pressewünsche zensurieren soll. [] [] Auch Ihnen, Herr Minister, müßte bekannt sein, daß weiteste Teile der schleswig-holsteinischen Bevölkerung, und hier insbesondere die Gewerkschaften, jegliche Zusammenarbeit mit dem politisch belasteten Dr. Timm abgelehnt haben. Sie haben durch Ihre Anweisung die demokratische Presse im Lande Schleswig-Holstein zwingen wollen, einen von zahlreichen Bewohnern dieses Landes abgelehnten ehemaligen Nationalsozialisten als Zensor anzuerkennen. [] [] Darüber hinaus haben Sie Landesarbeitsamt, Krankenkassen und der Landesversicherungsanstalt zur Auflage gemacht, nur mit Genehmigung Ihres Ministeriums Auskünfte an die Presse zu geben. Damit haben Sie Ihre Befugnisse weit überschritten. Nehmen Sie zur Kenntnis, daß ich Ihr Verhalten nicht mit den Rechten und Pflichten eines demokratischen Ministers in Einklang bringen kann. Sie scheinen in Fragen des Taktes und der Demokratie nicht nur unwissend, sondern sogar unbelehrbar zu sein. Es wird allerdings noch zu klären sein, ob Ministerpräsident und Kabinett sich Ihrem undemokratischen Verhalten anschließen und es billigen. Sie dürfen versichert sein, daß die demokratische Presse sich unter keinen Umständen Ihr diktaturähnliches Verhalten bieten läßt. [] [] Mit der Ihnen gebührenden Wertschätzung [] Fritz Przytulla, Chefredakteur [] [] Auf der am 10.1. d.J. im Landeshaus in Kiel stattgefundenen Pressebesprechung konnten weder der Vorsitzende des BHE, Herr Landesminister Kraft, noch Minister Asbach die im vorstehenden offenen Brief erhobenen Beschuldigungen entkräften. [] [] Damit hat sich wieder einmal der Ausspruch des langjährigen Partei-Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei, August Bebel, bewahrheitet: Laßt nicht Worte, sondern Taten gelten!
Published:01.1951