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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; ACHTUNG! [] Lohn- und Gehaltsempfänger in Bremerhaven-Bremen/Nord! [] Am 6. Mai hat die Abgeordnete der Deutschen Partei (DP) im Deutschen Bundestag, Frau Margot Kalinke, im Beisein des ebenfalls ihrer Partei angehörenden Bundestagskandidaten Herbert Schneider, unwidersprochen von ihm und unter seiner offenbaren Billigung im "Tivoli", Bremerhaven, verkündet: [] Die Einheitsgewerkschaft ist eine Gefahr für die Demokratie . Diese verlangt zu einer echten Willensbildung unter der deutschen Arbeiterschaft viele kleine Gewerkschaften. Eine Zusammenfassung von Menschen verschiedener Weltanschauung in einer Gewerkschaft ist unmöglich. [] Am 9. Mai erklärte der Pressereferent der SRP, Herr Manz, in der "Femina" in Bremerhaven, daß die Arbeiterschaft ihre Bonzen verjagen müsse, die die Gewerkschaften praktisch darstellen. [] Lohn- und Gehaltsempfänger! Unter den gleichen Erklärungen zogen einst die Mannen um Hitler aus, wohlversorgt mit Spenden der Herren Thyssen, Kirdorf und anderer Großmagnaten der Wirtschaft, um die Gewerkschaften von ihren "Bonzen" zu befreien. Und am 2. Mai 1933 geschah dann der Sturm mit dem einzigen Erfolg, daß die Gewerkschaften zur DAF, zur Deutschen Arbeitsfront wurden, und ein Heer von hitlerhörigen Beamten und Angestellten einsetzten. [] Wenn irgendwo ein Lohn- oder Gehaltsempfänger durch das Vertrauen seiner Kollegen zum hauptberuflichen Vertreter echter Interessen der sie berufenden Lohn- und Gehaltsempfänger wird, ist er mit diesem Augenblick ein verächtlicher Bonze. Wenn aber Untergebene von Nutznießern ungerechter Zustände in sogenannte gelbe oder schwarze Verbände berufen werden, sind es wahre und edle Arbeitervertreter, solange sie eines nicht tun, ihren Kollegen von gestern wirklich zu helfen. Sollen sie doch nur die Handlanger jener sein, die sie bezahlen. Weil aber die gewerkschaftlich Organisierten ihre Beauftragten selbst zu entlohnen pflegen, damit sie imstande sind, mit allem Nachdruck in voller Unabhängigkeit die Interessen der Lohn- und Gehaltsempfänger zu vertreten, sind es verabscheuungswürdige Bonzen! So dumm ist kein Schaffender, daß er die böse Absicht nicht merkt! [] Und die erklärten Anhänger gewisser nazistischer Methoden entdecken plötzlich mit Frau Kalinke ihr antinazistisches Herz: [] Das Einziehen der Gewerkschaftsbeiträge bei der Lohnzahlung ist nazistisch. Wir lehnen es schärfstens ab. [] Was also die Kollegen aus innerer Einsicht freiwillig beschließen, wird gleichgesetzt den Zeiten, wo die Nichtzahlung von DAF-Abzügen gleichzeitig die Entlassung wegen Störung des sogenannten Betriebs-Friedens bedeutete! [] Aber wir wissen es bald aus dem Munde von Frau Kalinke selbst, warum sie die Kraft der Lohn- und Gehaltsempfänger in viele kleine ohnmächtige Verbändchen zersplittern will: [] Der Wahlblock mit Herrn Schneider wünscht keine verantwortungsbewußten Lohn- und Gehaltsempfänger! [] Unter dem Beifall sehr bekannter Kreise erklärte Frau Kalinke am 6. Juni: [] Noch niemals hat sich in ganz Westdeutschland ein Arbeiter bei mir gemeldet und Mitbestimmung verlangt ... [] Das ist uns aber lediglich der Beweis, wie wenig sie mit Arbeitern zusammen kommt! [] Herr Schneider kann seine Vergangenheit als Nur-Offizier nicht verbergen, dem das Strammstehen der Untergebenen das einzig Mögliche erscheint; dem sich die Welt gliedert in solche, die von der Vorsehung zum Herrschen und solche, die von der gleichen Vorsehung zum Dienen und Gehorchen bestimmt sind! [] So ist es kein Wunder, wenn Frau Margot Kalinke, Herbert Schneider und der SRP-Goebbels Adolf Manz übereinstimmend erklären: [] Wir lehnen scharf und entschieden Parolen ab, weniger zu arbeiten und dabei noch mehr zu verdienen ... [] Sie pfeifen ja auch auf die Nöte der Erwerbslosen. Sie brauchen ja auch eine Reservearmee, um einmal den Lohn und das Gehalt der in Arbeit Stehenden unter Hinweis auf die "vielen Angebote aus Kreisen der Erwerbslosen" zu drücken und zum anderen jede kleinste Konjunktur durch kurzfristige Beschäftigungen "auf Abruf bereitstehender Arbeitsuchender" wahrnehmen zu können. [] Philipp Wehr, Bremerhaven, erklärt demgegenüber: [] Unerschütterlich trete ich ein für soziale Gerechtigkeit. Jeder Arbeitswillige, jeder unverschuldet in Not Geratene hat das Recht zum Leben, das ihm die Gemeinschaft zu garantieren hat. [] Alle leben wir von der, deutschen Wirtschaft. Sie zu fördern, sinngemäß zu organisieren und zur größten Blüte zu bringen, muß unser aller Aufgabe sein. [] Schärfstens bekenne ich mich gegen die Versuche, die Lasten des Staates vor allem auf die Schultern der ohnehin im Einkommen benachteiligten Schichten zu legen vermittels einer unsozialen Steuerpolitik. [] Wir Lohn- und Gehaltsempfänger in Bremerhaven und Bremen-Nord halten es für unsere Pflicht, die vorgenannten Tatsachen offenzulegen. Wir zweifeln nicht daran, daß jeder einzelne von uns am 18. Mai daraus die rechten Schlußfolgerungen ziehen wird. [] Ein jeder Lohn- und Gehaltsempfänger sollte im ureigensten Interesse zur Wahl gehen und den Feinden einer sozialen Gerechtigkeit mit allen seinen wahlberechtigten Angehörigen die Antwort geben, die ihnen gebührt! [] Deutscher Gewerkschaftsbund, Kreisausschuß Bremerhaven/ Wesermarsch, Ortsausschuß Bremen [] Druck: J.H. Schmalfeldt & Co. Bremen, Geeren 6-8
Published:18.05.1952