Auf Himmelfahrskommando?

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Datierung nach Überlieferung des SPD-Parteivorstands "Propagandamaterial 1951" Thema der Woche [] Auf Himmelfahrtkommando? [] Von Peter Konradin [] [] Die Landser der beiden Weltkriege haben das Wort von den Himmelfahrtkommandos g...

Full description

Bibliographic Details
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 02.1951
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/49ACB1E0-E854-4C2D-A402-F7C2CA9E58F9
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Datierung nach Überlieferung des SPD-Parteivorstands "Propagandamaterial 1951" Thema der Woche [] Auf Himmelfahrtkommando? [] Von Peter Konradin [] [] Die Landser der beiden Weltkriege haben das Wort von den Himmelfahrtkommandos geprägt. Es spielt hier keine Rolle, wie oft oder wie wenig ein Sinn oder Unsinn dahintersteckte. Auf jeden Fall gingen die Hineinbefohlenen fast immer in den sicheren Tod. Und in den dirigierenden Stäben wurden Orden verteilt. [] Der "größte Feldherr aller Zeiten", Hitler, entwickelte das System der Himmelfahrtkommandos wie alles in monumentaler Herrlichkeit und Größe. In ganzen Armeen, so bei Stalingrad, für ein ganzes Volk, wie wir es seit 1945 zumindest alle wissen könnten. [] So ist auch heute die Antwort auf die Frage, ob in der westdeutschen Bundesrepublik eine Wiederaufrüstung durchgeführt werden soll, abwegig, wenn die Kriegsakademiker allein das Wort führen. Wir haben es vielmehr mit einer in den Voraussetzungen und den Folgerungen politischen Kategorie zu tun. [] Es ist sicherlich ein Verdienst des Oppositionsführers Dr. Schumacher, daß er nach der Besprechung mit dem Bundeskanzler in die Irrungen und Wirrungen, in die Phantastereien und Illusionen Ordnung gebracht und mit der ihm eigenen scharfen Logik die Realitäten unserer Lage und die der Weltpolitik klar umrissen hat. Es spricht sogar für den Kanzler Adenauer, wenn er nicht ohne Eindrücke von der Unterredung mit Schumacher geblieben ist und in einer Pressekonferenz durch eine scharfe Betonung oppositioneller Gesichtspunkte die eigene Stellungnahme korrigierte. [] "Westeuropa bleibt der entscheidende Punkt in allen internationalen Spannungen. Weder Korea noch irgendein anderer Punkt, an dem ein Feuer angesteckt wird, ist entscheidend, sondern nur das, was sich in den nächsten Jahren in Zentraleuropa entwickelt. Mir ist versichert worden, daß auch maßgebliche amerikanische Kreise diese Ueberzeugung haben." So sprach Konrad Adenauer. [] [] Diese Aeußerung bestätigt die früher an dieser Stelle geäußerte Meinung, daß die Entscheidungüber den Anfang eines dritten Weltkriegs in Europa, genauer in Deutschland, fällt. Wenn das richtig ist, so wird dadurch die These Schumachers bewiesen, daß in dem entscheidenden Fall von Krieg und Frieden nicht die Volkspolizei marschieren wird, sondern die Rote Armee. Denn zu dem entscheidenden und endgültigen Waffengang wird Stalin als Kerntruppen eine konzentrierte Elite und nicht die minder ausgerüsteten und minder zuverlässigen Auffüllkommandos seiner Vasallen einsetzen. [] Bei einer solchen Lage gibt es eben nur das eine von Schumacher erwähnte Mittel: den massiven Aufmarsch modernster Truppenformationen an der neuralgischen Linie, an der sich der Weltkrieg entzünden kann, von der Ostsee bis zur Adria. Diese Kraftanstrengung ist nicht von Deutschland zu leisten, nicht einmal von Europa, sondern dazu bedarf es der Truppen und der materiellen Mittel der Vereinigten Staaten. [] Dieser Weg ist die einzige Sprache, die der Kreml versteht, und er ist auch für die Vereinigten Staaten, sowohl was Blut als auch Gut angeht, der menschlichste und billigste, weil er die einzige Garantie bietet, daß die Erde nicht in Flammen aufgeht. Alles, was Westdeutschland mit seinen materiellen Mitteln und mit seiner Volkskraft aufbringen könnte, würde zwar ein Spiel für Uniformen und Kommandeure abgeben, aber nicht die Verteidigung und die Sicherung unseres Volkes und Europas zu unternehmen in der Lage sein. Es sei denn, daß man sich den Krieg in Deutschland als einen solchen der verbrannten Erde mit Partisanengruppen auf Himmelfahrtkommandos vorstellt. An Gräbern kann der Mensch die Hoffnung noch aufpflanzen, aber in den Gräbern nicht. [] Man hat den Eindruck, daß sich Adenauer solchen Gedankengängen nicht verschließt und er deshalb seinen Standpunkt gegen die Remilitarisierung zumindest theoretisch weiter betont. Und doch widerruft er dieses Bekenntnis mit seiner Forderung nach einem Ebenbild der Volkspolizei, dessen Anlage trotz Vermeidung aller technischen Fachausdrücke die Züge einer Remilitarisierung trägt. [] Man kann über die Polizeistärken debattieren, man kann über den Beitrag der Deutschen in einer europäischen Armee sprechen, wenn die staatsrechtlichen und sozialen Voraussetzungen erfüllt sind und nicht die Wünsche der Restauration an der Wiege stehen. [] [] Aber wann würde die Volkspolizei marschieren, wann würde es allein mit ihr zu einer Auseinandersetzung in einer Art Bürgerkrieg kommen? Doch nur dann, wenn die sozialen Verhältnisse in Westdeutschland die Menschen in die Verzweiflung getrieben und die immer noch geduldeten Agenten ein billiges Spiel haben. Wir können uns sehr wohl vorstellen, daß für die Anfänge der Remilitarisierung - und der Appetit der Träger und Nutznießer wird sicherlich beim ersten Frühstück wachsen - plötzlich die finanziellen Mittel vorhanden sind, die man vor den Flüchtlingen, den Kriegsopfern und den arbeitenden Massen bisher ganz und gar nicht finden konnte. Aber wir wissen auch, daß hier ein Keil den anderen treibt, und daß die sozialen Spannungen immer wachsen, sobald Kanonen die Butter ersetzen. [] Bei dem Kurs der sozialen Rücksichtslosigkeit, den die Bürgerblockregierung bislang in Bonn getrieben hat, können wir uns des bitteren Gefühls nicht erwehren, daß man bei dieser militarisierten Hausmacht in Bonn nicht nur an die Volkspolizei im Osten denkt. Es wäre aber ein Verhängnis, wenn diese Polizei etwa innerpolititischen [!] [innerpolitischen] Zwecken zur Stützung der sozialen Reaktion dienen und ihren ersten Einsatz gegen einen Marsch der Kriegsbeschädigten oder einen Streik von Arbeitern finden würde. [] Wir sagen auch das nicht ohne geschichtliche Erfahrungen. Die Weimarer Republik hatte, der Tradition der Wilhelminischen Zeit folgend, eine bewaffnete Macht aufgebaut, die jenseits der Verfassung stand, ohne eine demokratische Kontrolle blieb und ein Staat im Staat gegen das Volk wurde. Die Demokratie ist damals nicht zuletzt an der Reichswehr, die als Schutz bestimmt war, gestorben. [] [] Was wir in den Anfängen der heutigen Remilitarisierung zu erkennen glauben, und was wir aus Aeußerungen hoher Militärs, die sich berufen fühlen und die in Bonn nicht ohne Einfluß sind, vernehmen, läuft auf das gleiche Exempel hinaus. Das wird nicht dadurch besser, daß man sich auf das Beispiel der Volkspolizei aus der Zone der Diktatur beruft. Es kann nicht genügend davor gewarnt werden, auf kaltem Wege Tatsachen zu schaffen, die, mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, auf jeden Fall einen umwälzenden Vorgang in unserem staatlichen Leben und eine Sünde wider die Demokratie bedeuten. [] Auf Himmelfahrtkommando will das deutsche Volk nicht, weder als Fortsetzung einer Außenpolitik, in der es nichts zu sagen hat, noch auf dem Felde der inneren Reaktion. [] [] Nachdruck aus der "Hannoverschen Presse" Nr. 197
Published:02.1951