Der Ruhm der Soldaten!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Der Ruhm der Soldaten! [] [] Vor kurzem hat ein Gericht der Witwe des SS-Massenmörders Heydrich, auf dessen Schuldkonto die Schandtat von Lidice stand und der dann einem Attentat tschechischer Partisanen zum Opfer fiel, einen Pensionsanspruc...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand, Druckhaus Deutz
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/87376060-64A1-4F01-BBFC-CB7A7BB7E7E9
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Der Ruhm der Soldaten! [] [] Vor kurzem hat ein Gericht der Witwe des SS-Massenmörders Heydrich, auf dessen Schuldkonto die Schandtat von Lidice stand und der dann einem Attentat tschechischer Partisanen zum Opfer fiel, einen Pensionsanspruch als Kriegerwitwe zuerkannt, weil ihr Mann als Soldat im Krieg gefallen sei. Wir haben vergeblich auf einen Protest der Soldatenbünde gegen diese Gleichsetzung eines der schlimmsten Menschenschinder des Hitler-Regimes mit den deutschen Soldaten, die im Kriege gefallen sind, gewartet. Vor kurzem, am 22. Juni 1953, hat die CDU-Zeitung "Kölnische Rundschau" in ihrem Leitartikel von "massenhaftem Versagen und vereinzelter Bewährung in der Wehrgeschichte des Dritten Reiches" gesprochen. Niemand hat das zum Anlaß genommen, der "Kölnischen Rundschau" oder der CDU vorzuwerfen, daß sie das Andenken der deutschen Soldaten verunglimpfe und sie diffamiere. [] Um so verdächtiger ist es, daß die Gegner der SPD ein vor fünf Jahren im "Neuen Vorwärts" abgedrucktes Gedicht als Vorwand benützen, um der SPD vorzuwerfen, daß sie den deutschen Soldaten die Ehre abspreche und das Andenken der Gefallenen verunglimpfe. Es handelt sich um ein Gedicht, das die Überschrift "Der Ruhm der Soldaten" trug und dessen Verfasser Herbert Lestiboudois hieß. Es erschien im September 1948. Mit dem Abdruck dieses Gedichtes, so wird behauptet, habe die SPD ihre Einstellung zu den deutschen Soldaten kundgetan. [] Für wie töricht müssen die Leute, die das behaupten, ihre Zuhörer oder Leser halten? Seit wann ist es üblich, daß eine Partei ihre politische Stellungnahme durch den Abdruck lyrischer Gedichte zum Ausdruck bringt? Welcher auch nur halbwegs gescheite Mensch wird, wenn er sich über die Stellungnahme einer Partei unterrichten will, nach Versen Ausschau halten und nicht die Entschließungen dieser Partei, die Reden ihrer führenden Politiker und Abgeordneten und die Leitartikel ihrer Parteiblätter lesen? [] Daß man gegen die SPD mit einem Gedicht agitieren will, beweist im Grunde nur, daß man sachliche und politische Argumente gegen die SPD nicht hat. [] Was nun das Gedicht von Lestiboudois selbst anbelangt, so gehört es zum Wesen aller Gedichte, daß man nicht nur über ihren Kunstwert, sondern auch über ihren Inhalt sehr verschiedener Meinung sein kann. Gedichte sind eben keine Leitartikel oder Programmerklärungen; sie sind der subjektive Ausdruck von Erlebnissen, Empfindungen und Stimmungen, die auf den einen so und auf den anderen anders wirken können, und von denen oft der eine glaubt, sie bedeuten dies, und der andere glaubt, sie bedeuten etwas ganz anderes. Jeder, der vor fünf Jahren das Gedicht "Der Ruhm der Soldaten" gelesen hat, hat natürlich das Recht, das Gedicht für ein schlechtes Machwerk zu halten oder zu erklären, daß es unechte oder verzerrte Erlebnisse, Empfinden und Stimmungen zum Ausdruck bringt. Unwahr aber ist die Behauptung, daß dieses Gedicht eine Beschimpfung aller deutschen Soldaten und Gefallenen sei. Nirgends in dem Gedicht kommt zum Ausdruck, daß es sich auf alle Soldaten oder auf alle deutschen Soldaten bezieht. Es bezieht sich auf einen bestimmten Typ des ordengeschmückten Kriegsteilnehmers, der im Sieg und im besetzten Land hochmütig und brutal war und dann nach der Niederlage sich an das, was er getan hatte, nicht mehr erinnern konnte. Ob es diesen Typ unter den deutschen Offizieren und Soldaten gegeben hat, mag jeder, der im Kriege war, auf Grund seiner eigenen Erlebnisse selbst beurteilen. In jedem Falle aber ist es eine Verdrehung der Tatsachen, wenn man behauptet, ein Vorwurf gegen einen bestimmten Soldatentyp sei eine Diffamierung aller deutschen Soldaten. [] Ebenso unberechtigt wie diese Behauptung ist der Vorwurf, die SPD-Zeitung "Neuer Vorwärts" habe das Gedicht eines "undeutschen Schmutzfinken" abgedruckt. Man mag über die dichterischen Gaben von Lestiboudois sehr gering denken - man sollte aber der Wahrheit die Ehre geben und nicht verschweigen, daß zahlreiche Gedichtbände von ihm erschienen waren, bevor ein Gedicht im "Neuen Vorwärts" erschien und daß dieser "undeutsche Schmutzfink" ein Soldat des zweiten Weltkrieges war und daß damals seine Gedichte in Frontzeitungen erschienen sind. [] Wie unsinnig es ist, Lestiboudois nachträglich als ein politisches Sprachrohr der SPD hinzustellen, geht schon daraus hervor, daß er der SPD nur kurze Zeit angehört hat und die SPD bald nach dem Erscheinen des Gedichts "Der Ruhm der Soldaten", das auch bei vielen sozialdemokratischen Lesern auf Ablehnung stieß, verlassen hat, um später in die Sowjetzone zu gehen. [] Die Agitation, die mit dem Lestiboudois-Gedicht gegen die SPD betrieben wird, ist dumm und niederträchtig. Es ist der Gipfel der Niedertracht, einer Partei, deren verstorbener Vorsitzender Kurt Schumacher Frontsoldat und Schwerverletzter des ersten Weltkrieges war und deren Abgeordnete im ersten Bundestag zur Hälfte Soldaten des zweiten Weltkrieges gewesen sind (61 von 123 männlichen Abgeordneten), unterstellen zu wollen, daß sie die deutschen Soldaten diffamieren wolle. Die SPD war die erste Partei in Deutschland, die nach dem Zusammenbruch von 1945 von den Siegermächten die Entlassung und Heimsendung der Kriegsgefangenen gefordert hat. Sie hat vier Jahre lang im Bundestag als einzige Partei für eine ausreichende Versorgung der Kriegsopfer und ihrer Hinterbliebenen gekämpft. Sie hat sich noch zuletzt für eine angemessene Entschädigung der Spätheimkehrer aus der Gefangenschaft eingesetzt. Von dieser Partei zu behaupten, daß sie die deutschen Soldaten diffamieren wolle, ist eine beispiellose Schändlichkeit. Das ist nicht einmal damit zu entschuldigen, daß diejenigen, die eine solche Behauptung aufstellen, damit vertuschen wollen, daß sie selbst nichts getan haben, um den Opfern des Krieges zu helfen. [] Die deutschen Sozialdemokraten haben sich entschieden gegen die These von der Kollektivschuld aller Deutschen gewandt. Das ist eine geschichtliche Tatsache. Aber es gibt Leute, die damals schwiegen, aber jetzt die These der kollektiven Unschuld aller Deutschen vertreten möchten, die auch jene decken soll, die an den Verbrechen des Hitler-Regimes in Deutschland und in den besetzten Ländern beteiligt und mitschuldig waren. Sie behaupten, man predige die Kollektivschuld, wenn man zugebe, daß es überhaupt Schuldige gegeben habe. Sie behaupten, man schände die "Soldatenehre", wenn man zugebe, daß im Kriege Verbrechen verübt worden sind. Aber schändet man die Ehre des deutschen Volkes, wenn man wahrheitsgemäß zugibt, daß es in ihm auch Mörder und Diebe gibt? Schändet man die Ehre der Soldaten, die ehrenhaft gedient und gekämpft haben, wenn man zugibt, daß es unter den Offizieren und Soldaten auch Menschenschinder und Beuteljäger gegeben hat? Wer so argumentiert, lenkt den Verdacht auf sich, daß er selbst zu ihnen gehört hat. [] Wir deutschen Sozialdemokraten sind stolz darauf, daß wir als leidenschaftliche Gegner jeder Diktatur und jeder nationalistischen Gewaltpolitik uns stets für die einfachen und ehrlichen Soldaten des zweiten Weltkrieges und ebenso für die Verführten und Mitläufer des Hitler-Regimes eingesetzt haben. Wir sind aber ebenso stolz darauf, daß wir uns nicht mit jenen Elementen gemein gemacht haben, die - wie jetzt die Affäre Naumann beweist - angeblich demokratische Parteien unterwandert haben, um der Demokratie - wie einst vor 20 Jahren - den Garaus zu machen und das deutsche Volk in eine neue Katastrophe zu hetzen. [] Wenn diese Elemente und diese Parteien gegen uns mit der Lüge zu Felde ziehen, daß wir die Ehre des deutschen Soldaten beschmutzen wollen, dann müssen wir ihnen erwidern, daß sie kein Recht haben, im Namen der deutschen Soldaten zu sprechen, die auf Ehre Anspruch haben. [] Wenn Parteien, die uns "Nationalismus" vorwerfen, weil wir die Preisgabe deutscher Gleichberechtigung und deutscher Lebensrechte in Adenauers kleineuropäischer Politik abgelehnt haben, uns gleichzeitig die nationale Gesinnung absprechen wollen, dann stellen wir fest, daß es ihnen nie um das Wohl und Recht der Nation, sondern immer nur um die Erhaltung ihrer Besitzinteressen, nicht um die Verteidigung des Volkes, sondern um die Verteidigung ihrer Privilegien gegen das Volk gegangen ist. [] Wer deutsche Soldaten als Landsknechte für eine "Europa-Armee" fremdem Befehl zur Verfügung stellen will und nicht danach fragt, ob sie überhaupt zur Verteidigung deutschen Bodens verwendet werden sollen, der hat wahrhaftig kein Recht, sich als Hüter der Ehre deutscher Soldaten aufzuspielen. [] [] Sozialdemokratische Partei Deutschlands [] Herausgeber: Vorstand der SPD Bonn 8. 53. - Druck: Druckhaus Deutz
Published:06.09.1953