Einigkeit und Recht und Freiheit

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT [] ZUM PARTEITAG DER CDU AM 19.-21. OKTOBER 1951 IN KARLSRUHE [] [] Parteitag im Nebel [] Das Wochenende vom 19.-21. Oktober sah die CDU in Karlsruhe ihren Parteitag abhalten. Groß aufgezogen die Sache natürl...

Full description

Bibliographic Details
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 19.10.1951 - 21.10.1951
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/F865C865-B9E6-47C6-B64E-55241DC179B1
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT [] ZUM PARTEITAG DER CDU AM 19.-21. OKTOBER 1951 IN KARLSRUHE [] [] Parteitag im Nebel [] Das Wochenende vom 19.-21. Oktober sah die CDU in Karlsruhe ihren Parteitag abhalten. Groß aufgezogen die Sache natürlich. Hauptquartier war das Schloßhotel, das vornehmste Haus in der Stadt. [] Das war also der Rahmen, in dem sich die Partei Adenauers zusammenfand, um sich, wie es hieß, neu zu formieren. Eine Zeitung schrieb sogar - wie zu Hitlers Zeiten - von der Zerteilung der Nebelwände und der aufstrahlenden Sonne, als der Parteitag begonnen hatte. Es scheint aber doch in der CDU nicht alles zu stimmen, - warum sonst ein neues Formieren? Und die fürchterliche Wahlniederlage von Bremen, die die Partei fast völlig zerrieb, bestätigt das. Nach außen hin zwar bot der Parteitag ein einheitliches Bild, und es wurden starke Worte gesprochen. Beobachter jedoch, die Gelegenheit hatten, in die Maschinerie des Parteitages zu schauen, bemerkten, daß es hinter den Kulissen durchaus Schwierigkeiten gab. [] Der Kanzler Adenauer und Prof. Erhard gaben sich alle Mühe, mit allerhand Zahlenkunststückchen die Arbeit der Partei und ihrer Spitze als vollen Erfolg hinzustellen, der durch nichts geschmälert werden könne. [] "Als wäre alles in schönster Ordnung, sprachen der Kanzler und Prof. Erhard vor dem Plenum und stellten die politischen und wirtschaftlichen Erfolge der CDU ohne jeden Schatten in das hellste Licht. Als brauchte man dem deutschen Volk die Leistungen der Politik der CDU nur sichtbar zu machen, um es in der Breite für sie zu gewinnen." (Die Welt, 23. 10. 51). [] "Eine aufrüttelnde Selbstkritik blieb augenscheinlich aus. Die Versager wurden zum großen Teil auf falsche Methoden (mangelnde Publizität) zurückgeführt und anderen zugeschoben." (Düsseldorfer Nachrichten, 22. 10. 51). [] Die einfachen Delegierten aus dem Lande wußten gar nicht, wie ihnen geschah. Bis dahin hatten sie nicht gewußt, wie gut es ihnen ginge. Wenn sie sich auch nicht den Rückgang der Stimmen bei allen Wahlen der letzten Zeit und vor allem in Bremen erklären konnten, - bei den gefühlvollen und starken Worten der Minister, Regierungsbeamten und Abgeordneten wagten sie nicht mehr zu zweifeln. Und die Würdenträger waren in der Mehrheit. Ihnen geht es gut, sehr gut. Es geht ihnen besser als dem Volk, von dem auf dem Parteitag nicht gesprochen wurde. Der Herr des Parteitages war natürlich Dr. Adenauer. [] "Vor ihm ein Wort der Kritik zu äußern, empfinden die Unbedeutenden seiner Parteifreunde im Grunde als ungehörig ... Sie hatten eigentlich keine andere Funktion (die Delegierten), als die, zuzuhören und zu akklamieren. Die Autonomie des Vorstandes oder richtiger, die des Parteichefs, herrschte über der Versammlung." (Die Welt, 23. 10. 51) [] Es kann ja nicht anders sein. Dr. Adenauer hat den ihm eigenen Stil: undemokratisch, die Freunde gegeneinander ausspielend, die Opposition abwürgend, hinter den Kulissen in Geheimberatungen wirkend, gefährliche, versteckte Formulierungen prägend, die Tatsachen verdrehend. [] So ist seine Politik in Bonn, so wurde auch der Parteitag geführt. Aber Bremen zeigt, daß sein Stern im sinken, am verblassen ist. Die Wahlniederlage in Bremen kündigt den Zerfall der Partei und die Verurteilung der Adenauerschen Politik an. [] Besonders bemerkenswert ist für die Gesamtheit des Volkes die Eröffnungsrede, die Adenauer vor den 500 Delegierten hielt, gibt sie doch Aufschluß darüber, welch primitive Methoden angewandt werden, um unser Volk gegen einen Gegner in Marsch zu setzen, der gar nicht vorhanden ist. [] Dr. Adenauer sagte: [] "Glücklicherweise ist das Kriegspotential des Westblocks dem Sowjetrußlands und seiner Satellitenstaaten um ein Mehrfaches überlegen. Wenn der Westblock nicht so stark wäre, würde ganz Deutschland schon lange ein russischer Satellitenstaat sein. Ich glaube daher, daß kein Zweifel möglich ist: Deutschland muß seinen Platz einnehmen in den Organisationen und Zusammenschlüssen des Westens." [] Auf der Schlußkundgebung sagte Dr. Adenauer. [] "Ohne die Bundesrepublik werde es eine solche Gemeinschaft nicht geben, und wenn sie nicht in den nächsten Jahren komme, so werde Europa ein Anhängsel des asiatischen Rußlands werden ... Haben Sie keine Furcht! Lassen Sie sich nicht irre machen! Lassen Sie uns unseren Weg gehen. Rußland kann sich einen heißen Krieg nicht leisten." [] Das Ziel der Ausführungen ist, den Zerfall seiner Partei aufzuhalten. Dr. Adenauer führt mit seinen Ausführungen den Beweis, daß Politiker, die nicht mehr weiter wissen, auch nicht mehr logisch denken können. Es wird doch die Aufrüstung der Westmächte, besonders Amerikas, und die Remilitarisierung der Bundesrepublik damit begründet, man müsse das militärische Gleichgewicht wieder herstellen, das bisher die Sowjetunion begünstige. Nun erklärt Adenauer auf einmal, das Kriegspotential des Westblocks sei dem der Sowjets um ein Mehrfaches überlegen. Warum dann noch deutsche Soldaten? Dann erübrigt sich doch die Remilitarisierung. Aber in der nächsten Minute sagt dann Dr. Adenauer, wenn die europäische Gemeinschaft nicht komme, werde Europa ein Anhängsel Rußlands werden. Sieh einmal an, nun wollen die Russen also doch Europa erobern! Aber was soll man dann von dem nächsten Satz wieder halten: "Rußland kann sich einen heißen Krieg nicht leisten!"? Bei all dem verliert sich Dr. Adenauer in die Ideen der Hitlerschen Rassen-Theorie. Für Hitler waren die Juden die an allem Schuldigen, für Dr. Adenauer sind es die "Asiaten". [] Für wie dumm muß Dr. Adenauer seine Parteigenossen und das deutsche Volk halten. Für jeden ist doch klar: wenn sich Rußland keinen heißen Krieg leisten kann, wie Adenauer sagt, wenn das Potential des Westens um ein Mehrfaches überlegen ist, wie Adenauer sagt, dann braucht man doch kein deutsches Heer, dann ist die Remilitarisierung eine politische Dummheit, was sie auch ohnehin ist, und ein Verbrechen dazu. Errichtet man ein deutsches Heer trotzdem, so kann es nur den Angriffszwecken der deutschen und amerikanischen Rüstungsindustriellen dienen, deren Interessen Herr Adenauer vertritt. [] Das ganze widerspruchsvolle Gerede hat nur einen Sinn: Durch die Erzeugung von Panik und Unruhe seine Anhänger zu Leistungen ohne Gegenleistungen für die amerikanische Politik geneigt zu machen, sie für die Einbeziehung Westdeutschlands in das amerikanische Paktsystem zu gewinnen. [] Keine Wahlen für ganz Deutschland [] Ueber dem Parteitag standen die Schwierigkeiten, die Adenauer hat, um den immer stürmischer zum Ausdruck kommenden Willen des Volkes nach gesamtdeutschen Beratungen zu unterdrücken. Dr. Adenauer wandte seine bekannten Methoden an, um es nicht zu einer breiten Diskussion hierüber kommen zu lassen. Was er aber zur Einheit sagen mußte, enthüllte den wahren Charakter seiner Absichten: [] "Als Hauptziel seiner Politik bezeichnete Dr. Adenauer die Wiederherstellung dieser Einheit Deutschlands in Freiheit und die Sicherung des Friedens. Der Bundeskanzler unterstrich den günstigen Verlauf der Beratungen mit den Alliierten über eine Beseitigung des Besatzungsstatuts sowie der Pariser Verhandlungen über die Aufstellung einer europäischen Armee." (Der Mittag, 20. 10. 51) [] Das ist alles, was der Kanzler zur Einheit Deutschlands sagte. Kein Wort über die Möglichkeiten einer friedlichen Lösung der deutschen Frage. Kein Wort über gesamtdeutsche Beratungen. Kein Wort der Bestätigung, daß Deutsche mit Deutschen sprechen müssen, wenn sie nicht aufeinander schießen wollen. Die Einheit Deutschlands wird von Dr. Adenauer in direkten Zusammenhang mit seinen Geheimverhandlungen mit den Hohen Kommissaren über die Aufstellung der "Europa-Armee" gebracht. Das aber zeigt, was er in Wirklichkeit will. Er redet von Frieden und will den Krieg. Darin liegt die große Gefahr für seine Politik. Mit dem Versprechen McCloys, zur passenden Zeit die Sache vor die UNO zu bringen, hofft er, diese Gefahr überwunden zu haben. Doch das ist wohl die schwerste Selbsttäuschung. Er bekommt keine Ruhe mehr. Die gesamtdeutschen Wahlen werden kommen, ob sie für Adenauer angenehm sind oder nicht. Er weiß dabei genau, daß er seiner Partei nicht mehr sicher ist. Denn auch auf dem Parteitag wurde genügend stark vermerkt, daß man Verhandlungen nicht ohne weiteres ablehnen könne. [] Wenn auch nicht zu gesamtdeutschen Wahlen bereit, so sprach er umso mehr von den Bundestagswahlen. Und da ist von freien Wahlen kein Ton zu hören. Er will ein neues Wahlgesetz. Dieses Gesetz soll, wie Adenauer sagt, "die Interessen des Staates wahren". Er will dieselbe Methode anwenden, wie sie in Frankreich und Italien angewendet wird, um durch wenige Stimmen viele Mandate zu bekommen. Die CDU soll an der Macht bleiben, das verlangt das "Staatsinteresse" des Herrn Adenauer. Dazu die Erklärungen des Polizeiministers Lehr über geplante Verbote. Die Absicht ist klar. Der Zerfall soll aufgehalten werden durch Wahlfälschung und Polizeiknüppel. [] Das Volk wird diese staatsfeindlichen Absichten des Dr. Adenauer und seines Polizeiministers nicht dulden. Der Zusammenbruch einer solchen Politik ist unausbleiblich. Das Volk wird den Weg der gesamtdeutschen Beratung gehen. [] Ahlener Programm nach Karl Arnold [] Um die Arbeiter und Angestellten, die der CDU angehören und immer dringendere Forderungen stellen, zu beruhigen, wurde Karl Arnold, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, vorgeschickt, der einmal mehr über das Ahlener Programm sprach. Sein neuester Vorschlag zur Mitbestimmung sieht folgendermaßen aus: [] "Arnold erläuterte seinen Vorschlag dahingehend, daß z. B. die Stundenlöhne um zwei Pfennig erhöht werden könnten unter der Voraussetzung, daß auch die Arbeitnehmer zwei Pfennig von ihrem jetzigen Lohn abgäben. Dadurch stünden dann insgesamt vier Pfennig je Arbeitsstunde einer Zentralkasse zur Finanzierung von Investitionen zur Verfügung. Auf diese Weise könne nicht nur ein Anreiz zum Sparen geschaffen, sondern auch eine echte Beteiligung der Arbeitnehmer an den Unternehmen gesichert werden." (Rheinische Post, 22.10.51) [] Ein Vorschlag, somit den Arbeitern noch ein paar Pfennige von ihrem kargen Lohn abzuknöpfen, um damit die Unternehmer zu finanzieren, die sich von den Arbeitern und Angestellten doch nicht in die Karten schauen lassen, kann nur von der CDU kommen, die von Bankiers und Großindustriellen gelenkt wird. In einem Satz von der Festigung der sozialen Lage und gleichzeitig von einem Lohnraub an den Arbeitern zu sprechen, das war dem Herrn Arnold vorbehalten. Auf so etwas fallen auch die Arbeiteranhänger in der CDU nicht mehr herein. [] Hohe Preise, Steuererhöhungen und Polizeiknüppel [] Herr Adenauer selbst tat noch ein übriges, indem er urplötzlich "rigorose Maßnahmen gegen weitere Preissteigerungen und Steuererhöhungen" ankündigte. Aber er hatte nicht mit seinem Finanzminister gerechnet, der ihn kurze Zeit später schon Lügen strafte, indem er "verkündete", daß jetzt auch Kino und Sport mit neuen Sondersteuern belegt werden sollen. Kino und Sport seien nicht lebenswichtig, meint Herr Schäffer, der auf die absonderlichsten Gedanken kommt, um die Einwohner der Bundesrepublik zu schröpfen. [] Natürlich durfte ein Mann auf dem Parteitag nicht fehlen: Bundesinnenminister Dr. Lehr. Viel Beifall erntete er nicht. Er ist auch den Anhängern der CDU zu deutschnational. Dieser "Retter der demokratischen Freiheiten" drohte mit scharfen Maßnahmen gegen alles, was er "Feinde der Demokratie" nennt, insbesondere die Kommunisten. Er sagte: [] "Den führenden reißenden Wölfen wollen wir die Giftzähne ausreißen." [] Daß Wölfe keine Giftzähne haben, so viel zoologische Kenntnis kann man von einem Mann wie Lehr nicht verlangen. Aber daß er sich damit etwas vornimmt, was seinem Führer Hitler nicht einmal gelungen ist, dürfte auch Lehr noch nicht vergessen haben. Bei dem "Giftzähne-ausreißen" wird er sich die Zähne ausbeißen, das ist sicher. [] Der Parteitag nahm einen Antrag an, worin der Bundespräsident gebeten wird, die dritte Strophe des Deutschlandliedes zur Nationalhymne zu erheben. Wenn das geschieht, werden wir bald die erste Strophe hören. "Einigkeit und Recht und Freiheit", lautet der Anfang der dritten Strophe. Einigkeit sagen sie und versuchen gleichzeitig alles, um die gesamtdeutsche Beratung zu torpedieren, die Spaltung unseres Vaterlandes zu vertiefen. Und Recht sagen sie, die das elementarste Recht, das Volk selbst über die Remilitarisierung entscheiden zu lassen, täglich mit Füßen treten und Menschen hinter Gitter bringen wollen, die nicht der gleichen Meinung sind, wie sie. Und Freiheit sagen sie und helfen doch gleichzeitig, das ganze deutsche Volk in Abhängigkeit von den Amerikanern zu bringen. Eine Abhängigkeit, die kein noch so schönes Wort in Freiheit ummünzen kann. [] Alle Reden, die auf dem CDU-Parteitag gehalten wurden und die Beschlüsse, die man gefaßt hat, stellen das Programm des deutschen Imperialismus dar. Es ist die Politik der einseitigen Bindung an die Angriffs-Paktsysteme der USA und die Politik der Feindschaft zur Sowjetunion und den demokratischen Völkern. Diese Politik muß zusammenbrechen! Die Partei, die Trägerin dieser Politik ist, wird zusammenbrechen! [] Das deutsche Volk bejaht den Weg der friedlichen Lösung der deutschen Frage, es will die gesamtdeutsche Beratung und wird diesen seinen Willen in den nächsten Tagen und Wochen mehr und stärker noch als bisher zum Ausdruck bringen, bis zu dem Tage, da sich Deutsche endgültig wieder die Hände reichen und Deutschland wahrhaft einig, frei, demokratisch und friedlich ist.
Published:19.10.1951 - 21.10.1951