Ehrliche und unehrliche Getreidepolitik

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Ehrliche und unehrliche Getreidepolitik [] Der Bundestag hat einmal - es sind schon einige Jahre her - ein Getreidemarktgesetz beschlossen, auf Grund dessen jedes Jahr auf Vorschlag der Bundesregierung [] Höchst- und Mindestpreise für Getrei...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand, Druckhaus Deutz
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/318EAE80-DDC5-4B27-AE09-1FA2A134D2E4
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Ehrliche und unehrliche Getreidepolitik [] Der Bundestag hat einmal - es sind schon einige Jahre her - ein Getreidemarktgesetz beschlossen, auf Grund dessen jedes Jahr auf Vorschlag der Bundesregierung [] Höchst- und Mindestpreise für Getreide rechtzeitig festzusetzen sind [] Rechtzeitig heißt nach unserer Meinung, daß die Preise vor Beginn der Aussaat festgesetzt werden, damit der Bauer auf Grund der festgelegten Preise den Umfang seines Getreideanbaues bestimmen kann. [] Festsetzung von Höchst- und Mindestpreisen heißt, daß eine Überschreitung der Höchstpreise und eine Unterschreitung der Mindestpreise im Interesse stabiler Preise von der Regierung verhindert werden. [] Was hat die Bundesregierung aber getan? Sie hat in allen Jahren erst dann, wenn die Getreideernte schon vor der Tür stand, dem Bundestag die Getreidepreise für die kommende Ernte vorgeschlagen. [] Die Debatte über die vorgeschlagenen Getreidepreise wurde von den Vertretern der Landwirtschaft in der CDU/CSU, FDP und DP jeweils dazu benutzt, möglichst hohe Getreidepreise zu fordern, weil sich das auf Bauernversammlungen so gut verwenden läßt. Die Regierung machte dieses Spiel gern mit, um zu beweisen, daß auch in ihrer Brust ein Herz für die Bauern schlägt. So erhöhte man im vorigen Jahr den Haferpreis noch um 10 DM, obwohl man genau wußte, daß in Anbetracht der geringeren Pferdebestände zuviel Hafer angebaut worden war. [] Diese Großzügigkeit gegenüber der Landwirtschaft war ausgesprochen billig, denn nirgendwo stand geschrieben, und Staatssekretär Sonnemann vom Bundesernährungsministerium gab das auch ganz offiziell zu, daß die Bundesregierung aus diesem Gesetz irgendwelche Verpflichtungen zu übernehmen habe und daß der Bauer auf Abnahme seines Getreides zu Mindestpreisen einen Rechtsanspruch hätte. [] Diesem Schwindel hat die Sozialdemokratie jetzt einen Riegel vorgeschoben. Zunächst hatte sie im Ernährungsausschuß des Bundestages beantragt, die Einfuhr- und Vorratsstellen zu verpflichten, den Bauern Getreide zu Mindestpreisen abzunehmen und den Mühlen oder dem Handel Getreide zu Höchstpreisen zu verkaufen, wenn die Getreidepreise entweder unter die Mindestpreisgrenze sinken oder über die Höchstpreisgrenze steigen. Dieser Antrag wurde von den zu den Koalitionsparteien gehörenden Mitgliedern des Ernährungsausschusses, alle ihres Zeichens Bauernverbandspräsidenten, landwirtschaftliche Genossenschaftler, kurzum die Vertrauensleute der Landwirtschaft, auf Weisung der Bundesregierung abgelehnt. [] Die Sozialdemokraten im Bundestag ließen aber nicht locker und stellten ihren Antrag nunmehr in öffentlicher Sitzung zur Diskussion und Abstimmung. Wiederum ein Eiertanz der Vertreter der Koalitionsparteien. In der Öffentlichkeit konnten sie jetzt nicht mehr gegen die Interessen der Landwirtschaft sprechen. Grundsätzlich stimmten sie zu; aber die von den Sozialdemokraten vorgeschlagene Regelung gehöre nicht in das Getreidepreisgesetz, sondern in das Getreidemarktgesetz, was jetzt nicht zur Diskussion stände. Nachdem diese Einwände entkräftet waren, erklärten sich die Regierungsparteien bereit, dem Antrag der Sozialdemokraten zuzustimmen, wenn diese auf ihre Forderung, daß namentlich abgestimmt wird, verzichten. Durch bittere Erfahrung gewitzt, beharrten die Sozialdemokraten auf ihrer Forderung, weil sie befürchteten, daß in letzter Minute die Bundesregierung doch noch die Abgeordneten der Regierungsparteien beeinflussen könnte. So mußten alle Abgeordneten - auch die, die vorher sich gegen den sozialdemokratischen Antrag ausgesprochen hatten - sich bequemen, an der Abstimmung teilzunehmen. [] Das Ergebnis war keine Stimme gegen den Antrag. [] Die Sozialdemokratie hat damit für die Bauern einen Sieg errungen. Sie hat die Bundesregierung zur Durchführung einer ehrlichen, die Interessen der Bauern wie der Verbraucher wahrenden Getreidepolitik gezwungen. Ein Beweis dafür, daß die Sozialdemokratie sich nicht begnügt, wie die Koalitionsparteien, leere Versprechungen und hohle Redensarten über das Wohl der Landwirtschaft abzugeben, sondern eine ehrliche Agrarpolitik treibt. [] Die Sozialdemokratie verspricht keine Wunder, aber sie hält ihr Wort. [] Herausgeber: Vorstand der SPD, Bonn 8. 53 - Druck: Druckhaus Deutz
Published:06.09.1953