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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Sowjetdeutscher Nr. 1 [] Wilhelm Pieck [] [] Verlag Der Augenzeuge BERLIN 1951 [] [] Die Propagandaschriften der SED zeichnen sich im allgemeinen nicht durch übertriebene Wahrheitsliebe aus. Doch die von Eislers Reklamebüro in die Welt gesetzte Legende über Wilhelm Pieck, "den treuesten Sohn des deutschen Volkes", kann man als den Höhepunkt der Lüge und widerlichen Schönfärberei bezeichnen. In diesem Falle dürften wohl alle Angaben mit Ausnahme des Geburtsdatums und -ortes der Phantasie der einheitssozialistischen Propagandisten entstammen. [] [] Pieck - der schlechte Parteischüler [] Möglicherweise ist die anläßlich seines 75. Geburtstages in verschiedenen Festschriften erschienene "aufsehenerregende" Mitteilung, Pieck sei in der Schule kein "einziges Mal sitzengeblieben" zutreffend. Für seine Leistungen auf der Parteischule trifft diese Zensur keineswegs zu. Als man ihn nämlich vor dem Ersten Weltkrieg von der Bremer SPD-Ortsgruppe auf die damals unter Leitung Rosa Luxemburgs stehende Zentrale Parteischule nach Berlin sandte, konnte man dort mit ihm, der weder die Marxsche Theorie über den "Mehrwert" noch Rudolf Hilferdings Standardwerk "Das Finanzkapital" begriff, nicht allzuviel anfangen, und so wurde er von Franz Mehring in der Verwaltung der Schule beschäftigt. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte es, die Teilnehmerkartei zu führen und dafür Sorge zu tragen, daß technische Requisiten, wie Bleistifte und Papier, vorhanden waren. Alles in allem handelte es sich um eine durchaus subalterne Tätigkeit, die man wirklich nicht als eine Auszeichnung für gute Leistungen und auch nicht als Zeichen besonderer Freundschaft mit Liebknecht und Luxemburg werten kann. Dies hindert aber die SED-"Geschichtsschreiber" heute keineswegs, über jene Zeit mit folgenden Worten zu berichten: "Diese beiden begeisterten Sozialisten und Friedenskämpfer lernten Wilhelm Pieck in der Parteischule in Berlin kennen und schätzen. Wilhelm Pieck wurde der treue Freund Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs.' [] [] Wie er Luxemburg und Liebknecht überlebte [] Die gemeinsame Verhaftung von Luxemburg, Liebknecht und Pieck im Jahre 1919 stellt eines der dunkelsten Kapitel im Leben des "treuesten Sohnes des deutschen Volkes" dar. Sehr diskret berichtet die Parteigeschichte in einem Satz über das erstaunliche Ereignis, daß Wilhelm Pieck zur gleichen Zeit, da die mit ihm festgenommenen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht erschossen wurden, ungehindert die Mordstätte, das Hotel Eden, verlassen konnte: "Wilhelm Pieck konnte durch seine Geistesgegenwart den Mördern entkommen." Tatsächlich verhielt es sich mit seiner angeblichen Geistesgegenwart folgendermaßen: In der Nacht vom 14. zum 15. Januar 1919 wurde Pieck zusammen mit Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg festgenommen und ins Eden-Hotel gebracht. Während seine beiden Kampfgenossen ermordet wurden, gelang es ihm, eine Unterredung unter vier Augen mit dem leitenden Offizier dieser Bande - es dürfte sich um Major Pabst gehandelt haben, - zu erwirken. Der Erfolg dieses Gesprächs war insofern überraschend, als Pieck mit einem Schutzbrief des Nachrichtenoffiziers der Garde-Kavallerie-Schützendivision das Eden-Hotel verlassen konnte. Man geht nicht fehl anzunehmen, daß sich Pieck seine Entlassung mit der Preisgabe vertraulicher Informationen und der Bekanntgabe illegaler Quartiere des Spartakusbundes erkauft hatte. Da selbst das Zentralkomitee der KPD "seiner Geistesgegenwart", der er es angeblich zu verdanken hatte, "den Mördern entkommen" zu sein, nicht übermäßig viel Vertrauen entgegenbrachte, wurde 1930 der damalige Chef des illegalen M.-Apparates der KPD, Hans Kippenberger, beauftragt, eine Untersuchung über das seinerzeitige Verhalten Piecks durchzuführen - deren Resultate jedoch niemals veröffentlicht wurden. Kippenberger selbst aber mußte seine Mitwisserschaft an den Vorgängen in der Nacht vom 14. zum 15. Januar mit seinem Leben büßen. Er war einer der ersten, die Wilhelm Pieck während der Säuberungswelle in der Sowjetunion in dem unersättlichen Rachen der GPU verschwinden ließ. [] Es bedarf der ganzen Unverfrorenheit der SED-Propagandisten, um Pieck zum Freund von Rosa Luxemburg zu stempeln und damit diese größte und lauterste Persönlichkeit der internationalen Arbeiterbewegung zur Glorifizierung Piecks zu mißbrauchen. Jene, die jetzt Plätze und Straßen nach ihr benennen, wissen nur zu gut, daß Rosa Luxemburg - wäre sie nicht 1919 ermordet worden - im Laufe der späteren Jahre als "Trotzkistin", als "unverbesserliche Kosmopolitikerin" oder als "verräterische Titoistin" von Stalins Schergen liquidiert worden wäre. [] Hätten Herr Pieck und seine Konsorten doch den Mut, auf den nach Rosa Luxemburg benannten Straßen und Plätzen in der Sowjetzone - allein die Benennung kommt schon einer Totenschändung gleich - an Stelle Nationaler-Front-Phrasen die Aussprüche der beiden großen Toten propagieren zu lassen. Rosa Luxemburgs Bekenntnis "Freiheit nur für die Angehörigen der Regierung, Freiheit nur für die Angehörigen einer Partei - möge sie noch so zahlreich sein - ist keine Freiheit! Freiheit ist immer nur Freiheit der Andersdenkenden!" eignete sich dazu besonders gut. [] [] "Linientreuer" Namenszug [] Dieses Foto zeigt ein Bild des "Führers der deutschen Arbeiterklasse" aus dem Jahre 1936. Der heute als treuester Sohn des deutschen Volkes" gefeierte sowjetische Staatsbürger Wilhelm Pieck verleugnet schon damals seine Herkunft so weit, daß er sogar seinen Namen russisch schreibt. Übrigens der einzige "Landesvater" der seine Muttersprache verleugnet. [] [] Wilhelm Pieck - der "alte Kämpfer" [] Mit Fug und Recht kann Pieck den Parteiliteraten Louis Fürnberg, der kürzlich "Das Lied von der Partei" veröffentlichte, des Plagiats beschuldigen; denn schon lange vor diesem hat er sich das Motto "Die Partei, die Partei, die hat immer recht" zu eigen gemacht. Allerdings war für ihn "die Partei" gleichbedeutend mit den Befehlen des Kremls. Er verstand es geradezu meisterhaft, jeweils rechtzeitig auf die Signale der Zentrale aus Moskau zu reagieren und sich in der an Fraktionskämpfen so reichen Geschichte der KPD immer wieder auf die Seite der Stalinisten zu schlagen. Um sich Stalins Gunst zu erhalten, zögerte er beispielsweise 1930 keinen Augenblick, seine engsten Parteifreunde Remmele und Neumann auf einer unter Stalins Vorsitz stattfindenden Konferenz in Moskau schmählichst im Stich zu lassen, obwohl er vor seiner Abreise nach Rußland den beiden seine Treue versichert hatte. Dabei ging es Pieck ebenso wie bei vielen anderen Gelegenheiten nicht etwa um die Durchsetzung einer politischen Linie, sondern lediglich um die Festigung seiner Position. [] Die alte Klara Zetkin hat ihm seinen, in höheren Parteikreisen durchaus bekannten, Opportunismus niemals verziehen. Vor allem konnte sie ihm nicht vergessen, daß er während der Fraktionskämpfe 1925 die tote Rosa Luxemburg in der gröbsten Weise beschimpft und den "Luxemburgismus, die Syphilis der Komintern" genannt hatte. Als Pieck Frau Zetkin während des Weddinger Parteitages 1929 in ihrer Wohnung aufsuchte, empfing diese ihn im Hausflur und spuckte ihm ins Gesicht. Selbstverständlich wird auch dieses Ereignis heute totgeschwiegen und Klara Zetkin zu einer "treuen Freundin und Kampfgefährtin Piecks" umgelogen. [] [] Es sucht der Bruder seine Brüder [] Immerhin blieb Piecks Kampf um seine Position innerhalb der KPD bis zum Jahre 1933 wenigstens noch unblutig und forderte keine Opfer an Menschenleben. Nach 1933 wurde das anders. Als Stalins Parteisäuberungswelle über die Quartiere der deutschen Emigranten in Moskau, Leningrad und Kiew hinwegbrauste, als Tag und Nacht alte deutsche Kommunisten, die oft nur mit größter Not dem Naziregime entkommen waren, zu unmenschlichen nächtelang währenden Verhören in die Keller der GPU geschleppt wurden, genügte es Pieck nicht mehr, nur zu intrigieren. Er entfaltete vielmehr bei der Beseitigung seiner Genossen eine ihm kaum zuzutrauende Aktivität. Von Pieck denunziert, wurden unter anderen Hans Kippenberger, Hermann Remmele, Heinz Neumann, Hugo Eberlein und Leo Flieg ermordet. Der "olle Pieck" - damals Vertreter der deutschen KP in den Komintern - erwies sich als zuverlässiger Mitarbeiter der GPU. Auf sein Schuldkonto gehen auch die Verhaftungen dies ehemaligen Sekretärs von Ulbricht, Werner Hirsch und die Liquidation von Anna Remmele, der Frau des einstigen Reichstagsabgeordneten, sowie von Gertrude Taube, der Sekretärin Thälmanns - um nur einige zu nennen. Selbstverständlich war jede dieser Verhaftungen gleichbedeutend mit einem Todesurteil. [] Von den SED-Propagandisten wird nur zu gern Piecks unerschütterliche Ruhe hervorgehoben. Diese bewies er während der Jahre 1936 bis 1938 allerdings in furchtbarster Weise. Er sorgte dafür, daß all jene, die ihm vielleicht einmal persönlich gefährlich werden konnten, Stalins Feme verfielen, und verlor auch seine Ruhe nicht, als 500 ehemalige Sozialisten und Kommunisten von dem NKWD der Gestapo ausgeliefert wurden. Wilhelm Pieck vergaß während all dieser furchtbaren Ereignisse keinen Augenblick, sich beinahe täglich in der im Hinterhof des Hotel Lux befindlichen Schreinerei die Holzarten für seine neu anzufertigenden Möbel auszusuchen und auf deren baldige Fertigstellung zu dringen. Ja, Wilhelm Pieck konnte nicht so schnell aus seiner unverdienten Ruhe gebracht werden. [] Bei prunkvollen SED-Veranstaltungen lieben es deren Regisseure, als feierliche Einleitung die "Fidelio"-Ouvertüre spielen zu lassen. Wie heißt es doch in dieser dem Gedanken der Freiheit gewidmeten Oper: "Es sucht der Bruder seine Brüder." Ja, auch Wilhelm Pieck suchte seine Brüder, aber nicht um ihnen zu helfen und sie "aus Ketten zu befreien", sondern um sie an Stalins Schergen auszuliefern. [] [] Pieck hätte den Mord an Thälmann verhindern können [] In der verlogenen offiziellen Parteireklame werden Pieck und Thälmann als unerschütterliche Freunde dargestellt. Selbstverständlich fällt kein Wort darüber, daß 1934 Mussolini den Sowjets das Angebot machte, Thälmann und einige andere KPD-Funktionäre, die sich in Hitlers Händen befanden, gegen in der UdSSR inhaftierte Deutsche und Italiener auszutauschen. Als Vertreter der deutschen KP in Moskau damals von Stalin nach seiner Meinung gefragt, riet Pieck dringend von dieser Aktion ab, da "die Freilassung Thälmanns durch die Nazis sich demoralisierend auf die übrigen deutschen Kommunisten auswirken müßte". Nach Abschluß des deutsch-russischen Vertrages im Jahre 1939 rechnete Hitler mit Sicherheit damit, daß Stalin die Freilassung Thälmanns fordern werde, und war auch bereit, diesem Wunsch nachzukommen. Wieder war es auf die ablehnende Haltung Piecks zurückzuführen, daß von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht wurde. Es dürften kaum politische Erwägungen gewesen sein, denen Piecks Stellungnahme entsprang, sondern vielmehr das Bedürfnis, einen wichtigen Konkurrenten im Kampf um die führende Vormachtstellung innerhalb der KPD in Hitlers Gewahrsam zu wissen. [] [] Sowjetischer "Friedenskämpfer" [] Wenn man sich mit dem Leben dieses angeblichen "Sohnes des Volkes", der Präsident wurde, "weil er klug, fleißig und ehrlich ist und weil er sein ganzes Leben lang für die Befreiung der Werktätigen und gegen die Feinde des Friedens kämpfte", beschäftigt, dann glaubt man immer wieder, den Höhepunkt der Heuchelei und Lüge schon erreicht zu haben. Doch die Lügenspitzen seines Lebensweges scheinen unzählbar zu sein. Er, der als sowjetischer Staatsbürger die mitteldeutschen Länder den Sowjets als sogenannte Deutsche Demokratische Republik regelrecht in die Hände spielte, wagte es vor einiger Zeit sogar, die Forderung "Deutschland den Deutschen" zu erheben. Er, der seine besten Parteifreunde der NKWD auslieferte, fordert, daß andere wegen "Unmenschlichkeit zur Verantwortung gezogen werden." Er, der Frauen und Kinder in die Uranbergwerke schickt, wagt es, über das Schicksal koreanischer Frauen und Kinder zu klagen. Er, der über Stalins Arbeitssklaven nur zu genau Bescheid weiß, lobt "die wirtschaftlichen Errungenschaften und die neuerrichteten großen Bauwerke in der Sowjetunion". Er, der sehr wohl weiß, daß die Rüstungsproduktionsstätten in der Sowjetzone Tag und Nacht arbeiten und daß die Volkspolizei eine der Roten Armee unterstellte Bürgerkriegstruppe darstellt, beendet seine Reden mit Vorliebe mit den Worten: "Es lebe der Kampf für den Frieden!" [] Jawohl, Pieck wünscht den "Frieden", der es gestattet, Menschen nach Belieben verschwinden und ermorden zu lassen. Er wünscht den "Frieden", der es ermöglicht, ungehindert den Krieg vorzubereiten. Der von Wilhelm Pieck gepriesene "Friede" ist nicht der Friede der Friedliebenden, sondern die Kirchhofstille der bolschewistischen Unterdrückung und des stalinistischen Imperialismus.
Published:1951