An die evangelische Christenheit und an die Obrigkeit in Deutschland

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals An die evangelische Christenheit und an die Obrigkeit in Deutschland! [] Brüder und Schwestern! [] Das deutsche Volk steht vor einer Entscheidung von größter geschichtlicher Bedeutung: Es geht darum, ob der christliche Glaube in Deutschland He...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Schlesische Bekennersynode, Brehmer & Minuth, Breslau
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1936
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/53E0A306-3515-4C85-8DAE-20C2A536FABE
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals An die evangelische Christenheit und an die Obrigkeit in Deutschland! [] Brüder und Schwestern! [] Das deutsche Volk steht vor einer Entscheidung von größter geschichtlicher Bedeutung: Es geht darum, ob der christliche Glaube in Deutschland Heimatrecht behalten soll oder nicht. [] Mit einer Wucht und Planmäßigkeit ohnegleichen wird das Evangelium von Jesus Christus heute bei uns bekämpft. Das geschieht nicht nur von solchen, die jeden Glauben an Gott verwerfen, sondern auch von solchen, die Gott nicht leugnen wollen, die aber meinen, die Offenbarung des einen lebendigen Gottes in Jesus Christus ablehnen zu können. [] Machtmittel des Staates und der Partei werden weithin eingesetzt gegen das Evangelium von Jesus Christus und gegen die, die sich zu ihm bekennen. [] Es wird uns schwer, das auszusprechen. [] Die evangelische Kirche weiß sich unserem Volk und seiner Obrigkeit durch Gottes Wort verbunden und verpflichtet. An jedem Sonntag wird in den evangelischen Gottesdiensten Fürbitte getan für den Führer und für das Vaterland. Millionen von evangelischen Deutschen haben vor drei Jahren den neuen Anfang im Leben unseres Volkes mit heißem herzen begrüßt. Sie haben es um so freudiger getan, als die Reichsregierung in ihrer ersten Proklamation vom 1. Februar 1923 gesagt hat, sie werde "das Christentum als Basis unserer gesamten Moral in ihren festen Schutz nehmen". [] Es ist für evangelische Christen ein schier unfaßbarer Gedanke, daß sich im deutschen Vaterlande staatliche Organe gegen das Evangelium von Jesus Christus wenden. Und doch geschieht es. [] Wir haben lange dazu geschwiegen, wir haben uns sagen lassen, es handele sich nur um das vorgehen weniger Einzelner, die zur Ordnung gerufen werden würden, wir haben gewartet, wir haben Vorstellungen erhoben. [] Auch dem Führer und Reichskanzler ist schriftlich vorgetragen worden, was Herz und Gewissen der evangelischen Christen beschwert. Bereits am 10. April 1935 haben die damalige vorläufige Teilung der Deutschen Evangelischen Kirche, der Reichsbruderrat und die der vorläufigen Leitung angeschlossenen Kirchenregierungen und Bruderräte namens der ganzen Bekennenden Kirche Deutschlands ein Schreiben an ihn gerichtet. Es klingt wie ein Schrei aus tiefer Not, wenn dieses Schreiben so beginnt: "Es ist im deutschen Volke dahin gekommen, daß die Ehre deutscher Staatsbürger in den Staub getreten wird, weil sie Christen sind. Die christliche Bevölkerung Deutschlands nimmt in starker Erregung und Empörung wahr, daß sie um ihres Glaubens an Jesus Christus willen auf jede Weise (Presse, Theater, Vortragssaal, Massenversammlungen) verspottet und verhöhnt und in ihrer deutschen Gesinnung und Zuverlässigkeit angezweifelt wird. Dieser Verdächtigung sind in besonderem Maße die ausgesetzt, die treu am Evangelium festzuhalten entschlossen sind. Alle Versuche, hier Wandel zu schaffen, sind vergeblich gewesen, zumal uns in steigendem Maße fast jede Möglichkeit öffentlicher Gegenwehr genommen wird." [] In diesem Jahre haben die jetzige vorläufige Leitung And der Rat der Deutschen Evangelischen Kirche dem Führer und Reichskanzler eine Denkschrift zugeleitet, aus der die ganze Not und Sorge der evangelischen Bevölkerung Deutschlands sichtbar wird. Die Denkschrift ist. Punkt für Punkt mit ausführlichem Beweismaterial belegt worden. Mit größter Gewissenhaftigkeit ist diese Denkschrift und ihr Inhalt vor der Öffentlichkeit, ja selbst vor den Gliedern der bekennenden Kirche geheim-gehalten worden, um dem Führer des Reichs Gelegenheit zu sachlicher Prüfung zu geben und gleichzeitig einen Mißbrauch dieser Denkschrift in der Öffentlichkeit zu verhindern. Gegen unseren willen und ohne jede Verantwortung der bekennenden Kirche wurde die Denkschrift in der ausländischen Presse veröffentlicht und' dadurch auch in Deutschland bekannt.[] Wir sind nunmehr gezwungen, öffentlich zu diesem Worte zu stehen. Wir müssen jetzt der Gemeinde bezeugen, was uns im Blick auf unser Volk und unsere Kirche bewegt. [] Es ist der christlichen Kirche geboten, Angriffen gegen das Evangelium frei und öffentlich entgegenzutreten, ohne Furcht vor Menschen. Es ihr ihr [!] geboten, ihren Gliedern, vor allem dem heranwachsenden Geschlecht, die klugen zu öffnen für die Gefahr, in der wir alle stehen. [] In solcher Verpflichtung reden wir. Was daraus wird, das befehlen wir dem, der uns in seinen Dienst gerufen hat. Er hat es geboten, er wird es walten! Die Wahrheit des Evangeliums wird in aller Öffentlichkeit angegriffen, auch von führenden Männern des Staates. Wir erinnern an die Rede des Reichsleiters Dr. Ley zum 1. Mai 1936. die durch den Rundfunk und durch die gesamte deutsche Presse verbreitet worden ist. Es wird der evangelischen Kirche nicht gestattet, solchen Angriffen in derselben breiten Öffentlichkeit entgegenzutreten. [] In den Schulungslagern wird vielfach die Weltanschauung des Rosenbergschen Mythus gelehrt, die den Menschen verherrlicht und Gott seine Ehre nimmt. Mit voller Offenheit wird stellenweise bereits verkündet, daß diese Weltanschauung unvereinbar sei mit dem christlichen Glauben und daß sie diesen christlichen Glauben abzulösen bestimmt sei. Auch diejenigen Christen, die den ehrlichen Willen haben, ihrem Volke zu dienen, müßten bekämpft werden - so wurde in einem studentischen Schulungslager gesagt. Wenn das Parteiprogramm von "positivem Christentum" rede, so sei damit in Wirklichkeit nicht das Christentum, sondern ganz allgemein eine positive Religiosität gemeint. Man habe das nicht gleich offen aussprechen können. Denn der Arzt könne einem Kranken nicht die volle Wahrheit sagen. Diese Ausführungen sind von dem Reichsamtsleiter Derichsweiler ausdrücklich bestätigt worden. Sie sind Hunderttausenden bekannt geworden. Niemals hat man ihnen amtlich widersprochen. Der Totalitätsanspruch dieser Weltanschauung bringt ungezählte evangelische Menschen in schwere Gewissensnot und in die ständige Versuchung zu Heuchelei und Lüge. [] Unter der Losung "Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens" wird die Kirche mehr und mehr in allen ihren Betätigungen in den Raum der Kirchenmauern zurückgedrängt. In dem Tande Martin Luthers wird es der evangelischen Christenheit verwehrt, in öffentlichen Versammlungen das Evangelium zu bezeugen.[] Predigt und Seelsorge, wie sie etwa bei der Wehrmacht bestehen, werden in Lagern des Arbeitsdienstes weithin nicht geduldet. Die evangelische Schule wird bekämpft. Die Seelsorge an der heranwachsenden Jugend wird nahezu unmöglich gemacht. Gleichzeitig aber wird das junge Geschlecht an Herabsetzungen, ja an Verhöhnungen des christlichen Glaubens gewöhnt. In Schriften der Hitlerjugend, in Zeitungen und Zeitschriften wie dem "Schwarzen Korps" u. a. finden sich immer aufs neue Schmähungen des christlichen Glaubens, die sich der Wiedergabe entziehen. [] Wer sich gegen diese Bekämpfung des christlichen Glaubens auflehnt, muß gewärtigen, daß er als Staatsfeind gebrandmarkt wird. Der evangelische Christ findet vielfach bei Staatsbehörden kein Gehör, wenn er um seines Gewissens willen Dingen Widersprechen muß, die wider Gottes klares Gebot sind, wie etwa der massenhaften Vereidigung von Kindern am 20. April 1936. [] Aus solcher Bedrückung der Gewissen, verstärkt durch dauernde Bespitzelung, erwachsen Heuchelei und knechtische Gesinnung, und schließlich lösen sich die echten sittlichen Bindungen überhaupt. [] Wir sagen das alles mit tiefem Schmerz. Wir sind bereit, dem Staat und unserem deutschen Volke Gut und Blut zu opfern. Aber wir wollen uns vor Gottes Richterstuhl nicht sagen lassen: Als das Evangelium von Jesus Christus in deutschen Landen bekämpft wurde, da seid ihr stumm geblieben und habt eure Kinder widerstandslos einem fremden Geiste überlassen! [] Angesichts dessen, was heute in unserer Mitte geschieht, bezeugen wir dem deutschen Volke die ewige Wahrheit Gottes. Der Herr unser Gott ist ein heiliger Gott und läßt sich nicht spotten. Er hat sich geoffenbart in seinem Sohne Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Es ist kein Gott außer diesem einen, der der [!] Vater Jesu Christi ist. Sein Wort hat ewige Geltung und rettende Kraft für alle. Es fordert und wirkt den Glauben und damit unseren Gehorsam, der das ganze Leben an die Gnade Gottes wagt. [] In Jesus Christus ist auch dem deutschen Volke das Heil Gottes begegnet, in keinem anderen als in Ihm! Er spricht: "was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne und nähme doch Schaden an seiner Seele!" was an der Seele eines Volkes versäumt wird, macht kein äußerer Aufstieg, kein politischer, kein wirtschaftlicher, kein sozialer Aufschwung wieder gut. [] "Gerechtigkeit erhöhet ein Volk, aber die 2ünde ist der Leute verderben!" - Das ist ewige Wahrheit. [] Christen sind es schuldig, der Obrigkeit Gehorsam zu leisten, soweit sie nicht verlangt, was gegen Gottes Gebot ist. Christen sind schuldig, zu Widerstehen, wenn von ihnen verlangt wird, was wider das Evangelium ist. [] Es ist der Kirche Jesu Christi aufgetragen, das Wort des lebendigen Gottes allem Volk zu verkündigen, nicht nur denjenigen, die zum Gottesdienst der Gemeinde zusammenkommen. Christus spricht: "was ihr höret in das Ohr, das predigt auf den Dächern!" "Gehet in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur." An dieses Wort ist die Kirche gebunden! [] Wir wenden uns an alle Obrigkeit im deutschen Volke. [] Eindeutig hat die Reichsregierung versprochen, daß sie das Christentum als Basis der gesamten Moral in ihren festen Schutz nehmen will. Ebenso klar ist das Wort, das am 21. März 1933 vor dem Deutschen Reichstag gesprochen worden ist: Die Rechte der Kirche bleiben bestehen, an ihrer Stellung zum Staat wird nichts geändert! [] Schutz für das Christentum kann nicht bedeuten, daß das Evangelium von menschlicher Macht beschützt werden müsse. Das Evangelium steht in eines Höheren Schutz! Es muß aber bedeuten, daß Verunglimpfungen des Evangeliums von demöffentlichen Leben des deutschen Volkes ferngehalten werden, und daß unserer Jugend der Glaube, den die Kirche bezeugt, nicht systematisch zerstört wird. Das fordern wir im Namen des lebendigen Gottes von allen, die in Deutschland ein Amt haben! [] Wir müssen das Recht haben, dem deutschen Volk den Glauben seiner Väter in aller Öffentlichkeit und Freiheit zu bezeugen. Die fortgesetzte Bespitzelung der kirchlichen Arbeit muß aufhören. Die Verbote kirchlicher Versammlungen in öffentlichen Räumen müssen fallen. Die Fesseln, die der kirchlichen Presse und der christlichen Liebestätigkeit angelegt sind, müssen gelöst werden. Es mutz vor allem aufhören, daß staatliche Stellen sich unausgesetzt in das innere Leben der Kirche zugunsten derer einmischen, die durch ihr Lehren und Handeln die Zerstörung der evangelischen Kirche bewirken. Es muß aufhören, daß durch Aufmärsche, Festzüge, Kundgebungen und sonstige Veranstaltungen gerade am Sonntagvormittag der Besuch des Gottesdienstes vielen evangelischen Christen unmöglich gemacht wird. Es muß gefordert werden, daß die deutsche Jugend nicht durch politischen und sportlichen Dienst so in Anspruch genommen wird, daß das christliche Familienleben darunter Schaden leidet, und für die kirchliche Betreuung kein Raum mehr bleibt. [] In dem allen geht es um das Daseinsrecht der Kirche Jesu Christi in dieser Welt. Wir bitten alle Obrigkeit im deutschen Volk, mit Ernst zu bedenken, daß sie Rechenschaft geben muß vor dem lebendigen Gott für alles, was sie tut. Wir beschwören sie, hinfort nichts mehr zu tun und nichts Zuzulassen, was wider Gottes Gebot und wider die Freiheit des in Gott gebundenen Gewissens ist! [] Wir wenden uns an die gesamte evangelische Christenheit Deutschlands. [] Wir bitten sie, getreu den Mahnungen des Evangeliums: Lasset euch nicht verbittern gegen Staat und Volk, wenn ihr um des Gewissens willen leiden müßt! [] Immer und unter allen Umständen ist der evangelische Christ seinem Staat und seinem Volke Treue schuldig. Auch das ist Treue, wenn der Christ einem Gebot, das gegen Gottes Wort ist, widersteht und seine Obrigkeit dadurch zum Gehorsam gegen Gott zurückruft. [] Wir bitten alle evangelischen Christen, sich der heranwachsenden Jugend anzunehmen und ihr die Ehrfurcht vor dem Evangelium zu erhalten, das in einer tausendjährigen Geschichte dem deutschen Volke Kraft und Halt gab. [] Wir rufen alle evangelischen Christen auf, fest und offen das Evangelium von Jesus Christus zu bekennen. In dieser Stunde der Entscheidung will Jesus Christus aufrechte Bekenner und entschlossene Jünger und Jüngerinnen haben. Jetzt gilt das Wort: "Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater!" [] Wir rufen die Diener der Kirche auf, das Evangelium von Jesus Christus ohne Kompromisse und ohne Menschenfurcht zu bezeugen, viele Pfarrer und Laien haben in diesen Jahren um des Glaubens willen gelitten, haben zum Teil im Gefängnis und im Konzentrationslager gesessen, Ausweisungen u. a. erdulden müssen. Wir wissen nicht, was uns noch bevorsteht. Aber was auch komme - wir sind gebunden an den Gehorsam gegen unseren himmlischen Vater! Laßt uns tun, was uns geboten ist, und laßt uns des fröhlichen Glaubens leben, daß Menschen, die nur Gott fürchten und sonst nichts auf der Welt, die besten Diener ihres Volkes sind! [] Wir erheben unsere Hände zu Gott, dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geist: [] Nimm dich unseres Volkes gnädig an! Laß deine Wahrheit bei uns bleiben! [] Hilf du ihr zum Siege! Amen. [] Kanzelabkündigung [!] [] der Bekennenden Kirche Deutschlands am Sonntag. den 23. August 1936. [] Herausgegeben von der Schlesischen Bekenntnissynode. [] Brehmer & Minuth, Breslau 2
Published:1936