Liebe Heimatfreunde!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; HERMANN OSPALD [] geb. am 20. Januar 1921 in Braunseifen/ Ostsudeten. Angestellter. Mitglied des Reg. - Flü. - Beirats in Schwaben. [] Haunstetten im Juli 1949. [] Liebe Heimatfreunde! [] Sicher habt Ihr Euch bereits Gedanken darüber gemacht,...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Ospald, Hermann, Augsburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt GmbH
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 14.08.1949
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/3199DB31-373E-4BBD-B70C-581F3083FAF7
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; HERMANN OSPALD [] geb. am 20. Januar 1921 in Braunseifen/ Ostsudeten. Angestellter. Mitglied des Reg. - Flü. - Beirats in Schwaben. [] Haunstetten im Juli 1949. [] Liebe Heimatfreunde! [] Sicher habt Ihr Euch bereits Gedanken darüber gemacht, wer von den Vertriebenen für den Bundestag kandidieren wird. Es ist damit zu rechnen, daß fast alle Kandidaten ihre plötzliche Liebe zu den Heimatvertriebenen entdecken werden, denn wir sind immerhin eine nicht zu unterschätzende Wählermasse. [] Aber diese Liebeserklärungen sind nur platonisch und nur von kurzer Dauer. Sie halten nicht viel länger als bis zum Wahltag. Darum, liebe Landsleute, aufpassen auf diese schillernden Propheten. Worauf es uns ankommt, das weiß nur derjenige, der selbst mit zu dem grauen Heer der Heimatlosen gehört und am eigenen Leibe verspürt, was es heißt, Vertriebener zu sein. Er wird alles tun, um zu helfen. [] Ihr wißt, daß es in Bayern Flüchtlingswahlkreise geben sollte. Sie wurden von der Militärregierung verboten. Die bayer. Staatsregierung hat darüber Krokodilstränen vergossen, da sie ja die Flüchtlingswahlkreise nur im ureigensten Interesse der Heimatvertriebenen geschaffen hatte. Etwas seltsam und etwas sehr spät. Ich meine diese Aufopferung der Bayer. Staatsregierung für uns. Da steckt doch etwas anderes dahinter. Wenn die bayerische CSU-Regierung für die Heimatvertriebenen hätte etwas tun wollen, darin hätte sie das längst tun können. Die Flüchtlingswahlkreise waren kein Geschenk. Sie wurden nur geschaffen, weil man keine Vertriebenen auf die Listen nehmen wollte und weil man auf eine Zersplitterung unter den Flüchtlingen rechnete. Um eine Vertretung der Heimatvertriebenen nicht zu stark werden zu lassen, hatte man die Zahl der Flüchtlingswahlkreise vorsorglich auf 9 begrenzt, obwohl den Flüchtlingen in Bayern auf Grund ihres Bevölkerungsanteils mindestens 15 Wahlkreise zugestanden hätten. Ihr seht, es war doch nicht so ehrlich. Nun ist die Angelegenheit erledigt. Die CSU könnte nun ihre Liebe zu den Flüchtlingen beweisen, indem sie viele Flüchtlingskandidaten auf ihre Liste setzt. In Schwaben haben wir 7 Wahlkreise. Wir haben die Liste der CSU durchgesehen und dabei festgestellt, daß mit Ausnahme unseres sudetendeutschen Landsmannes Hans Schütz, kein weiterer Flüchtling aufgestellt wurde. Von 7 Wahlkreisen also nur einer. Die SPD hat in Schwaben von 7 Wahlkreisen allein [] 3 mit Heimatvertriebenen besetzt, ohne besonders viel Worte zu machen. So sehen die Dinge in Wirklichkeit aus. [] Aber das ist ja für uns kein Wunder. Wir wissen, daß die "schönen Worte der bayerischen CSU-Regierung" billig sind wie die Brombeeren. Ich erinnere nur an das Flüchtlingsgesetz, das nie zur Durchführung gekommen ist. Im Gegenteil, man hat in den verflossenen zwei Jahren einen dauernden "kalten Krieg" gegen die Flüchtlinge geführt. [] Die Flüchtlingsverwaltung wurde der inneren Verwaltung eingegliedert, die Flüchtlingsobleute werden stufenweise entlassen, die Wohnungssonderkommissionen aufgelöst, die Pensionen an die Flüchtlinge nur zur Hälfte ausgezahlt, die 20%-Quote der Flüchtlinge bei Staats- und Kommunalbehörden ist noch immer nicht erreicht und so könnte man noch viele Dinge anführen, die sich alle gegen die Heimatvertriebenen richteten. [] Gerade jetzt versucht man wieder, die Flüchtlingsbeamten und -Angestellten auf raffinierte Art und Weise von der Bundesverwaltung zurückzustellen. Der Ia im "kalten Krieg" gegen die Flüchtlinge, Herr Ritter von Lex, die graue Eminenz des Innenministeriums, prüft zur Zeit die Personalakten der Flüchtlingsbeamten und -Angestellten auf Ihre NSDAP -Zugehörigkeit. Was damit beabsichtigt ist, kann sich jeder Heimatvertriebene selbst denken. Man sucht den Splitter im Auge des Vertriebenen, damit der Balken im eigenen Auge nicht so sichtbar wird. Herr von Lex hat kein Recht dazu, diese Ueberprüfungen vorzunehmen, denn er hat 1933 im Deutschen Reichstag dem Ermächtigungsgesetz Adolf Hitlers seine Zustimmung gegeben. Was ist nicht alles auf Grund dieses Gesetzes geschehen! Herr von Lex hat viel mehr Schuld auf sich geladen, als der von Haus und Hof vertriebene SA-Mann, der in den meisten Fällen nur SA-Mann aus Angst gewesen ist. Dieser Mann hat eine furchtbare Sühne tun müssen durch den Verlust seiner Heimat und seines Besitzes und soll jetzt noch einmal bestraft werden, während Männer vom Schlage eines Herrn von Lex wieder in Amt und Würden sitzen. [] Ist das soziale Gerechtigkeit? Die CSU könnte hier ihre Liebe zu den Vertriebenen einmal unter Beweis stellen, wenn sie wollte. Jeder Heimatvertriebene muß sich darüber im Klaren sein, daß er Hilfe und Unterstützung nur durch eine Partei erwarten kann, die sich aus den kleinen Leuten, aus den sozial Schwachen dieses Landes zusammensetzt und deren Programm nicht der Schutz des Großbesitzes und des Geldsackes ist, sondern die soziale Gerechtigkeit für alle Menschen unseres Volkes. [] Die Sozialdemokratie ist die Verfechterin der Flüchtlingsinteressen von allem Anfang an gewesen. Wir wollen Arbeit und Wohnung für Alte, gepaart mit menschlicher Freiheit, mit einer sozialen Existenz, die ein menschenwürdiges Dasein ermöglicht. [] Den Kampf den die SPD in Bonn um einen leistungsfähigen Bundesstaat geführt hat, kommt in erster Linie den Heimatvertriebenen zu gute. Darum hat auch die SPD ein umfassendes Hilfsprogramm für die Vertriebenen auf der Bundesebene vorbereitet, indem unter anderem folgende Grundsätze vertreten werden: [] 1. Die Länderhilfe für Vertriebene muß bestehen bleiben. Auf verschiedenen Gebieten ist sie noch zu steigern. [] 2. Zur Länderhilfe muß eine umfassende Bundeshilfe kommen. [] 3. Die Vertriebenen müssen innerhalb des Wiederaufbaus auf allen Gebieten vollständig gleichberechtigt sein. [] 4. Im Hinblick auf die Begrenztheit der deutschen Hilfsquellen ist Unterstützung aus Mitteln des Marshall-Planes anzustreben. [] Im einzelnen legt das Programm besonderes Gewicht auf die praktische produktive Hilfe. Das gilt besonders für die Umsiedlung in Gebiete mit den besten Berufsaussichten, für die Gleichstellung der Sozialrentner und Pensionäre sowie für einen wirksamen Lastenausgleich. Wir kämpfen für die Menschlichkeit und soziale Gerechtigkeit zugunsten derer, die sich nur durch organisatorischen Zusammenschluß zu helfen vermögen. [] Der erste Schritt im neuen Bundestag wird die Schaffung eines Bundesministeriums sein, das mit allen Fragen der Vertriebenen besonders auch die Wohnungs- und Aufbaufrage beauftragt wird. Es wird auch Sache der Bundesregierung sein, sich zum Anwalt der Heimatvertriebenen zu machen. Dazu gehört eine wirksame Vertretung aller Vertriebenen bei einer künftigen Friedensregelung. [] Keine Partei hat eine so große Anzahl echter Flüchtlingsvertreter auf ihren Listen wie die Sozialdemokratie. [] Von ihrem Wollen und Wirken sollte sich jeder Wähler aus dem Kreise der Heimatvertriebenen überzeugen, bevor er seine Stimme abgibt. [] Das ist positive Arbeit. Dafür trete auch ich rückhaltlos ein. Es ist die Aufgabe, die wir für die Sicherung der Existenz unserer verzweifelten Menschen erfüllen müssen. Es ist ein Nahziel. [] Ebenfalls eine Aufgabe ist und bleibt die Zurückgewinnung der Heimat. Darum werden wir unseren Rechtsanspruch immer und immer wieder erheben. Einmal kommt der Tag an dem die Gerechtigkeit zum Durchbruch kommt. Dann werden wir mit tausenden von Zeugen die Fragen der Austreibung behandeln und ein Tribunal wird zu entscheiden haben. Das Gewissen der Welt hat keine Ruhe bevor dieses Werk nicht vollendet ist. [] Das wollen wir alle nicht vergessen auch wenn wir jetzt andere Aufgaben vordringlich zu lösen haben. [] Deutschland braucht uns Landsleute und wir wollen es nicht im Stich lassen. [] Freunde, der 14. August 1949 kann unser Schicksal ändern. Entscheidet richtig. Jeder trägt ein groß Teil der Verantwortung. Glaubt nicht den falschen Fahrkartenverkäufern, sie versprechen viel und hatten garnichts. [] Die SPD ist eine große Partei. Sie wird für uns und unser Recht kämpfen, darum müssen wir sie stark machen. [] Mit heimatlichem Gruß! [] Hermann Ospald [] Druck: Augsburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt G.m.b.H., Augsburg [] Drucksache [] Herrn / Frau / Frl. [] HERMANN OSPALD [] Bundestagskandidat [] HAUNSTETTEN [] Sommerstr. 1
Published:14.08.1949