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Industrie-Gewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland Bezirk Stuttgart Stuttgart N, 10.Juni 1954 Rote Straße 2 A Mitteilung an alle in der Metallindustrie beschäftigten Arbeiterinnen und Arbeiter. Liebe Kolleginnen, lieber Kollege! Die Große Tarifkommission der IG Metall hat zu den "Einigungsvorschlag" des Vorsitzenden der Schiedsstelle Stellung genommen. Sie hat einstimmig diesen Vorschlag als nicht weitgehend genug abge1ehnt. Dieser Beschluß kam zustande nach einer sehr lebhaften Diskussion, an der sich die Vertreter aus nahezu allen Verwaltungsstellen unseres Tarifgebietes beteiligten. Gleichzeitig hat die Tarifkommission die Bezirksleitung beauftragt, noch einmal um die Einleitung von Lohnverhand1ungen mit dem Verband der Metallindustriellen bemüht zu sein. Damit sollte unsererseits erneut unter Beweis gestellt werden, daß die IG Metall auch das Letzte versucht, um vor der Ergreifung gewerkschaftlicher Kampfmaßnahmen alle vorhandenen Möglichkeiten im Interesse unserer Kolleginnen und Kollegen zu nützen. Diesen Beschluß unserer Großen Tarifkommission hat der Bezirksleiter, Kollege Ludwig Becker, in einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit unterbreitet und ausführlich begründet. Er hat dort besonders darauf hingewiesen, daß in den letzten Wochen die Kampfbereitschaft der Belegschaften in den Metallbetrieben ganz erheblich gewachsen und in vielen großen Kundgebungen, Betriebsräte- und Funktionärkonferenzen zum Ausdruck gekommen sei. An der Hand der gestiegenen Gewinne und Dividenden bewies Kollege Becker, daß die Unternehmer zahlen können, und daß es dazu keinerlei Preiserhöhungen bedürfe. Er widerlegte damit das alte Unternehmerargument - das auch wieder auf der Pressekonferenz der Metallindustriellen auftauchte -, daß Preiserhöhungen die Folge von Lohnerhöhungen sein müßten. Nachdrücklich hat Kollege Becker die Unternehmer aufgefordert, ihre Geschäftsbücher zu öffnen, wenn sie nichts zu verbergen hätten. Da sie dies aber nicht tun, sei der beste Beweis dafür erbracht, daß sie sehr wohl in der Lage seien, die Lohnforderung der IG Metall zu erfüllen. Wenn auf der Pressekonferenz der Unternehmer erklärt wurde, daß noch nicht gesagt werden könne, ob alle Betriebe in der Lage seien, auch nur die von dem Vorsitzenden der Schiedsstelle empfohlene Lohnerhöhung zu zahlen, so mögen sie doch ihre Bücher offenlegen! Aber gerade das wollen sie aus sehr naheliegenden Gründen nicht! Am kommenden Montag wird nun entsprechend dem Beschluß der Großen Tarifkommission noch einmal vor der Schiedsstelle verhandelt werden. Daß die Unternehmer sich bereitfinden mußten, nach dem anfänglichen "Undiskutabel" zu unserer Forderung, den Vorschlag des Vorsitzenden der Schiedsstelle zu akzeptieren, darf bereits als erster Erfolg der gewerkschaftlichen Aktivität unserer Kollegen in den Betrieben gewertet werden. Auf sie allein geht das erste Entgegenkommen der Unternehmer zurück und nicht auf ihre angebliche "Opferbereitschaft im Interesse der Erhaltung des Arbeitsfriedens" wie Dr. Löwisch auf der Pressekonferenz der Unternehmer erklärte. Nach wie vor gilt es, mit aller Entschiedenheit auch die letzte Kollegin und den letzten Kollegen davon zu überzeugen, daß das weitere Ergebnis der Verhandlungen weitgehend bestimmt wird von dem Grad der Entschlossenheit und Kampfbereitschaft der Gewerkschaftsmitglieder und der Belegschaften selbst. Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland [] Die Bezirksleitung
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