Die Frage der Entnazifizierung

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Lochung DIE FRAGE DER [] Entnazifizierung [] Die Entnazifizierung ist heute eine der wichtigsten und vielumstrittensten Fragen. Bis fünf Minuten nach zwölf wollten alle Pg's siegen, und wenn sie heute vor der Barriere stehen, ist es kein...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1947
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/A053D02C-6E35-4477-802C-D6B7F08AEF8B
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Lochung DIE FRAGE DER [] Entnazifizierung [] Die Entnazifizierung ist heute eine der wichtigsten und vielumstrittensten Fragen. Bis fünf Minuten nach zwölf wollten alle Pg's siegen, und wenn sie heute vor der Barriere stehen, ist es keiner von ihnen gewesen. [] Wie sieht so eine Entnazifizierung aus? Ein Vorarbeiter oder ein kleiner Angestellter steht vor der Kommission. Der Fall liegt ganz klar. Im Fragebogen steht: Pg seit 1933, Blockwalter in der Partei, Mitglied in der NSV, in der DAF und RLB. Die Betriebsvertretung erklärt ihn als einen Aktivisten, der bis zuletzt für den Sieg eintrat. Eine Zeugin tritt auf, der er mit der Gestapo gedroht hat. Er war Uniformträger und trug den Bonbon. Die Belegschaft will nicht mit ihm arbeiten. In seinem Wohnbezirk ist er als sogenannter Treppenterrier bekannt. Die Sache liegt daher ganz klar: er bekommt sein "Untragbar". [] Ein anderer Fall: ein "Großer". Pg vielleicht, häufig erst seit 1937, manchmal nicht einmal das. Uniform, braune Hosen? Er hat sich bedankt. Das war ihm zu gewöhnlich. Blockleiter? (Na, erlauben Sie mal, wie konnte man so einem hohen Herrn zumuten, an Türen zu klingeln.) Das kam nicht in Frage. War er im NSKK? Ja, aber nur ehrenhalber, und ohne Dienst zu tun. Allerdings: im NS-Altherrenbund war er als ehemaliger Student. Das ging nicht anders. Im NSB Deutsche Technik mußte man berufsmäßig sein, im VDA war er, ohne daß er sich angemeldet hatte. Pg war man geworden, aber das war ein "Opfer", das er dem Betrieb gebracht hatte. [] Man hatte in Hitler den Mann zur Durchführung imperialistischer Ziele gesehen, und später, als der Karren bergab ging, rückte man ganz entschieden von ihm ab. Das nennt der Herr Direktor heute "antifaschistische Tat". [] Er zankte sich auch oft mit Parteigrößen, die in seinen Augen nichts als Parvenüs und Nichtskönner waren. Er hat eine rauhe Masse von Befürwortern aufzuweisen. Er hat sich nicht gescheut, seine ehemalige Waschfrau aufzusuchen und unzählige Arbeiter in ihren Wohnungen in Verlegenheit zu setzen. Es gibt leider noch genug Arbeiter, die es nicht vergessen können, daß ein Herr Direktor ihnen einmal leutselig auf die Schulter klopfte oder ihn einstellte, weil er ein guter Präzisionsarbeiter war, trotzdem (man höre und staune!) dieser Arbeiter wegen politischer Dinge im Kz gesessen hatte. War das nicht ein Beweis einer antifaschistischen Gesinnung? [] Wehrwirtschaftsführer war er? Ab er das hat ja gar nichts auf sich. Einer mußte es doch sein. Wenn er es nicht gemacht hätte, wäre es ein noch schlimmerer Nazi gewesen. Der Laie ahnt ja nicht, welche Funktionen auszuüben waren. Meistens waren sie nur dekorativer Art. So spricht er heute. [] Es ist leicht zu begreifen, daß ein kleiner Mann, der Aktivist war, sein "Untragbar" erhält. Es ist aber schwer zu fassen, daß ein Großer durch die Maschen des Netzes schlüpfen soll. Der Kleine gab sich Blößen, daß er stolperte. Er merkte in der Enge seines Lebens auch nicht so schnell, wie der Untergang sich vorbereitete. Aber der Herr mit großem Wissen und weitreichenden Verbindungen kalkulierte sehr bald aus, wann der Spuk zu Ende sei. Er beugte als kluger Geschäftsmann vor. Wie kann man sich so bloßstell[...]. Er hielt sich eine Hintertür auf. [] Soll dies nicht vielen Menschen eine Lehre sein? Eine Lehre für das Leben! Millionen wurden mißbraucht; sie hatten nur für die anderen die Kastanien aus dem Feuer zu holen, und heute bezahlen sie mit dem Verlust ihrer Stellung, ihrer Wohnung, ihres Eigentums. [] Es hilft aber ihnen und ihrer Familie nichts, wenn sie resignieren. Sie müssen das nachholen, was ihnen schon längst aufgegangen sein müßte: nämlich die Erkenntnis ihrer Klassenlage. [] Sie gehören in eine Front mit den Arbeitern und Bauern, die für eine wirkliche Demokratie kämpfen, damit nicht in Kürze neue Massengräber für das deutsche Volk geschaufelt werden müssen. [] Wähle die Kandidaten der KPD! [] CDH 37, Hannover, 10/100000. III. 47. Kl. C
Published:1947