Meine lieben Landsleute, lieber Jungwähler!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Meine lieben Landsleute, lieber Jungwähler! [] Darf ich mich Ihnen vorstellen? Am 17. Dezember 1914 wurde ich als Sohn der Landwirts-Eheleute Friedrich Traub und Katharina geb. Deininger in Vorderbüchelberg, Gemeinde Spiegelberg, Kreis Backna...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Traub, Wilhelm, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Druckhaus Friedrich-Ebert-Bau, Stuttgart
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/68A1990E-0587-4B51-B069-B6AC95743BE5
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Meine lieben Landsleute, lieber Jungwähler! [] Darf ich mich Ihnen vorstellen? Am 17. Dezember 1914 wurde ich als Sohn der Landwirts-Eheleute Friedrich Traub und Katharina geb. Deininger in Vorderbüchelberg, Gemeinde Spiegelberg, Kreis Backnang, geboren. Meine Vorfahren waren väterlicherseits in Vorderbüchelberg, mütterlicherseits in Hilbenhof, Kreis Schwäbisch Hall, ansässig. Ich darf also feststellen, daß ich ein echtes Kind des Wahlkreises bin. [] Nach dem Schulbesuch kam ich 1929 nach Backnang in die kaufmännische Lehre, später als Buchhalter in eine Lederfabrik. 1936-1938 Militärdienstpflicht, anschließend wieder Beschäftigung in der Lederindustrie und im Handel. Seit 1939 bin ich verheiratet. Vom 26.8.1939 bis 1945 leistete ich Kriegsdienst, davon in Rußland von 1941-1945, wo ich mich nach Vernichtung meiner Einheit vom 15. 1. bis 13. 4. 1945 etwa 700 km allein hinter der russischen Front durchschlagen mußte. Nach meiner Rückkehr nochmals Fronteinsatz, Rückmarsch durch die Tschechei und dann amerikanische Gefangenschaft. [] Im März 1946 übernahm ich die Geschäftsführung der Allgemeinen Ortskrankenkasse Backnang, war Mitglied des Verbandsvorstands und wurde am 1. 11. 1952 als Referent in das Arbeitsministerium Baden-Württemberg berufen. [] Schon mit 17 Jahren war ich gewerkschaftlich tätig und gehörte der sozialdemokratischen Jugendbewegung an. Nach 1945 widmete ich mich zunächst ehrenamtlich dem Wiederaufbau der Jugend-, Sport- und Kulturorganisationen des Kreises Backnang. Meine kommunalen Erfahrungen sammelte ich seit 1947 als Gemeinderat und Mitglied des Kreistags. Als Mitglied des zweiten Württembergisch-Badischen Landtags für unseren Wahlkreis wurde ich mit der Gesetzgebung des Landes und auch mit der wirtschaftlichen Struktur beider Kreise und unseres Landes vertraut. [] Ich bin kein einseitiger Interessenvertreter. Mein beruflicher und politischer Werdegang gab mir einen tiefen Einblick in die eng verbundenen Probleme unserer Gesamtwirtschaft und der Verwaltung. Ich bemühe mich, die Bevölkerung und vor allem die Jugend am öffentlichen und damit auch am politischen Leben zu interessieren und die starren Fronten zwischen den demokratischen Parteien zu lockern. [] Meine Erlebnisse im Dritten Reich, beim Militär, während des Krieges, hinter der russischen Front und in der Gefangenschaft, werden auch künftig meine Einstellung zu den einzelnen Problemen bestimmen und dazu beitragen, daß ich mit der Verantwortung an die großen innen- und außenpolitischen Probleme herangehen werde, um unserer Heimat den Frieden, unserer Bevölkerung eine soziale Sicherheit und ein Leben in Freiheit zu gewährleisten. [] Ich bitte um Ihr Vertrauen und bin mit den besten Grüßen [] Ihr [] Wilhelm Traub [] Das Ergebnis der Bundestagswahl von 1949 war eine Regierung, die innenpolitisch gegen die SPD und außenpolitisch ohne die SPD regierte [] Die Folge war eine zunehmende Verschärfung der Gegensätze im Innern, außenpolitisch aber eine bedenkliche Aufspaltung deutscher Politik. [] Einige Tatsachen zur Innenpolitik: [] Die Umsatzsteuer wurde von 2% auf 4% erhöht. [] Die Folge: eine enorme Belastung des Haushaltungsgelds der breiten Verbraucherschichten. Eine gerechte Steuerpolitik schont die wirtschaftlich Schwachen und zieht die wirtschaftlich Starken mehr heran. Die Bundesregierung aber machte das Gegenteil, sie erhöhte die Verbrauchssteuern und ermäßigte die direkten Steuern. Wie die Einnahmen des Bundes gedeckt wurden, zeigt folgende Tabelle. [] 1949 zu 48% aus Eink.-Steuern = direkte Steuern, [] zu 52% aus allgem. Verbrauchssteuern [] 1951 zu 39% aus Eink.-Steuern = direkte Steuern, [] zu 61% aus allgem. Verbrauchssteuern [] Die kleinen Sparer wurden bei der Währungsreform enteignet, das Aktienkapital dagegen wurde geschont. Folgende Übersicht zeigt das klar: [] Spareinlagen des Volkes [] 1 Tag vor der Währungsreform 71 Milliarden [] 1 Tag nach der Währungsreform 3,6 Milliarden [] Aktienbesitz [] 1 Tag vor der Währungsreform 21 Milliarden [] 1 Tag nach der Währungsreform 17 Milliarden [] Trotz aller Propaganda um das sogenannte deutsche Wirtschaftswunder hinken die Löhne hinter den Kapitalgewinnen drein. Während die industrielle Lohnquote von 1936 auf 1951 um mehr als 10 % fiel, stieg die Bruttogewinnquote im selben Zeitraum um mehr als 10 % an. [] Eine vierköpfige Arbeiterfamilie muß 44%, eine zwei/dreiköpfige Rentnerfamilie sogar 50,5% ihres Einkommens allein für Lebensmittel ausgeben. Steigende Preise und Verbrauchssteuern machten jede kleine Erhöhung des Lohnes wett. Die Rentenempfänger werden durchweg mit viel zu niederen Renten abgespeist. [] 931000 Angest.-Vers.-Rentner erhalten durchschn. 70.70 DM [] 3,2 Millionen Sozialrentner erhalten durchschn. 58.50 DM [] 1.8 Millionen Fürsorgeempfänger erhalten ganze 38.- DM [] insgesamt sind es etwa sechs Millionen Menschen, die mit ihren Angehörigen von Bezügen leben müssen, die unter dem Existenzminimum liegen. Auf der anderen Seite ermöglichte es die Steuerpolitik der Bundesregierung, daß über 10000 Personen noch Abzug ihrer Steuern [] über ein Einkommen von mehr als 65000 DM [] verfügen können, und dies noch einer Währungsreform, nach der alle mit 40.- DM in der Hand dastanden. Im sozialdemokratisch regierten Schweden geht es gerechter zu. Dort ehrt man das Alter durch eine Volkspension von 4886.- Kronen = 3909,- DM im Jahr. Während bei uns an den notwendigsten Sozialausgaben gespart wird, behauptet Bundesfinanzminister Dr. Schäffer, ohne neue Steuern [] 10 Milliarden für die neue Aufrüstung [] aufbringen zu können. Gegen denselben Minister erzwang die SPD auch die Senkung der Kaffee- und Teesteuer. Immer mußte es zu Kampfabstimmungen im Bundestag kommen, bevor sich die Regierungsparteien zu kleinen Verbesserungen bereit fanden. Meist aber wurden die Vorschläge der SPD stur niedergestimmt. [] Es ist derselbe Pharisäer-Geist, [] der auch in der Außenpolitik den Gegensatz zwischen Regierung und Opposition immer scharfer hervortreten ließ. Von Anfang an betrieb die Regierungskoalition unter dauernder Ausschaltung der SPD ihre sogenannte [] Politik der Stärke. [] Man behauptet, nur dadurch könne man Rußland zum Entgegenkommen zwingen. Diese Auffassung wurde durch die jüngsten Ereignisse glatt widerlegt. Durch diese Politik kam immer wieder [] neues Elend über die Menschheit [] und die Gefahr, daß es auch diesmal so sein wird, ist viel größer, als man wahrhaben will. [] Wir warnen das Volk vor Adenauers Rüstungspolitik! [] Jede Regierung, die sich einbildet, sich nur auf Divisionen verlassen zu brauchen, hat diese Auffassung mit dem Blut ihres Volkes bezahlen müssen. [] Wollt Ihr wieder Kanonen statt Butter? [] Wer mit seinem Stimmzettel die Fortsetzung dieser CDU-Politik ermöglicht, lädt eine ungeheure Verantwortung auf sich. [] Noch ein Wort zum sogenannten "Nein-Sagen der SPD": Wir nehmen diesen Vorwurf deshalb ernst, weil er für viele Wähler etwas Bestechendes haben mag. Die Außenpolitik der Bundesregierung war keine Politik aus deutschem Willen, sondern war der Wunsch der westlichen Alliierten. Unsere Hinweise auf die Verfassungswidrigkeit dieser Politik wurden in den Wind geschlagen. Die von uns beantragte [] Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde hintertrieben. [] Da diese Entscheidung immer noch aussteht, kann die SPD aus politischen und verfassungsrechtlichen Gründen dieser Politik weder ganz noch teilweise folgen. Unser Nein ist die logische Folge des Verhaltens des Bundeskanzlers und seiner Regierung, die ausländische Presse und Staatsmänner besser unterrichtete als die eigenen Landsleute. [] Dr. Kurt Schumacher sagte einmal: "Wenn einer seine Jacke beim ersten Knopf falsch zumacht, dann ist nachher der ganze Anzug nicht in Ordnung." So ist es auch mit der Außenpolitik Adenauers. [] Liebe Wählerinnen und Wähler! Sie werden in diesen Tagen viel Propagandamaterial erhalten. Für die CDU wird es von der Industrie bezahlt, denn diese Kreise haben ein lebhaftes Interesse an der Fortsetzung dieser Politik. [] Wir können Sie nur noch einmal auf die Ergebnisse der letzten vier Jahre verweisen und Sie aufrufen, daraus auch politische Schlußfolgerungen zu ziehen. Es liegt in Ihrer Hand, diesen Kurs zu ändern. Die SPD und ihre Kandidaten versprechen keine Wirtschaftswunder für die oberen Zehntausend, sondern arbeiten unermüdlich für das große Ziel: Soziale Sicherheit für alle für Frieden in Freiheit. [] Wählen Sie den Kandidaten und die Liste der SPD [] Druckhaus Friedrich-Ebert-Bau, Stuttgart
Published:06.09.1953