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Aufruf der FREIEN GEWERKSCHAFT Bremen [] Arbeiter, Angestellte und Beamte Bremens! [] Zum zweitenmal innerhalb zweier Menschenalter liegen 12 Jahre Unterdrückung hinter uns. [] Von 1878 bis 1890 das Bismarck'sche Schandgesetz, Sozialistengesetz genannt. [] Von 1933 bis 1945 die nationalsozialistische Terrorherrschaft. [] Damals wie heute Unterdrückung der Arbeiterorganisationen, insbesondere der Gewerkschaften. [] Damals wie heute Verfolgung und Knechtung aller derer, die für die Interessen der arbeitenden Massen eintraten. [] Bismarck mußte, der trotz Verfolgung und Terror immer mehr erstarkenden und erwachenden Arbeiterschaft nachgeben und sein Schandgesetz aufheben. Politische Arbeiterparteien und Gewerkschaften erstanden und erstarkten. [] Die Nazis mußten zwar ihre Schandgesetzgebung nicht aufheben, denn sie verschwanden von der Bildfläche. Daß sie für immer verschwunden sein mögen, dafür zu sorgen ist Aufgabe der Arbeiterorganisationen, insbesondere der Gewerkschaften. [] Deshalb Arbeiter, Angestellte und Beamte Bremens, zeigt Euch Eurer alten Tradition würdig. Ihr hattet vor 1933 nicht nur große starke Gewerkschaften, Ihr wart es auch, die den Nazis den längsten und größten Widerstand entgegensetzten. [] Deshalb ergeht an Euch der Ruf: Schließt Euch zusammen zu einer großen mächtigen Gewerkschaftsorganisation. Legt alles vermeintlich Trennende beiseite! Denkt an den alten Gewerkschaftlichen Kampfruf: [] Vereinzelt seid Ihr nichts, vereinigt riesenstark! [] Die Reaktion ist nicht tot! Sie wird versuchen, die Lasten der Nazihinterlassenschaft auf Eure Schultern abzuwälzen. [] Große Aufgaben stehen Euch bevor! [] Als erstes die restlose Austilgung des Nazionalsozialismus [!] und Militarismus. Restlose Austilgung des Giftes der Nazi-Ideologie. [] Heranziehung aller Nazis durch Rückgriff auf ihr Vermögen und durch Arbeitsleistung zur Wiedergutmachung. [] Wiederaufbau Deutschlands auf demokratischer Grundlage zu einem wahren Rechtsstaat. [] Mithilfe bei der Überwindung der ersten Schwierigkeiten durch die Hinterlassenschaft der Nazis. [] Der Winter steht vor der Tür! Tausende sind ohne eine annehmbare Unterkunft. Brennmaterial steht nicht zur Verfügung. Wenn hier nicht gegenseitige Hilfe und Unterstützung einsetzt, sind Krankheit und Seuchen die Folge. [] Jeder muß mit seinem Können und seinen Kräften dazu beitragen, diesen ersten schweren Winter zu überwinden. [] Hier, alte Gewerkschaftler, habt Ihr die Gelegenheit, zu zeigen, daß Ihr noch wißt, was Solidarität heißt; zeigt der Jugend, was alte Gewerkschafts-Solidarität ist! [] Deutschland kann und wird wieder aufgebaut werden, wenn alle Kreise der Bevölkerung, die sich zu freier demokratischer Anschauung bekennen, zusammenfinden zu gemeinsamem Handeln. [] Die Gewerkschaften müssen dabei durch ihre positive Einstellung führend sein. [] Denkt vor allem an unsere Jugend, der nichts anderes gelehrt wurde als die Nazigewaltherrschaft und Überheblichkeit gegenüber politisch anders Denkenden und gegenüber anderen Völkern. [] Das Leben und Denken unseres Volkes muß grundlegend umgestaltet werden durch gegenseitige Achtung und Anerkennung jeder sittlichen und demokratischen Weltanschauung. [] Zeigt der Welt, daß in Deutschland noch die alten demokratischen Anschauungen vorhanden sind, die das Vertrauen ihrer ausländischen Kollegen rechtfertigen. [] Durch unsere Haltung und unser Handeln müssen wir den übrigen Völkern beweisen, daß die alten gewerkschaftlichen Grundsätze wohl in den letzten 12 Jahren Naziterror niedergehalten, jedoch nicht ausgerottet werden konnten. Je einmütiger und je fester wir zusammen stehen, umso schneller werden die schwersten Wunden, die die Naziherrschaft uns schlug, vernarbt sein. [] Vereinzelt seid Ihr nichts, vereinigt riesenstark! [] 4883 Moritz Deter, Bremen
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