Liebe Mitbürger! . Darf ich Sie bitten, diesen Brief zu lesen!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; WILHELM DOPATKA [] LEVERKUSEN, den 30. August 1953 [] Liebe Mitbürger! [] Darf ich Sie bitten, diesen Brief zu lesen! [] Wieder sind Wahlen und die Parteien legen Ihnen Ihre [!][ihre] Ansichten dar. Das ist gewiß notwendig. Aber Sie wollen si...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Dopatka, Wilhelm
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 30.08.1953 - 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/661C9878-C414-4F44-B78E-68BC37DE5E39
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; WILHELM DOPATKA [] LEVERKUSEN, den 30. August 1953 [] Liebe Mitbürger! [] Darf ich Sie bitten, diesen Brief zu lesen! [] Wieder sind Wahlen und die Parteien legen Ihnen Ihre [!][ihre] Ansichten dar. Das ist gewiß notwendig. Aber Sie wollen sicher auch wissen, welche Personen Sie im neuen Bundestag vertreten sollen. [] Als die sozialdemokratische Partei mich bat, für sie im Rhein-Wupper-Kreis zu kandidieren, fiel mir dieser Entschluß nicht ganz leicht. Nach 7 Jahren Wehr- und Kriegsdienst in einem Panzer-Regiment kehrte ich nach mehrmaligen Verwundungen in meine Heimat zurück und baute mit meiner Frau ein neues Heim und eine neue Existenz auf. Von der Arbeitssuche bis zur Wohnungsnot erlebte ich alle Schwierigkeiten, die heute Familien bedrücken. [] Weil ich glaube, daß die Erfahrungen der Kriegsgeneration auch im Bundestag gebraucht werden, folgte ich der Bitte meiner Parteifreunde. Welches diese Erfahrungen sind? [] Es gibt nichts Furchtbareres als den Krieg. Davor möchte ich unsere Kinder und auch meine Tochter bewahren. [] Ich kenne Rußland aus eigener Anschauung und weiß um die Gefahren aus dem Osten. Aber weder irrsinniges Wettrüsten, nach Phrasen von abendländischer Kultur können diese Gefahren bannen. [] Erst ein geeintes Europa der freien und gleichberechtigten Völker kann sich gegenüber Rußland behaupten. [] Erst ein Europa der sozialen Gerechtigkeit wird den Kommunismus überwinden. Die europäische Verteidigungsgemeinschaft ist praktisch schon tot. Durch ungleiche Behandlung des deutschen Volkes kann man kein gemeinsames Europa schaffen. [] Große kommunistische Parteien in Italien und Frankreich sind der Beweis für das schlechte soziale Gefüge dieser Länder. Die dort regierenden christlichen Demokraten haben das nicht verhindert. Die breiten Massen hungern dort. [] Soll die geplante Europa-Armee mit kommunistischen Partisanen durchsetzt werden? [] Frankreich selbst hat übrigens ein Verteidigungsbündnis mit Rußland! [] In Deutschland haben die Ostvertriebenen, die Frauen, die Kriegsteilnehmer und nicht zuletzt Kurt Schumacher die Kommunisten wirkungslos gemacht - und nicht die Herren Neu-Europäer von der Großindustrie und der Hochfinanz oder "Kulturapostel", die sich nach mittelalterlichen, abendländischen Zuständen sehnen. [] Wer den Frieden und Europa schaffen will, muß nach neuen Wegen suchen. [] Allen Verleumdungen zum Trotz: Die SPD hat eine klare Vorstellung darüber, wie man zu Europa und zum Frieden kommen kann. [] Gewiß haben Sie darüber schon gelesen oder Erich Ollenhauer gehört. [] Aber nicht nur guter Wille, sondern auch Erfahrung gehören zu einer wirkungsvollen Vertretung der Wähler im Bundestag. Die notwendigen Kenntnisse habe ich in langjähriger Tätigkeit als Stadtverordneter und Fraktionsvorsitzender der SPD im Leverkusener Stadtparlament sowie als ehrenamtlicher Aufsichtsratsvorsitzender der Gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft Leverkusen gesammelt. [] Seit langen Jahren wohne ich im Rhein-Wupper-Kreis und betreue als Gewerkschaftssekretär Betriebe im ganzen Kreisgebiet. Ich kenne jedes Dorf und jede Stadt und weiß auch um die besonderen Probleme der Kleinbauern und Kleingewerbetreibenden, deren wirtschaftliches Wohlergehen untrennbar mit dem Wohlstand der Lohn- und Gehaltsempfänger verbunden ist. [] Ich bin Protestant und weiß, daß man mit religiösen Gefühlen keine politischen Geschäfte machen darf. Weil wir in Deutschland allen Grund haben, das Gemeinsame zu betonen, ist mir die Toleranz in Glaubens- und Gewissensfragen ein Herzensanliegen. [] Ich kann im Rahmen dieses Schreibens nicht auf alle Fragen eingehen. In diesen Tagen aber wird Ihnen sicherlich manche aufklärende Schrift meiner Partei zugehen. Vielleicht auch wird in Ihrem Wohnbezirk eine Versammlung meiner Partei stattfinden. Darf ich Sie bitten, diese Schriften zu lesen und zu überdenken? Oder kann ich Sie gar in einer Versammlung begrüßen, um mich Ihnen persönlich vorzustellen? [] Ich würde mich freuen! [] Ihr Wilhelm Dopatka
Published:30.08.1953 - 06.09.1953