Verehrte Wählerin, verehrter Wähler! . Ich möchte mir erlauben, mich Ihnen als Kandidat Ihres Wahlkreises vorzustellen, [...]

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Verehrte Wählerin, verehrter Wähler! [] Ich möchte mir erlauben, mich Ihnen als Kandidat Ihres Wahlkreises vorzustellen, denn Sie können ja nur dem Kandidaten Ihr Vertrauen schenken, den Sie kennen, von dem Sie wissen, daß er Ihre Belange und...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Druckhaus Deutz
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 28.10.1956
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/FAA30B02-3314-4D33-8D51-52AE48025A7A
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Verehrte Wählerin, verehrter Wähler! [] Ich möchte mir erlauben, mich Ihnen als Kandidat Ihres Wahlkreises vorzustellen, denn Sie können ja nur dem Kandidaten Ihr Vertrauen schenken, den Sie kennen, von dem Sie wissen, daß er Ihre Belange und Sorgen versteht. Nur Ihre Zustimmung gibt dem Kandidaten die Möglichkeit und die Kraft, sich als Ihr Vertreter zu bewähren und sich Ihres Vertrauens würdig zu erweisen. [] Mit meinen 54 Jahren bin ich durch viele Länder gekommen und habe mich sehr in der Welt umgesehen, habe einiges erlebt und reiche Erfahrungen gesammelt. Ich stamme aus einer katholischen rheinischen Lehrerfamilie. Nach Abschluß des humanistischen Gymnasiums studierte ich lange im In- und Auslande. Seit 27 Jahren lehre ich an der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln. [] Viel Elend, Ungerechtigkeit und menschliche Unvollkommenheit sah ich. Dies und nicht zuletzt vier Jahre Kriegsdienst und die Nachkriegszeit brachten mich zur Politik und zeigten mir den Weg zur Sozialdemokratischen Partei, der Partei, die vor allen andern rastlos und unbestechlich bemüht ist, die sozialen Notstände gerade auch der Ärmsten zu. beseitigen und der durch die Industrialisierung und Automatisierung hervorgerufenen Selbstentfremdung des Menschen entgegenzuwirken und ihm das Recht auf Eigenleben wieder zu verschaffen. [] Sicherlich werden im Stadtparlament keine großen politischen Entscheidungen getroffen, doch ist es nicht gleichgültig, wer dort zu bestimmen hat und in welchem Geiste dies geschieht. Denken Sie daran, es liegt in Ihrer Hand, denn auf Ihre Stimme kommt es an. [] Köln, die am meisten zerstörte Stadt, hat die Nachwirkungen des Krieges noch nicht ganz überwinden können. Vieles ist seit 1945 getan worden, vieles ist noch zu tun. Nichts geschah in dieser Zeit für die Stadt Köln und ihre Bürgerschaft ohne die tätige, nie versagende Mitarbeit der SPD-Fraktion, bürgt doch gerade ihre Zusammensetzung dafür, daß die Nöte des Arbeiters, -des Angestellten, des Beamten und des Mittelstandes nicht vergessen werden. [] Es gibt noch dringende Aufgaben. Denken Sie nur an die Beseitigung der Wohnungsnot, an die Förderung des sozialen Wohnungsbaues, an den Neubau und die Erweiterung von Krankenhäusern, an neue Badeanstalten, eine auch für den nördlichen Stadtteil, an den Ausbau der Verkehrsmittel entsprechend dem Wachstum von Köln-Nord, an bessere Straßenbahnwagen auch für Nippes, an eine direkte Verbindung von der Neußer Straße zum Hauptbahnhof zum niedrigsten Fahrpreis, an die Errichtung von Kindergärten, zwingt doch das "Wirtschaftswunder" viele Frauen zur Arbeit außer Hause. [] Meine dringendste Aufgabe sehe ich in der Beseitigung der Schulraumnot. 3 200 000 Kinder in der Bundesrepublik haben noch Schichtunterricht, also keinen ordentlichen, geregelten Schulunterricht. Gerade als Pädagoge weiß ich, wie schädlich und nachteilig der Schichtunterricht für die Kinder ist. Ich jedenfalls halte den Neubau von Schulen für wichtiger als den von Kasernen. Es fehlen noch 40 000 Klassenzimmer. Mit 4 Milliarden DM wäre die gesamte Schulraumnot in der Bundesrepublik beseitigt, doch die hat man nicht, aber 10 Milliarden für den Kasernenbau sind vorhanden. Ein Quartier für 5 Soldaten kostet soviel wie ein Klassenraum für 40 Schüler. Das Mißverhältnis zwischen den Ausgaben für die Schulen und dem Aufwand für eine mehr als problematische Aufrüstung ist offensichtlich. [] Weiterhin denke ich an den Bau von Jugend-, Lehrlings- und Studentenheimen. In meinem Berufe habe ich immer mit der Jugend zu tun und kenne daher ihre Nöte und Bedrängnisse. Ich halte sie im Durchschnitt nicht für schlechter als die frühere, nur anders ist sie, was zeitbedingt ist, wofür vielen aber das Verständnis fehlt. Daß viele ohne Elternhaus, ohne Vater und ohne Nestwärme aufwachsen, da die Mütter zur Arbeit gehen müssen, daß viele Flüchtlinge sind, daß viele Familien auseinandergerissen sind, ist doch nicht Schuld der Jugend! Kümmern wir uns um sie, bauen wir ihr Heime, geben wir ihr die Möglichkeit, diese Kriegsfolgen zu überwinden, helfen wir ihr bei einer sinnvollen Freizeitgestaltung, drohen wir ihr nicht dauernd mit dem Militärdienst, als der sogenannten "Schule für Manneszucht" Auch in den Ländern, in denen nie der Militärdienst abgeschafft worden war, ist die Jugend nicht anders als bei uns. [] Vergessen wir auch unsere Alten nicht, die- Invaliden und Rentner, denn auch sie haben ein Recht, menschenwürdig zu leben, auch für sie sollte der Lebensabend lebenswert sein. Denken wir an den Bau von würdigen Altersheimen! [] Ein Gemeinwesen, eine Stadt wie Köln, hat nicht nur die Pflicht, für die dringendsten sozialen Dinge ihrer Bürger zu sorgen, sondern sie muß sich auch eingedenk ihrer Tradition und der Anforderungen des modernen Lebens für Volksbildung und Kultur einsetzen. Daher muß sie die kulturellen Institutionen und Belange fördern, als da sind: Theater, Konzerte, Chorwesen, Museen, Volkshochschulen, Bildungsvereine sowie die Pflege des kölnischen Brauchtums, der kölnischen Mundart und der Volksbüchereien, die Bücherschrank für jedermann sein sollten. [] Wir waren zu Hause zu neun Kindern, und so habe ich von früh auf gelernt, mich anzupassen und füreinander einzustehen. Meine Lebenserfahrung und auch meine gewerkschaftliche und betriebsrätliche Tätigkeit haben mich zur Toleranz erzogen und zur Achtung vor der gleichberechtigten Überzeugung des andern. Es war immer mein Leitmotiv, zu handeln ohne Ansehen der Person, des Standes, der Partei und der Konfession, wie dies für jeden Sozialdemokraten selbstverständlich ist. [] Über die Kommunalpolitik hinaus denken Sie daran, daß die SPD die allgemeine Wehrpflicht wieder abschaffen will. Denken Sie daran, daß die Bundesregierung gegen die dauernden Preissteigerungen im Banne ihrer Interessenverbände nicht viel unternimmt. Prüfen Sie also ernstlich, wem Sie Ihre Stimme geben wollen, prüfen Sie gut, auf Sie kommt es an. [] Geben Sie mir und damit der Partei, die sich für den allgemeinen sozialen Fortschritt einsetzt, Ihre Stimme. [] Mit freundlichen Grüßen [] Ihr [] Bruno Aleft-Baumöller [] Kandidat der SPD im Wahlbezirk 19, Nippes I, Mauenheim [] DRUCKHAUS DEUTZ
Published:28.10.1956