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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; "Das gesamte deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden." [] Aus dem Vorspruch des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschlands vom 23. Mai 1949. [] MANIFEST [] der Gesamtdeutschen Volkspartei [] I. [] Sieben Jahre nach der Kapitulation hat unser Volk noch keinen Weg gefunden, den Frieden nach Innen und Außen zu erlangen. [] Nach hoffnungsvollen Ansätzen sind die großen Parteien in die alten Wege und Gegensätze der Vergangenheit zurückgefallen. Angst, Gleichgültigkeit und Zerrissenheit kennzeichnen den Zustand unseres Volkes Der äußere Aufschwung kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die sozialen Spannungen größer sind als zuvor. [] Man kennt untereinander keine Solidarität, [] verkoppelt Gruppeninteressen mit Weltanschauungen, [] mißbraucht das Christentum zu politischen Zwecken, [] versucht den Bolschewismus durch einen Kreuzzug zu überwinden, [] stellt Partei- und Fraktionszwang über Gewissensfreiheit [] und ist wieder auf dem Wege, in totalitäre Regierungsformen zurückzufallen. [] Immer noch und schon wieder werden Menschen wegen ihrer politischen Anschauungen verdächtigt und benachteiligt. Von Regierung und Parlament fehlt die lebendige Brücke zum Volk. Wertvolle Kräfte der jungen Generation liegen brach. [] Die Besatzungsmächte haben sich entzweit und beginnen, uns für ihre Auseinandersetzung gegeneinander aufzurüsten. Dadurch wird die Spaltung Deutschlands noch breiter und tiefer. Da keine der Besatzungsmächte den von ihr besetzten Teil Deutschlands räumen wird, solange sie befürchten muß, das geräumte Gebiet werde die militärische Macht ihres Gegners vergrößern, zeigt sich bei Fortsetzung dieser Politik kein Weg, unser Volk auf friedliche Weise wiederzuvereinigen; denn nicht nur die Regierung in Berlin-Ost, sondern auch die Regierung in Bonn beteiligt sich entgegen dem Volkswillen an dem Machtkampf der Besatzungsmächte. Beide machten so den Eisernen Vorhang dichter, anstatt ihn zu durchbrechen. [] Das Gefühl, diesem Tun ohnmächtig ausgeliefert zu sein, vergrößert die Angst und Unruhe in unserem Volke und raubt ihm die Kraft zu neuer Gestaltung seiner Gemeinschaft. [] II. [] In den letzten Jahren hat sich gezeigt, daß der Wille zu einer Erneuerung und Wiedervereinigung des deutschen Volkes nicht die erforderliche Wirkung ausüben kann, wenn er sich nur außerhalb des Parlaments betätigt. Auf unüberhörbares Drängen aus dein Volke haben wir deshalb die [] Gesamtdeutsche Volkspartei [] gegründet. Sie ruft die Männer und Frauen, die den Frieden retten und Deutschland erneuern wollen. Frauen und Männer, die sich aus der Verpflichtung ihres Gewissens zum Dienst am Volk gerufen wissen, können nicht Partei im bisherigen Sinne werden. Der tödlichen Gefahr unserer Zeit vermögen nur Menschen zu begegnen, die Gleichgültigkeit und Egoismus überwinden und den Mut zur persönlichen Verantwortung haben. Nur sie können ein Zeichen dafür aufrichten, daß Mensch und Volk auf Glaube, Sitte und Mut fester vertrauen als auf persönlichkeitsfeindliche Machtzusammenballungen. [] III. [] Die Gesamtdeutsche Volkspartei stellt keine programmatischen Dogmen auf. Unser Volk ruft nach Menschen, nicht nach Programmen. Unsere Arbeit soll durch die jeweiligen politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse bestimmt werden. Für den nächsten Bundestag werden wir unter Beteiligung aller, die zu uns finden, ein Arbeitsprogramm im Rahmen folgender Leitsätze vorlegen: [] Kultur [] Wir achten das religiöse und kulturelle Leben in seinem unantastbaren Eigenwert und fordern seine Unabhängigkeit von staatlicher Bevormundung. Wir sind uns bewußt, daß sich Geschichte im geistigen Leben entscheidet oder vorbereitet. Darum halten wir uns verpflichtet, alle kulturellen Bestrebungen zu fördern, deren Wert und sittlicher Ernst überzeugen. [] Außenpolitik [] Die zentrale Aufgabe deutscher Außenpolitik sehen wir in der Erhaltung des Friedens und der Wiedervereinigung unseres Volkes in einem einheitlichen Staatswesen, welches Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde zur Grundlage seiner Ordnung hat. Deutschland als Land der Mitte und ohne koloniale Bindungen muß aus dem militärischen Aufmarsch Nordamerikas und der Sowjetunion herausbleiben. Wenn wir keiner Seite zur militärischen Gefahr werden, können wir dem Frieden besser dienen, als wenn Deutschland zum Aufmarschplatz zweier Heerlager wird, in denen Deutsche gegen Deutsche bewaffnet werden. Wir fordern daher die sofortige Beseitigung der Aufrüstung zweier deutscher Armeen in West- und Ostdeutschland. Wo immer solche Aufrüstung von Deutschen betrieben wird, haben sie zugleich die Gegenaufrüstung in dem anderen Teil unseres Vaterlandes mitzuverantworten. Solange man hüben und drüben nur den anderen Teil unseres Volkes an einer Eingliederung in den westlichen oder östlichen Machtblock abhalten will, bei sich selber aber das Gegenteil tut, kommen wir nicht zueinander. Gesamtdeutsche Haltung erfordert Unabhängigkeit von Ost und West. Wir rufen deshalb beiden Teilen unseres Volkes zu, sich nicht gegeneinander verfeinden und bewaffnen zu lassen. Wir fordern friedliche Beziehungen nach allen Seiten auf der Grundlage gegenseitiger Nichteinmischung und den Verzicht auf friedensgefährdende Propaganda. Wir wollen dazu beitragen, daß die gegensätzlichen Interessen der vier Mächte in der gesamtdeutschen Frage einen für sie selbst und für uns tragbaren Ausgleich finden. [] Um einer weiteren unheilvollen Verhärtung der Gegensätze zwischen Ost- und Westdeutschland entgegenzutreten, steht die Gesamtdeutsche Volkspartei den Regierungen und Parlamenten in Bonn und Berlin-Ost sowie den vier Besatzungsmächten für die Ausarbeitung konkreter Vorschläge zur Lösung der deutschen Frage zur Verfügung. Wir erwarten von den Siegermächten sofortige Schritte zur vollständigen Wiedervereinigung, auf die wir ein unverbrüchliches Recht haben. Von den Regierungen in Bonn und Berlin-Ost fordern wir als erstes Zeichen ihres ehrlichen Willens unverzügliche Fühlungnahme zur Verbesserung der Lebensbeziehungen zwischen den Menschen in Ost und West durch Erleichterung des Reise- und Postverkehrs, durch freiwilligen Ausgleich beruflicher Kräfte und durch freien Wirtschaftsverkehr. [] Die völkerrechtliche Stellung des wiedervereinigten Deutschland, seine Sicherheit und Freiheit, sollen im Friedensvertrag garantiert werden. Wenn wir gewährleisten, daß wir keinem unserer Nachbarn mehr zur Gefahr werden, können wir damit rechnen, daß alle Nachbarn aus ihrem eigenen Lebensinteresse unseren Bestand garantieren. [] Ferner fordern wir in Übereinstimmung mit den Vorschlägen der Westmächte und der Sowjetunion, daß das wiedervereinigte Deutschland in die "Vereinten Nationen" (UN) aufgenommen wird. Als Mitglied der UN ist Deutschland auch ohne Eingliederung in einen der Machtblöcke nicht schutzlos isoliert. [] Wir wollen helfen, ein freies und unabhängiges Europa auf der Grundlage föderativer Gleichberechtigung als politische Macht zwischen USA und UdSSR zu schaffen, denn nur ein solches Europa, das keiner fremden Weltmacht eine Aufmarschbasis bietet, kann dem Frieden und dem Sicherheitsbedürfnis aller dienen. [] Innenpolitik [] Wir wollen eine Politik der Entspannung auch im Innern. Gesamtdeutsche Lebensnotwendigkeiten sollen über Gruppeninteressen stehen. Wir alle können nur durch Versöhnlichkeit und Ausgleich bestehen. Die Vergangenheit muß unter uns zur Ruhe kommen, damit wir uns die Zukunft verdienen können. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, Freiheit und Ordnung im Zusammenleben der Menschen neu zu gestalten. Wir fordern die entschiedene Abwehr aller rassischen, religiösen und weltanschaulichen Vorurteile. Wir verwerfen insbesondere die Verfälschung des Christentums in ein politisches Zweckinstrument, sowie jede Frontbildung von Christen gegen andere Teile unseres Volkes. Wer politische Interessen mit christlichen Parolen verteidigt, oder wer die Überwindung des Bolschewismus durch Rüstung zu einem kirchlich-westlichen Auftrag stempelt, versperrt der christlichen Verkündigung in beiden Teilen Deutschlands den breiten Zugang zu allen Menschen und gefährdet die Christen im Osten. [] Die jetzigen Parteien stellen Fraktionszwang über die Gewissensentscheidung der Abgeordneten. Wir fordern das Verbot jeglichen Fraktionszwangs. Zivilcourage ist heilsamer als der Parteidrill von Funktionären. Persönliche Verantwortung -und Entschlußfreude sollen im Mittelpunkt des Parteilebens stehen. Wir fordern wirksame Maßnahmen zur Erhaltung der verfassungsmäßig gewährleisteten Presse- und Versammlungsfreiheit, des Rechtes der freien Meinungsäußerung und der Wahrung des Postgeheimnisses. [] Die junge Generation konnte bisher nur mitwirken, wenn sie sich dem Parteischema einfügte und sich der alten Politikergarde unterwarf. Sie soll Gelegenheit bekommen, an der Gestaltung desöffentlichen Lebens nach ihren eigenen Ansichten mitzuwirken. [] Die Gesamtdeutsche Volkspartei will ein echtes Gleichgewicht männlicher und weiblicher Kräfte im öffentlichen Leben herstellen und wünscht deshalb, daß die Frau in einem stärkeren Maße als bisher bei der Gestaltung des politischen Lebens mitbestimmend wird. [] Wir verwerfen die gefährlichen Ansätze zur totalitären Regierungsform auch in der Bundesrepublik. Rechtsgleichheit für alle und Rechtssicherheit sind unerläßliche Grundlagen der Gemeinschaft. Das staatsbürgerliche Selbstbewußtsein ist zu stärken. Wir fordern Auflockerung des politischen Lebens durch nachbarschaftliche Ordnungen und Selbstverwaltung. Die Gliederung unseres Volkes in Länder soll als Schutz vor zentralistischer Vergewaltigung gewahrt bleiben. Volksbegehren und Volksentscheid sind wieder einzuführen. [] Wirtschaft [] Unsere Außen- und Innenpolitik muß durch eine Wirtschaftspolitik unterbaut werden, die das heutige Gegeneinander der einzelnen Gruppen durch ein solidarisches Miteinander ersetzt. Der Ausgleich der widerstreitenden Interessen soll durch eine neue Wirtschafts- und Sozialordnung erfolgen. Der wirtschaftliche Friede beruht auf einer gerechten Verteilung des Sozialproduktes. Dadurch soll nicht nur ein ausreichender Lebensunterhalt, sondern auch Beteiligung an der volkswirtschaftlichen Vermögensbildung gewährleistet werden. Jeder hat Anspruch auf ein familiengerechtes Heim. Durch solche Maßnahmen soll der Staatsbürger gegen wirtschaftliche Krisen geschützt und von staatlicher Unterstützung unabhängig werden. [] Um die politische Unabhängigkeit zu sichern, ist die Produktivität der deutschen Wirtschaft nach Kräften zu steigern. Insbesondere sind die Reserven unseres Bodens durch eine Förderung des bäuerlichen Familienbetriebes zu mobilisieren. [] Wir fordern freien Handel nach allen Seiten und mit allen Völkern. [] Wir erklären uns solidarisch mit allen deutschen Brüdern in Not. [] IV. [] Wir kennen die Zukunft nicht. Wir wollen uns dem Ernst der Stunde von Tag zu Tag in gewissenhafter Verantwortung neu stellen. So allein dürfen wir hoffen, einen guten Weg in die Zukunft zu finden. [] Wir rufen alle Gutwilligen unseres Volkes zu tätiger Mitarbeit an den großen Aufgaben unserer Zeit. Nur wenn wir in uneigennützigem Einsatz zusammenstehen, können sie gemeistert werden. [] Wir wollen unsere ganze Kraft einsetzen [] für soziale Sicherheit eines jeden Menschen, [] für echten Frieden, [] und für wahre Freiheit. [] Frankfurt/Main, 29. November 1952. [] Frankfurt, den 30. November 1952. [] Der Bundesvorstand: [] Dr. Dr. Gustav Heinemann, Rechtsanwalt und Notar, Bundesminister a. D., Essen, An der Reichsbank 14; Adolf Scheu, Industrieberater, Wuppertal-Sonnborn, Boltenbergstraße 30; Robert Scholl, Oberbürgermeister a. D., München-Harlaching, Am Blumengarten 13; Helene Wessel, MdB., Bonn, Bismarckstraße 25 - Präsidium; Ruth Achelis-Bezzel, Berlin-Dahlem, Hüningstraße 49; Hans Bodensteiner, MdB., Bonn, Reuterstraße 60; Dr. Erhard Eppler, Studienreferendar, Tübingen, Im Rotbad 34; Dr. Heribert Gehle, Heiligenhaus (Rhld.), Gerhart-Hauptmann-Straße 40, Vorsitzender des Ringes deutscher Siedlerverbände; Wilhelm Hermes, Kaufmann, M.-Gladbach, Hermannstr. 6; Paul Otto Jüntgen, Fabrikant, Hilden (Rhld.) Heinz Krämer, cand. ing., Darmstadt, Roquetteweg 15; Heinz Krüger, Journalist, Berlin-Hermsdorf, Augusta-Viktoria-Straße 33; Christel Küpper, Psychotherapeutin, München 19, Hengelerstraße 3; Dr. Alfred von Martin, Universitätsprofessor, München 23, Heimstättenstraße 8; Dr. Max Merten, Rechtsanwalt, Kirchdorf-Maxhofen, Post Bruckmühl/Mangfall; Albrecht Meyer zu Schwabedissen, Hagen, Ernster Straße 60; Conrad Ordemann, Kaufmann, Bremen, Kirchweg 33; Dr. Julie poPöhlmann , Stadtbibliothekarin, Nürnberg, Mittlere Pirkheimerstraße 12; Dr. Diether Posser, Rechtsanwalt, Essen, An der Reichsbank 14; Werner Reinecke, MdL., Becklingen, Post Soltau (20a); Dr. Erwin Respondek, Konsul, Berlin-Lichterfelde, Mariannenstraße 2; Harald Richter, cand. theol., Kiel, Hardenbergstraße 36; Sepp Schelz, Journalist, Lüdenscheid, Knapperstraße 7; Oskar Schomburg, Kapitän zur See a. D., Freiburg/Br., Bayernstraße 18; Otto Schröder, Handwerksmeister, Herne i. W., Bismarckstr. 97; Dr. Paul Schulze zur Wiesche, Rechtsanwalt, Düsseldorf, Pempelforter Straße 50-52; Ludwig Stummel, Konteradmiral a. D., Worms, Speyerer Straße 69; Milly Zapp, Hausfrau, Bickenbach, Bezirk Köln. [] Meldungen und Zuschriften an die Bundesgeschäftsstelle. [] Bonn, Königstr. 27, Tel. 37514, [] Postscheckkonto Essen 9131 (Dr. Posser). [] Verantwortlich: Hans Bodensteiner, MdB., Generalsekretär der "Gesamtdeutschen Volkspartei", Bonn.
Published:29.11.1952