Anklage

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; [!] = sic! Sonderdruck der deutschen Zeitung [] Anklage! [] von Prof. Dr. Hans Freiherrn von Liebig [] Aus Nr. 513/14 der deutschen Zeitung [] I. [] Die Anklage muß einmal erhoben werden. Wir haben vier Jahre lang gewartet. Vier lange, fürcht...

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Bibliographic Details
Main Authors: Sonderdruck der Deutschen Zeitung, W. Büxenstein Druckerei und Deutscher Verlag GmbH. Berlin / Verlag der Deutsche Zeitung, Berlin
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 11.1918
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/D2829B2A-8174-45F3-B455-B7C497DBCCAA
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; [!] = sic! Sonderdruck der deutschen Zeitung [] Anklage! [] von Prof. Dr. Hans Freiherrn von Liebig [] Aus Nr. 513/14 der deutschen Zeitung [] I. [] Die Anklage muß einmal erhoben werden. Wir haben vier Jahre lang gewartet. Vier lange, fürchterliche Jahre. Stück für Stück ging es dem Abgrund zu, und immer schneller rollte der Wagen. Je mehr aber seine unfähigen Lenker den Kopf verloren, desto stärker wüteten sie gegen alle Wächter des Reichs, und auch gegen die Alldeutschen wurde schließlich zum allgemeinen Anklagesturm geblasen. Wir Deutsche - wir wollen das Kind gleich beim richtigen Namen nennen, das gemeint ist - haben geschwiegen, und verschoben die Abrechnung immer wieder für nachher, hofften, sie bis nach dem siegreichen Ende verschieben zu können. Denn das Heer draußen stand herrlich und stark und ließ sich nicht hinunterziehen in die Parteiniederungen des schwarz-rot-gold-gefleckten Otterngezüchts. Aber nun ist das Reich in Gefahr, und die vergiftete Stimmung des Volkes beginnt hinüberzuschlagen in die Reihen unserer Kämpfer. Nun können wir nicht mehr in völligem Schweigen verharren und klagen an. Klagen an, so schmerzlich die Klage ist. Denn sie richtet sich nicht gegen das Otterngezücht, sondern gegen das deutsche Volk. [] Wenn ein Betrunkener auf einer gewissen Stufe des Rausches angelangt ist, vollführt er willenlos die Befehle, die man ihm gibt. Geht dahin und dorthin, schlägt einen Purzelbaum, wenn man es wünscht, und tötet seinen Bruder, wenn man ihn dazu reizt. Man kann ihn anklagen, aber er ist nicht der eigentlich Schuldige. Die Schuldigen sind die Gastfreunde, die ihm den Trank einflößten, und die Verführer, die ihm die Tat aufschwätzten. Aber es kann auch noch weitere Schuldige geben. Wenn die unzurechnungsfähigen Führer im Volke sind, und sie wollen dem Volke in ihrem Zustand Wege weisen, die Volk und Führer ins Verderben treiben, so macht sich ein nüchternes Volk schuldig, wenn es ihnen folgt. Unsere Anklage gilt dem deutschen Volk. [] Als wir Alldeutsche vor nunmehr 7 Jahren - wie lächerlich nah und doch so weit liegt die Zeit! - das deutsche Volk aufriefen, Marokko nicht den Franzosen zu lassen, schalt man uns Kriegshetzer, weil wir sagten, nur durch starkes Auftreten vermieden wir den Krieg; neue Nachgiebigkeit werde den Weltkrieg heraufbeschwören. Wir sagten, wir müßten Marokko in die eigene Hand bekommen, um mit unseren farbigen Heeren die farbigen Heere der Feinde in Afrika festzuhalten. Im Reichstag hieß man uns darob Gespensterseher, und der Schriftleiter der Delbrückschen Preußischen Jahrbücher - Daniels ist sein Name - erteilte den deutschen Müttern den Rat, dafür um so mehr deutsche Söhne zu gebären; dadurch würde der schwarze Machtzuwachs der Franzosen wieder ausgeglichen. Heute stehen die "Gespenster" an der Westfront und morden Tausende von Söhnen deutscher Mütter. Warum habt ihr nicht aus uns gehört, ihr deutschen Mütter, warum hört ihr noch immer mehr auf die Daniels als auf uns? [] Es ist nur ein Beispiel von vielen, das hier herausgegriffen ist; aber war es nicht immer so? Schlugt ihr deutschen Männer und Frauen nicht immer unsere Warnungen in den Wind und gabt die Mehrheit eurer Stimmen und eure Politische Unterstützung den Abgeordneten des Zentrums, des Freisinns, der Sozialdemokratie, den Delbrücks, den Richthofens, den Naumanns, als Gattung gemeint, die sich konservativ, nationalliberal und nationalsozial nennen, dem Anhang dieser Leute nach unten und ihren Förderern von oben? Diese Leute alle trifft ja nur ein Teil der Schuld; sie meinten es ja nie so, wie es dann ausging; aber ihr, ihr Nüchternen im Volke, mußtet doch seit Jahren erkennen, wohin ihr geführt werdet! [] Wer hat denn die Politik gemacht, für die ihr so entsetzlich büßen müßt? Waren die Bethmänner und ihre Staatssekretäre Alldeutsche und stützten sie sich auf Alldeutsche, oder waren sie Verständigungspolitiker und die Männer der "Mehrheit"? Haben Bethmann Hollweg und die Reichstagsmehrheit das Reich regiert oder etwa Claß und seine Freunde? Geschah jemals etwas so, wie es die Alldeutschen wollten, oder geschah und geschieht nicht stets alles den Ansichten und Wünschen der Delbrückianer, Naumannianer, Scheidemänner usw. gemäß? Waren die ständigen Abstriche an Heer und Marine und die Einbringungen von vornherein unzulänglicher Wehrvorlagen von der Reichstagsmehrheit veranlaßt oder von den Alldeutschen? Wenn nicht genug Mannschaften, nicht genug Munition und nicht genug Material da war, um den ersten Vorstoß auf Paris im Herbst 1914 mit Erfolg durchzuführen, lag das am alldeutschen General Keim und dem Wehrverein, oder an den Cohns aus Nordhausen und anderswoher, die jetzt gerne Kriegsaufsichtsrat spielen möchten? Wer hat den Kolonien ständig die Mittel gestrichen, die ihnen ermöglicht hätten, sich selbst zu verteidigen, statt auf den Schlachtfeldern in Frankreich durch Deutsche verteidigt werden zu müssen? Wer hat die Errichtung eines wirtschaftlichen Generalstabs und der Aufstapelung großer Getreide- und Rohstofflager für den Krieg gefordert? Alldeutsche waren es. Und an wessen Widerstand sind sie gescheitert? An den Leuten, die sich mit großer Gewandtheit an die einträglichen Amtsstellen drängten, als der schlechte Kriegsersatz dafür, die Kriegsämter, geschaffen werden mußten. Sie meinten es ja durchaus nicht schlecht, die Leute, die an unserer Rüstung sparten; sie wollten ja nur das Volk vor zu hohen Steuern bewahren. Das Ergebnis wird eine Schuldenlast von 150 bis 200 Milliarden Mark und Steuern, gegen die die Lasten, die eine ausgiebige Rüstung erfordert hätte, ein Kinderspiel gewesen wären. Sie meinen es auch jetzt wieder sehr gut mit dem deutschen Volke. Damals wollten sie dem Volk hohe Steuern ersparen und riskierten lieber eine schwierigere Lage im Kriege. Gekommen sind die schwierigere Lage im Krieg und die Steuern. [] Wer hat das deutsche Volk bis in die letzten Tage hinein in der grenzenlosen Täuschung erhalten, mit händlerischen Mitteln, mit einer Politik der Weltkultur und der Weltwirtschaft ließen sich Kriege vermeiden: die Großfinanziers auf der einen, die Sozialisten auf der anderen Seite würden Weltkriege nicht mehr "erlauben"? Wer hat das Buch "Weltpolitik ohne Krieg" angeregt, Herr von Kühlmann? Wer hat, Herr Naumann und Herr Riezler, ein Jahr vor dem Weltkriege geschrieben, die künftigen Kriege würden sich ähnlich abspielen wie Zwistigkeiten zwischen Großbanken, telephonische Gespräche: wieviel Kapital auf der einen, wieviel auf der andern Seite? Zahl hier, Zahl dort; der Schwächere gibt nach; Schluß! Wer hat in dieser Art den kriegerischen Geist der deutschen Nation seit Jahrzehnten zermürbt und zerfressen, während ringsum in den uns feindlichen Ländern schon in der Fibel der Kleinsten der kriegerische Geist geweckt und der Nationalstolz - die Kreise der Reichstagsmehrheit gebrauchen dafür das Wort "Chauvinismus" - planmäßig großgezogen wurde? Wer hat in Friedenszeiten den Feinden das Schlagwort des "preußischen Militarismus", der "Militärkaste", der "Junkerherrschaft", des "geknechteten Volkes" zugeworfen, und als die Feinde den Ball im Krieg wieder zurückwarfen, ihn aufgefangen und wie ein Betrunkener auf Kommando des Feindes das Spiel immer wieder getrieben? Aus welchen deutschen Kreisen stammten jene Flug- und Denkschriften, die im Auslande auftauchten und uns so ungeheuer schädigten? Hat das Ausland etwa die Kriegszielschrift von Claß oder den Junius Alter abgedruckt oder irgendeine der Denkschriften, die Bethmann mit Feuer und Schwert verfolgen ließ, oder hat es die Denkschrift des Fürsten Lichnowsky in drei Millionen Stücken verbreiten lassen? [] Wer hat die an den deutschen Sieg Glaubenden mitten im Siegeslauf für Narren erklärt, wer hat immer und überall den Siegeswillen zu dämpfen und zu "mäßigen" gesucht? Jedesmal wenn der deutsche Läufer den anderen eine Strecke Wort voraus war, warft ihr von der alldeutschen Gegenseite ihm ein Friedensangebot als Knüppel zwischen die Beine, daß er hinschlug und der Feind wieder vorauskam; auf das Friedensangebot vom Dezember 1916 folgte der Rückschlag bei Verdun, und auf die Kühlmannrede vom Juni 1918 der Rückschlag an der Marne. Sicher haben dabei eine Reihe anderer Punkte auch mitgesprochen; aber man darf die Stimmung der Mannschaften bei solchen Erscheinungen auch nicht ganz bei Seite schieben. Jedesmal, wenn ein feindlicher Läufer zusammenzubrechen drohte, flößtet ihr ihm eine stärkende Dosis Reichstagsresolution oder Verzichtserklärung ein und halft ihm wieder auf die Beine. Sie meinten es ja nicht so; sie wollten den deutschen Läufer nur vor dem Lauf nach zu weitgestecktem Ziele bewahren, damit er sich keine Lungenentzündung hole, und glaubten, wenn sie den feindlichen Läufer so liebevoll behandelten, würde er in seinem Lauf einhalten und sich seinerseits mit bescheidenen Zielen begnügen. Sie glaubten das wirklich, und in frommen Glaubensdingen, die jenseits aller Vernunft liegen, hat der Kaiser sein Recht verloren. Aber du, nüchternes deutsches Volk, mußtest doch die Wirkungen sehen, und wenn du noch das erste- und zweitemal an der inneren und unabänderlichen Nowendigkeit [!] [Notwendigkeit] dieser Wirkungen zweifeln konntest, durftest du es doch nicht mehr nach dem 10. und 20. Zusammenbruch, von denen einer genau wie der andere verlief! Was nicht nur von dieser Art Zusammenbrüchen gilt. [] II. [] Haben dir die Alldeutschen nicht genau vorausgesagt, die deutsche Niederlage in Marokko, der lybische Krieg, der Balkankrieg seien notwendige Folgen der deutschen Politik der Schwäche und Glieder einer Kette, deren nächstes Glied Oesterreich sein werde, wenn das B-System beibehalten werde; mit Oesterreich aber würde Deutschland in den Krieg gezogen werden, und dann sei der Weltkrieg da? Wer hat recht behalten, die Alldeutschen oder die von der Gegenpartei, die dir vorsagten, Weltkriege seien aus wirtschaftlichen und kapitalistischen Gründen nicht mehr möglich, die von jener Gegenpartei, die dir jetzt vorlügt, mit Völkerbünden und Schiedsgerichten könne man Kriege vermeiden. Das heißt, sie will nicht lügen, sondern hat wieder den frommen Glauben; aber wie kannst du, deutsches Volk, immer wieder der Predigt jener glauben, deren Lehren sich stets und immer noch nachträglich als Lügen erweisen? Haben wir Alldeutsche dir nicht vorausgesagt, unsere Politik der Schwäche werde Italien in die Arme der Feinde treiben, und als Italien abfiel, Rumänien werde folgen, wenn die deutsche Politik glaube, es mit den Mitteln der Schwäche, mit Carmenzügen u. dgl. fesseln zu können? Haben sie dir nicht vorausgesagt, der Bukarester Frieden werde als Freibrief für künftige vertragsbruchslustige Bundesgenossen wirken? Wenn der König als Lohn für Verrat in seiner monarchischen Stellung befestigt wird und Gebiete wie Bessarabien zur Belohnung einheimst, warum soll man dann Deutschland nicht verraten? Warum ächtest du die, deutsches Volk, die dich warnten, und schließt dich den schwächetrunken Taumelnden an, schiltst Kriegsverlängerer, die den Krieg längst beendet hätten, wenn sie die Macht in Händen hätten, und rufst Hosianna denen, die dir jeden Tag aufs neue durch ihre Handlungen zeigen, wie man einen Krieg nach allen Regeln der Kunst von Tag zu Tag, von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr verlängert? Ungewollt natürlich; aber das Ergebnis, nüchternes deutsches Volk, erlebst du doch, liest es morgens und abends in der Zeitung, siehst es jeden Tag und spürst es am eigenen Leibe und am eigenen Blut! Der Krieg hört und hört nicht auf. Sie, der Alldeutschen Gegner, haben doch die Macht die ganzen vier Jahre hindurch in den Händen, wie sie sie die Jahrzehnte vorher gehabt haben, von der Z. E. G. angefangen bis zur höchsten Politik! Sie allein regieren, sie allein dürfen ihre Wünsche schrankenlos ausüben bis zum völligen Verzichtangebot an unsere Feinde und der Auflösung des wichtigsten deutschen Landtages mitten im Kriege, unter den erbitterndsten Wahlparolen, während draußen um Tod und Leben gerungen wird! Warum sind wir der Feinde noch nicht Herr geworden? Durch Menschenanzahl und Materialmassen konnten wir ihrer nie Herr werden, immer nur durch den Geist und Wert unserer Mannschaft und durch die Überlegenheit unseres Materials. Wer hat denn stets die Kampfes- und Eroberungsfreudigkeit unserer Krieger Absichtlich niedergehalten und mit Gewalt unterdrückt, was sie anfeuern sollte? Kampfesfreudigkeit ohne Eroberungsfreudigkeit kann es auf kurze Zeit geben, wenn sich Siege rasch aufeinanderfolgen; bei längerer Dauer muß ein großes greifbares Ziel winken, wenn die Kampfesfreudigkeit anhalten soll. Verteidigungsfreudigkeit ist Unsinn: die gibt esüberhaupt nicht. Der kluge Wilson wußte, warum er seinen Amerikanern die Eroberung Elsaß-Lothringens zum Ziel setzte. [] Wer ist unserer Technik in den Arm gefallen, wo immer sie die dem Feind überlegenen Waffen hatte? Wer hat die Überlegenheit unserer Flottenarmierung im ersten Jahr nicht auszunützen erlaubt, die England getroffen hätte? Wer hat die Zeppeline solange zurückgehalten, bis die Londoner ihre Stadt mit Abwehrgeschützen gespickt und alle Verteidigungsmaßnahmen getroffen hatten? Wer hat die U-Boote nicht auf den Feind losgelassen, bis glücklich alle Handelsdampfer mit Geschützen versehen, eine besondere Flotte zu ihrer Bekämpfung ausgebildet war, und alle Häfen und Meerengen mit wirksamen Schutzmitteln versehen waren? Wer hat die Anwendung noch einer weiteren Reihe von Kampfmitteln solange verhindert, bis die Feinde Kenntnis davon erhalten, hatten und selbst damit anfingen? Waren es die Alldeutschen oder die Politiker, die von ihren Verständigungsillusionen nicht lassen wollten? Natürlich meinten sie es sehr gut dabei; sie wollten dem Feind die Brücken zur Verständigung nicht verbauen. Aber in Wirklichkeit gaben sie eben dem Feind damit die Zeit, die Wirkung unserer Kampfmittel abzuschwächen und sich selbst mit ungeheueren Mengen an Tanks, Flugzeugen und Material auszustatten und ihre Mannschaften aus dem amerikanischen und andern überseeischen Verbänden außerordentlich zu vermehren. Das eine Jahr U-Bootskriegverzögerung hat uns nicht etwa um ein Jahr zurückgeworfen, sondern wir wären jetzt mindestens zwei Jahre Kriegführung weiter; denn in dem einen entscheidenden Jahr 1916 wurden nicht nur mindestens 6-7 000 000 Tonnen feindlicher Schiffsraum nicht versenkt, der versenkt hätte werden können, sondern in diesem Jahr wurden in riesenhaftem Umfange die englischen und amerikanischen Werften ausgebaut, Rohstofflager zusammengehäuft und alle andern Vorbereitungen getroffen, die es dem Feinde ermöglichten, in verhältnismäßig großem Umfang die späteren Versenkungen wieder auszugleichen. Dabei ist ganz abgesehen von der politisch so günstigen Lage, die es Wilson wegen seiner bevorstehenden Wahl unmöglich gemacht hätte, vor Dezember 1916 in den Krieg einzugreifen; vielleicht wäre Amerika ganz ausgeschaltet geblieben, denn unter der Parole eines bevorstehenden Krieges gewählt zu werden, hatte Wilson sehr geringe Aussichten. Die Herren U-Bootsgegner usw. bauten nicht den Feinden die Brücke zur Verständigung, sondern die Brücke zu unserer Vernichtung! Und du, deutsches Volk, läßt sie immer noch mehr und mehr Brücken dieser Art bauen! [] Man darf die Einigkeit nicht stören, sagen diese Leute, und verlangen, weil sie Infolge einer unglücklichen Friedensreichstagswahl eine Zufallsmehrheit im Reichstag haben, man müsse einig sein mit dieser Mehrheit. Aber es gibt ganze Familien, die in Einigkeit freiwillig in den Tod gehen, und wenn darunter des Erhaltens werte Menschen sind, dann ist ihres Untergangs mitschuldig, wer diese Einigkeit nicht stört. Der Hang zum freiwilligen Selbstmord, namentlich auf Grund sogenannter Menschheitsideale, die ihr von fremden Rassen als Köder vorgehalten werden, ist der germanischen Rasse in herorragendem [!] [hervorragendem] Maße eigen, man denke an die Kreuzzüge und an die Glaubenskriege. Einigkeit zum Selbstmord ist es, was die Leute der Reichstagsmehrheit dem deutschen Volke predigen. [] Bis jetzt konnte man immer noch hoffen, wenn nicht die Siege des Heeres, so würde doch die Not das deutsche Volk zu Besserem führen. Aber die Not ist lediglich ein Mittel geworden für die Selbstmordpolitiker, ihre Macht zu verstärken. [] Spuk und Hohn der Hölle ist's, was im Theater an der Spree gespielt wird. Liebes deutsches Volk, du hast ja eine so ausgezeichnete Schulbildung, und es ist keiner unter dir, der nicht lesen könnte. Also setze dich einmal hin und studiere die Reden der Leute durch, die jetzt deine Regierung bilden, und lese nach, was sie politisch geleistet haben. Und wenn du nur einen eigenen Gedanken findest bei den Kandidaten der Reichstagsmehrheit, nur eine Leistung, die über das Durchschnittsmaß dessen hinausgeht, was jeder Durchschnittsvorsitzende irgendeines politischen Vereins in irgendeiner kleinen deutschen Stadt zu leisten imstande wäre, dann veröffentliche diese Entdeckung und lasse sie in Millionen von Flugblättern hinausgehen ins deutsche Land; denn das deutsche Volk braucht irgend etwas Ermutigendes und Aufrichtendes. Aber du wirst nichts finden. Es bleibt dir ein Trost. Man kann im deutschen Volk das Unmögliche weit treiben, weiter als in irgendeinem andern Volk. Es ist ein so braves Volk und würde in Friedenszeiten vielleicht auch eine längere Zeit hindurch von Ministern regiert werden können, die das Los unter braven Vereinsvorsitzenden deutscher Kneipvereine ausgewählt hätte. Aber im Krieg und in einer Lage wie heute haben Unmöglichkeiten, wie sie jetzt auf die äußerst erreichbare Spitze getrieben sind, eine Grenze. In kurzem wird die Stunde deiner letzten Wahl kommen, deutsches Volk. Willst du, deutsches Volk, den bisherigen Weg weitergehen, dann wählst du, den Weg, den Rußland gegangen ist: blicke dorthin! Den andern Weg hat Bismarck beschriften, als ihn sein Kaiser in höchster Not anrief; er führte zum Deutschen Reich. Die Frage an dich, deutsches Volk, wird lauten, ob du in Zukunft von Lenins und Trotzkis oder von Bismarcks und Steins geführt sein willst. [] Verlag der Deutschen Zeitung, Berlin SW 11, Hedemannstraße 12. - Druck: W. Büxenstein Druckerei und Deutscher Verlag G. m. b. H, Berlin.
Published:11.1918