An die Wählerinnen und Wähler der Stadt Coburg!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Herkunft: SPD-Landesvorstand Bayern, Signatur 76 An die Wählerinnen und Wähler der Stadt Coburg! [] Als das kaiserliche Deutschland im Jahre 1918 in den Materialschlachten der Westfront zusammengebrochen war und das deutsche Volk daranging, s...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Coburg, Coburger Druck- und Verlagsanstalt
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 26.05.1946
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/0C54D173-024C-4EE1-943C-35D3647E9735
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Herkunft: SPD-Landesvorstand Bayern, Signatur 76 An die Wählerinnen und Wähler der Stadt Coburg! [] Als das kaiserliche Deutschland im Jahre 1918 in den Materialschlachten der Westfront zusammengebrochen war und das deutsche Volk daranging, sich einen demokratischen Volksstaat einzurichten, da standen die deutschen Gemeinden im Vordergrund der Aufbauarbeit. Entsprechend der alten Forderung der Sozialdemokratie wurde den Gemeinden das Recht der freien Selbstverwaltung gegeben. Die Abhängigkeit des Wahlrechts von der Zugehörigkeit zu einer nach Geldbesitz bestimmten Klasse oder von einem durch Geldleistung zu erkaufenden Bürgerrecht wurde aufgehoben. [] Alle Einwohner der Gemeinde erhielten ohne Rücksicht auf die Größe ihres Geldbeutels das Recht, ihre Vertreter in allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahl in die Vertretungs- und Verwaltungskörperschaft der Gemeinde zu wählen. [] In den Gemeinden war die Demokratie lebendige Wirklichkeit geworden. [] Das Gemeindevolk verwaltete die Gemeindeangelegenheiten durch seine gewählten Vertreter selbst in eigener Verantwortung. [] Die gemeindliche Selbstverwaltung erweckte das Volk zu unmittelbarer politischer Aktivität. Hier ratschlagten und handelten Männer und Frauen für die Lebensbedürfnisse der Gemeinschaft, die sie unmittelbar aus ihrem täglichen Erleben und aus der ständigen Verbindung mit dem Gemeindevolk kannten. [] Besonders die Sozialdemokratie war es, die in der Kommunalpolitik führend und vorwärtstreibend wirkte. Durch Ausbau der gemeinwirtschaftlichen Versorgungsunternehmen (Gas, Elektrizität, Wasser), der Sparkassen als gemeinwirtschaftlicher Geldanstalten, durch Schaffung von gemeindlichen Verkehrseinrichtungen, durch Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaues, durch soziale Gestaltung des Wohlfahrtswesens anstelle der beschämenden Armenpflege, durch Jugend- und Gesundheitsfürsorge, durch Entwicklung des gemeindlichen Schulwesens, durch Schaffung von Einrichtungen der Volksbildung, durch Lösung kultureller Einrichtungen wie der Theater aus der privaten Profitsphäre, durch Förderung des Sportes und, in der Zeit der durch den Kapitalismus verschuldeten Wirtschaftskrise, durch öffentliche Arbeitsbeschaffung diente sie den Lebensnotwendigkeiten der Gemeindebevölkerung. [] Erinnert Euch an diese Zeiten und ihr werdet zugeben müssen: [] Es wurde eine saubere und gute Gemeindepolitik getrieben. Es ging vorwärts in den deutschen Gemeinden. [] Der Nationalsozialismus [] hat im Jahre 1933 die gemeindliche Selbstverwaltung zerschlagen! [] Die vom ganzen Volk gewählten Vertreter wurden durch die von der Partei ernannten Ratsherren ersetzt. Die Ratsherren waren überdies Statisten, die nichts zu sagen hatten. [] Die Gemeinden waren zu Befehlsempfängern der Partei geworden. Die Gemeindepolitik wurde nicht mehr von unten aus dem Volk geschöpft, sondern von oben autoritär gelenkt. [] Das Gemeindevolk war verstummt. [] Das Ende liegt dafür greifbar vor unseren Augen! Seine Furchtbarkeit zu schildern, ist überflüssig! [] Der neue Staat hat uns die gemeindliche Selbstverwaltung zurückgegeben. [] Daher ist das ganze Gemeindevolk heute wieder zur Teilnahme an der Verwaltung seiner eigenen Angelegenheiten und zu eigener politischer Verantwortung aufgerufen. [] Jeder hat die Pflicht, durch die Wahl zu entscheiden, nach welchen Grundsätzen sich der politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Neuaufbau seiner Gemeinde vollziehen soll. [] Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, [] allezeit die Trägerin einer fortschrittlichen, den Interessen des gesamten schaffenden Volkes dienenden Gemeindepolitik, bekennt sich hinsichtlich der künftigen kommunalen Arbeit in unserer Stadt vor allem zu folgenden Zielen: [] 1. Freie Selbstverwaltung im demokratischen Geiste der Zusammenarbeit aller aufrichtigen demokratischen Elemente. Ausmerzung von Macht- und Diktaturgeist jeglicher Prägung, selbst bei einer absoluten Mehrheit. Volle Publizität der Arbeit des Stadtrats. Ständige Mitarbeit der Bevölkerung durch öffentliche, sachliche Kritik. [] 2. Mithilfe an der Wiederherstellung des Rechtsstaates und der Rechtssicherheit durch absolute Gesetzesmäßigkeit aller Verwaltungsakte. [] 3. Personalpolitik nach dem Gesichtspunkte der Sauberkeit und höchsten Leistung. Anstand gegenüber den Rat- und Hilfesuchenden in allen Amtsstellen. Wiedereinschaltung der qualifizierten Arbeitskräfte nach ihrer Rehabilitierung im Entnazifizierungsverfahren. [] 4. Gesunde und verantwortungsbewußte Finanzpolitik. Soziale Lastenverteilung nach Leistungsfähigkeit; dabei Schutz beim Wiederaufbau unverschuldet vernichtet gewesener Existenzen. [] 5. Vorausschauende Stadtplanung, insbesondere unter Berücksichtigung des Einwohnerzuwachses durch die Flüchtlinge. Inangriffnahme des Flüchtlingsproblems durch Dauerlösungen. Schaffung von Produktionsstätten für diese und Kriegsversehrte. [] 6. Gerechter Ausgleich der durch das Naziverbrechen verursachten Kriegsschäden. [] 7. Förderung der örtlichen Wirtschaft als der Arbeitsquelle für die Bevölkerung und der Steuerquelle für die städtische Haushaltwirtschaft. Stärkste Beobachtung des drohenden Arbeitslosenproblems. Arbeitsbeschaffung. [] 8. Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaues. [] 9. Soziale Fürsorge für alle, die trotz Einsatzes ihrer eigenen Kraft den Kampf ums Leben nicht allein meistern können. Fürsorge für die Schwerkriegsbeschädigten. [] 10. Gesundheitsfürsorge zur Bekämpfung der aus dem Nazi-Zusammenbruch sich drohend erhebenden Volksseuchen. [] 11. Sorge für unsere Jugend in körperlicher, geistiger und sittlicher Hinsicht. Raschester Wiederaufbau eines geordneten Schulwesens. Anpassung des Schulneubaus an die steigende Einwohnerziffer. [] 12. Förderung der Erwachsenenbildung und der Kulturpflege, deren wir gerade in der Notzeit zur geistigen und seelischen Entspannung dringend bedürfen. [] Wählerinnen und Wähler der Stadt Coburg! [] Die Sozialdemokratische Partei hat im vergangenen Jahre durch die erfolgreiche Arbeit des aus ihren Reihen berufenen [] Oberbürgermeisters Ludwig Meyer [] anerkanntermaßen bereits bewiesen, daß es ihr mit ihren Bestrebungen um das Wohl der Stadt und ihrer Bevölkerung ernst ist und daß sie die Männer besitzt, die ihre ganze Kraft einzusetzen bereit und fähig sind. [] Die Vollendung des Werkes kann aber nur gelingen, wenn Ihr Coburger alle mithelft. Schenkt uns Euer Vertrauen und Eure Stimme und sorgt mit uns dafür, daß unser schönes Coburg, unsere geliebte Heimat, sich zu neuer Blüte entfaltet und, von wahrhaft demokratischem und sozialistischem Geiste erfüllt, für Euch und Eure Kinder eine Stätte freien und glückhaften Lebens werde! [] Darum wählt am 26. Mai [] die sozialdemokratische Liste 1 [] Ludwig Meyer - Paul Wüstrich - Dora Stegner [] Druck: Coburger Druck- und Verlagsanstalt. [] Von der Militärregierung zugelassen. [] 6000 5.46 [] Für den Text: 1. Vorsitzender Neumann, Coburg. [] Der Militärregierung vorgelegt.
Published:26.05.1946