Warum ... bin ich Sozialdemokrat [Serie] . Dr. Katharina Focke

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; warum [] Dr. Katharina Focke [] wurde am 8. Oktober 1922 in Bonn geboren. Sie ist Tochter des bekannten Publizisten Ernst Friedlaender. Kindheit und Jugend verbrachte sie mit ihren Eltern ab 1929 in den USA, in Liechtenstein und in der Schwei...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Werbeagentur ARE (Harry Walter), Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand, Vorwärts-Druck, Bad Godesberg
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 28.09.1969
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/CBD4EB89-3468-4085-B2A6-D5EF050B0C39
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; warum [] Dr. Katharina Focke [] wurde am 8. Oktober 1922 in Bonn geboren. Sie ist Tochter des bekannten Publizisten Ernst Friedlaender. Kindheit und Jugend verbrachte sie mit ihren Eltern ab 1929 in den USA, in Liechtenstein und in der Schweiz. Ihr in Zürich begonnenes Studium setzte sie an der Universität Hamburg fort, wo sie 1954 mit dem europäischen Thema "Das Wesen des Übernationalen" zum Dr. phil. promovierte. Nach dem Tode ihres Mannes, Dr. jur. Ernst Günter Focke, übernahm sie 1961 als Geschäftsführerin die Leitung des mit der Europa-Union Deutschland verbundenen ",Bildungswerk Europäische Politik" in Köln. [] Der SPD trat Dr. Katharina Focke 1964 bei. Seit dem 10. Juli 1966 ist sie Mitglied des Landtages von Nordrhein-Westfalen. Das Schwergewicht ihrer parlamentarischen Tätigkeit liegt auf dem Gebiet der Kulturpolitik, insbesondere des Hochschulwesens und der politischen Bildung. [] ... bin ich Sozialdemokrat [] Die Politik hat mein Leben von früh auf bestimmt, wenn auch nicht die Parteipolitik. Als ich heranwuchs, lebte meine Familie wegen des nationalsozialistischen Regimes im Ausland. Die Frage, was nach dem Zusammenbruch des "Dritten Reiches" aus Deutschland werden sollte, stand während dieser Jahre im Mittelpunkt unserer Familiengespräche. Mein Vater saß oft bis in die tiefe Nacht am Schreibtisch und schrieb Bücher: über "Das Wesen des Friedens" und die Notwendigkeit, Europa zu einigen, über die deutsche Geschichte und den Wiederaufbau eines demokratischen deutschen Staates und nicht zuletzt über die deutsche Jugend. Ich nahm leidenschaftlichen Anteil daran. Meine ständig noch wachsende Überzeugung, daß Europa geeinigt und ein demokratisches Deutschland in dieses Europa integriert werden muß, stammt aus jener Zeit. [] Von da bis zur Entscheidung, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei zu werden, war es allerdings noch ein langer Weg. Diese Entscheidung reifte erst nach dem Tode meines Mannes, als ich auf mich allein gestellt, nun selbst europapolitisch aktiv wurde. Das geschah im vorparlamentarischen Raum im Rahmen der Europa-Union und des Bildungswerks Europäische Politik. Sehr schnell mußte ich feststellen, daß ein Verband immer nur mittelbar Einfluß ausüben kann, auf dem Umweg über Politiker und Parteien. Hieraus zog ich allmählich die Konsequenz, daß ich selbst bereit sein müßte, mich in die Parteipolitik zu begeben. Es war ein sehr bewußter Entschluß, und er brachte mich dazu, mich intensiv mit den drei im Bundestag vertretenen Parteien zu beschäftigen. Naturgemäß ging ich hierbei von meinem überragenden Interesse aus, von der Europapolitik und der Einstellung der Parteien zu ihr. [] Die Partei Konrad Adenauers konnte mich nicht überzeugen. Ihr vom Kalten Krieg geprägter dogmatischer Antikommunismus, ihr allzusehr auf den Westen beschränktes Europabild deckten sich nicht mit meinen eigenen Anschauungen. Vielmehr war es die SPD, die Partei der internationalen Solidarität, die für mich das bessere Europa-Programm, die engagierteren Politiker, die aktivere Politik hatte. Die Zusammenarbeit mit Karl Mommer, dem späteren Vizepräsidenten des Bundestages, im Präsidium der Europa-Union, die häufigen Begegnungen mit Fritz Erler in Bonn und auf internationalem Parkett waren die ausschlaggebenden persönlichen Eindrücke. Hinzu kam Käte Strobel, damals Vorsitzende der sozialistischen Fraktion im Straßburger Europa-Parlament und Sprecherin der eigentlichen europäischen "Opposition". Daß die Europäische Gemeinschaft demokratisch sein müsse und weder bürokratisch noch technokratisch sein dürfe - es waren immer wieder europäische Sozialdemokraten, die dies überzeugend forderten. Es war in der Bundesrepublik die SPD, die sich schon da mals am stärksten für eine um England und die anderen beitrittswilligen Staaten zu erweiternde EWG einsetzte und die versuchte, die Brücke zu schlagen zwischen der Integration im Westen und der Politik nach Osten, die eintrat für eine gesamteuropäische Friedensordnung, wie sie unter Willy Brandt oberstes Ziel unserer Außenpolitik geworden ist. [] Als ich mich so, von der Europapolitik ausgehend, näher mit der SPD und den anderen Parteien beschäftigte, wurde mir eine zweite Tatsache klar, die dann ebenso entscheidend für meinen Entschluß geworden ist. Es ist die Tatsache, daß die SPD die eigentliche Reformpartei in unserem Lande ist. Sie war und bleibt die Partei, die mutiger und tatkräftiger als andere, ohne falsche Rücksichtnahme auf etablierte Gruppeninteressen, unentwegt wagt, gegen Mißstände anzukämpfen, Chancenungleichheit aufzudecken, für die Rechte der am Rande der Wohlfahrtsgesellschaft lebenden Minderheiten einzutreten. Sie tut dies aus ihrem in hundertjähriger Geschichte gewachsenen zugleich sozialen und demokratischen Grundkonzept heraus, und ihr Blick ist hierbei auf die kommenden Jahrzehnte gerichtet. Sie weiß, daß man nur bewahren kann, indem man verändert. Sie ist hellhörig für die Gefahr technokratischer Entwicklungstendenzen in unserer modernen Industriegesellschaft, und sie wirkt ihnen entgegen, indem sie für die Entfaltung des einzelnen Menschen, für Freiheitsspielraum in jedem Bereich der Gesellschaft kämpft. Klarer als andere hat sie erkannt, welche Bedeutung Bildung und Ausbildung für die sozialen Chancen im Leben haben. In den Ländern, in denen sie die Kulturpolitik bestimmt, hat die SPD sich konsequent für ein demokratisches Bildungswesen und seine Reform zu einem durchlässigen Gesamtschul- und Gesamthochschulsystem eingesetzt. [] Als Frau an der Schwelle zur Politik habe ich mir die Parteien auch daraufhin angesehen, ob und inwieweit sie Verständnis zeigen für die Belange der größten unterprivilegierten Gruppe in unserer Gesellschaft: für die Frauen. Wenn auch nach meiner Meinung bisher keine Partei genug getan hat, um die tatsächliche Chancengleichheit der Frau herzustellen, so hat die SPD nachdrücklicher als andere gleiche Bildungschancen für Mädchen angestrebt und versucht, gesellschaftspolitische Maßnahmen zur Erleichterung der immer häufigeren Doppelrolle der Frau in Haushalt und Beruf durchzusetzen: so durch die Einrichtung von Tagesschulen, durch Vermehrung der Kindergärten, durch verstärkte Möglichkeiten zur Fortbildung und Umschulung. [] Ich habe in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands meine politische und menschliche Heimat gefunden. Ich fühle mich wohl unter Menschen, die auf eine lange Tradition zurückblicken und doch ganz auf die Zukunft eingestellt sind. Ich bin stolz darauf, Mitglied der fortschrittlichsten aller deutschen Parteien zu sein und zugleich der Partei, die am sichersten gefeit ist gegen jede Anwandlung von Nationalismus. Ich habe unter meinen vielen Parteifreunden noch keinen getroffen, der sich seiner Vergangenheit unter dem Nationalsozialismus schämen mußte, wohl aber viele, die in jenen Jahren unter Einsatz ihres Lebens für ein besseres Deutschland gekämpft haben. Trotz meines späten Beitritts zur sozialdemokratischen Familie habe ich nie zu spüren bekommen, daß ich ein Außenseiter sei. Man hat mich akzeptiert, so wie ich bin, und mir die Möglichkeit gegeben, mitzuarbeiten und mich einzusetzen. Daß ich Landtagsabgeordnete geworden bin, und zwar schon so bald nach meinem Parteibeitritt, verdanke ich keiner Protektion von oben, sondern der Initiative meines Südkölner Ortsvereins, also einem Akt vorbildlicher innerparteilicher Demokratie ganz ohne Funktionärsdenken. Ich halte mich für ein lebendiges Beispiel dafür, wie sehr die SPD tatsächlich eine Volkspartei geworden ist und offensteht für jeden, der gewillt ist mitzuarbeiten. [] Ihre Katharina Focke [] Herausgeber: Vorstand der SPD, Bonn
Published:28.09.1969