Liebe Wählerin, lieber Wähler!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Liebe Wählerin, lieber Wähler! [] Durch das Vertrauen meiner Freunde in der Sozialdemokratischen Partei wurde ich mit der Kandidateur zum künftigen Bundestag beauftragt. [] Einige persönliche Angaben sollen Ihnen ein Bild von dem Mann geben,...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Pflüger, Albert, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Druckhaus Friedrich-Ebert-Bau, Stuttgart
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/3E804BF4-866B-4CCC-9727-D34AAD7B6785
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Liebe Wählerin, lieber Wähler! [] Durch das Vertrauen meiner Freunde in der Sozialdemokratischen Partei wurde ich mit der Kandidateur zum künftigen Bundestag beauftragt. [] Einige persönliche Angaben sollen Ihnen ein Bild von dem Mann geben, der sich um Ihre Stimme bewirbt. [] Ich wurde am 28. Dezember 1910 in Stuttgart als Sohn des bekannten Politikers Albert Pflüger, der heute noch dem Landtag als Abgeordneter angehört, geboren. [] Mein beruflicher Werdegang begann noch dem 1934 beendeten Studium der Staatswissenschaften mit der Arbeit in der Zentralverwaltung der Daimler-Benz AG. Die dortige Tätigkeit, die mich sehr befriedigte, riß mit Kriegsbeginn ab. Ich habe den Krieg in den ersten sechs Monaten als Angehöriger einer Artillerieabteilung, dann als Fallschirmjäger auf beinahe allen Kriegsschauplätzen bis zum Ende miterlebt. Das Glück, ihn trotz mehrfacher Verwundungen überstanden zu haben, birgt mehr denn je für mich in sich die Verpflichtung, alles zu tun, eine noch schrecklichere Wiederholung zu verhindern und unablässig an der Linderung jener vielfältigen Not mitzuwirken, die er im Gefolge hatte. Nach der Heimkehr hatte ich die Gelegenheit, einen Arbeitsplatz bei dem damals im Aufbau befindlichen Länderrat der US-Zone zu erhalten. Zuerst als Referent für die gewerbliche Wirtschaft tätig, bin ich, als diese Abteilung mit der wirtschaftlichen Vereinigung der amerikanischen und britischen Besatzungszone nach Minden verlegt wurde, gern dem Vorschlag gefolgt, mich in die mich besonders ansprechende Abteilung Sozialpolitik des Länderrats versetzen zu lassen. [] Dort habe ich u. a. das Referat Wohnungswesen übernommen, dem bei der bedrückenden Wohnraumnot besonders schwierige Probleme auferlegt waren. Daneben wurden mir Aufgaben übertragen, die ihren Ursprung in der natürlichen Verflechtung sozialer und wirtschaftlicher Fragen hatten. So wurde dabei von mir verfaßt eine große Untersuchung über die soziale und wirtschaftliche Lage in der US-Zone, besonders aber habe ich mich dann Aufgaben zugewendet, die sich mit der Kriegsgefangenenfrage, mit dem Los der Schwerbeschädigten, der Rentenversorgung und der Hilfe für die Witwen und Waisen befaßten. Gerade hier nach Hilfe zu suchen, war mir eine Herzensangelegenheit. [] Ein Ruf, diese Tätigkeit auf höherer Ebene im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der amerikanischen und englischen Zone und später auch der französischen Besatzungszone fortzusetzen, kreuzte sich dann zu Beginn des Jahres 1948 mit einem Angebot zum Eintritt in die Dienste des Landesarbeitsamtes Württemberg--Baden. Ich habe es gerne vorgezogen, im "Ländle" zu bleiben. Nach Einarbeitung beim Landesarbeitsamt und Tätigkeit bei verschiedenen Ämtern bin ich seit Juli 1949 Abteilungsleiter beim Arbeitsamt Stuttgart. [] Seit 1946 bin ich, bei der letzten Wahl aus dem Vertrauen meiner Mitbürger heraus mit der höchsten Stimmenzahl gewählt, Gemeinderat der Stadt Fellbach, die vor den Toren Stuttgarts liegend ganz besondere Aufgaben zu bewältigen hat. Neben dem Amt eines stellvertretenden Bürgermeisters ist mir, abgesehen von der Tätigkeit in einer Reihe von Ausschüssen, auch das Ehrenamt des Friedensrichters übertragen worden. [] Zu meinen persönlichen Verhältnissen sei abrundend bemerkt, daß ich seit 1937 verheiratet bin, seit 1938 in Fellbach wohne und zwei Kinder habe. [] Meine Kandidatur zum Bundestag beruht nicht zuletzt auf der Ansicht, daß gerade meiner durch den Krieg so sehr gelichteten Generation im Hinblick auf die kommenden Dinge besondere Aufgaben gestellt sind. [] Dr. Albert Pflüger [] Das Ergebnis der Bundestagswahl von 1949 war eine Regierung, die innenpolitisch gegen die SPD und außenpolitisch ohne die SPD regierte [] Die Folge war eine zunehmende Verschärfung der Gegensätze im Innern, außenpolitisch aber eine bedenkliche Aufspaltung deutscher Politik. [] Einige Tatsachen zur Innenpolitik: [] Die Umsatzsteuer wurde von 2% auf 4% erhöht. [] Die Folge: eine enorme Belastung des Haushaltungsgelds der breiten Verbraucherschichten. Eine gerechte Steuerpolitik schont die wirtschaftlich Schwachen und zieht die wirtschaftlich Starken mehr heran. Die Bundesregierung aber machte das Gegenteil, sie erhöhte die Verbrauchssteuern und ermäßigte die direkten Steuern. Wie die Einnahmen des Bundes gedeckt wurden, zeigt folgende Tabelle. [] 1949 zu 48% aus Eink.-Steuern = direkte Steuern, [] zu 52% aus allgem. Verbrauchssteuern [] 1951 zu 39% aus Eink.-Steuern = direkte Steuern, [] zu 61% aus allgem. Verbrauchssteuern [] Die kleinen Sparer wurden bei der Währungsreform enteignet, das Aktienkapital dagegen wurde geschont. Folgende Übersicht zeigt das klar: [] Spareinlagen des Volkes [] 1 Tag vor der Währungsreform 71 Milliarden [] 1 Tag nach der Währungsreform 3,6 Milliarden [] Aktienbesitz [] 1 Tag vor der Währungsreform 21 Milliarden [] 1 Tag nach der Währungsreform 17 Milliarden [] Trotz aller Propaganda um das sogenannte deutsche Wirtschaftswunder hinken die Löhne hinter den Kapitalgewinnen drein. Während die industrielle Lohnquote von 1936 auf 1951 um mehr als 10 % fiel, stieg die Bruttogewinnquote im selben Zeitraum um mehr als 10 % an. [] Eine vierköpfige Arbeiterfamilie muß 44%, eine zwei/dreiköpfige Rentnerfamilie sogar 50,5% ihres Einkommens allein für Lebensmittel ausgeben. Steigende Preise und Verbrauchssteuern machten jede kleine Erhöhung des Lohnes wett. Die Rentenempfänger werden durchweg mit viel zu niederen Renten abgespeist. [] 931000 Angest.-Vers.-Rentner erhalten durchschn. 70.70 DM [] 3,2 Millionen Sozialrentner erhalten durchschn. 58.50 DM [] 1.8 Millionen Fürsorgeempfänger erhalten ganze 38.- DM [] insgesamt sind es etwa sechs Millionen Menschen, die mit ihren Angehörigen von Bezügen leben müssen, die unter dem Existenzminimum liegen. Auf der anderen Seite ermöglichte es die Steuerpolitik der Bundesregierung, daß über 10000 Personen noch Abzug ihrer Steuern [] über ein Einkommen von mehr als 65000 DM [] verfügen können, und dies noch einer Währungsreform, nach der alle mit 40.- DM in der Hand dastanden. Im sozialdemokratisch regierten Schweden geht es gerechter zu. Dort ehrt man das Alter durch eine Volkspension von 4886.- Kronen = 3909,- DM im Jahr. Während bei uns an den notwendigsten Sozialausgaben gespart wird, behauptet Bundesfinanzminister Dr. Schäffer, ohne neue Steuern [] 10 Milliarden für die neue Aufrüstung [] aufbringen zu können. Gegen denselben Minister erzwang die SPD auch die Senkung der Kaffee- und Teesteuer. Immer mußte es zu Kampfabstimmungen im Bundestag kommen, bevor sich die Regierungsparteien zu kleinen Verbesserungen bereit fanden. Meist aber wurden die Vorschläge der SPD stur niedergestimmt. [] Es ist derselbe Pharisäer-Geist, [] der auch in der Außenpolitik den Gegensatz zwischen Regierung und Opposition immer scharfer hervortreten ließ. Von Anfang an betrieb die Regierungskoalition unter dauernder Ausschaltung der SPD ihre sogenannte [] Politik der Stärke. [] Man behauptet, nur dadurch könne man Rußland zum Entgegenkommen zwingen. Diese Auffassung wurde durch die jüngsten Ereignisse glatt widerlegt. Durch diese Politik kam immer wieder [] neues Elend über die Menschheit [] und die Gefahr, daß es auch diesmal so sein wird, ist viel größer, als man wahrhaben will. [] Wir warnen das Volk vor Adenauers Rüstungspolitik! [] Jede Regierung, die sich einbildet, sich nur auf Divisionen verlassen zu brauchen, hat diese Auffassung mit dem Blut ihres Volkes bezahlen müssen. [] Wollt Ihr wieder Kanonen statt Butter? [] Wer mit seinem Stimmzettel die Fortsetzung dieser CDU-Politik ermöglicht, lädt eine ungeheure Verantwortung auf sich. [] Noch ein Wort zum sogenannten "Nein-Sagen der SPD": Wir nehmen diesen Vorwurf deshalb ernst, weil er für viele Wähler etwas Bestechendes haben mag. Die Außenpolitik der Bundesregierung war keine Politik aus deutschem Willen, sondern war der Wunsch der westlichen Alliierten. Unsere Hinweise auf die Verfassungswidrigkeit dieser Politik wurden in den Wind geschlagen. Die von uns beantragte [] Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde hintertrieben. [] Da diese Entscheidung immer noch aussteht, kann die SPD aus politischen und verfassungsrechtlichen Gründen dieser Politik weder ganz noch teilweise folgen. Unser Nein ist die logische Folge des Verhaltens des Bundeskanzlers und seiner Regierung, die ausländische Presse und Staatsmänner besser unterrichtete als die eigenen Landsleute. [] Dr. Kurt Schumacher sagte einmal: "Wenn einer seine Jacke beim ersten Knopf falsch zumacht, dann ist nachher der ganze Anzug nicht in Ordnung." So ist es auch mit der Außenpolitik Adenauers. [] Liebe Wählerinnen und Wähler! Sie werden in diesen Tagen viel Propagandamaterial erhalten. Für die CDU wird es von der Industrie bezahlt, denn diese Kreise haben ein lebhaftes Interesse an der Fortsetzung dieser Politik. [] Wir können Sie nur noch einmal auf die Ergebnisse der letzten vier Jahre verweisen und Sie aufrufen, daraus auch politische Schlußfolgerungen zu ziehen. Es liegt in Ihrer Hand, diesen Kurs zu ändern. Die SPD und ihre Kandidaten versprechen keine Wirtschaftswunder für die oberen Zehntausend, sondern arbeiten unermüdlich für das große Ziel: Soziale Sicherheit für alle für Frieden in Freiheit. [] Wählen Sie den Kandidaten und die Liste der SPD [] Druckhaus Friedrich-Ebert-Bau, Stuttgart
Published:06.09.1953