Warum ... bin ich Sozialdemokrat [Serie] . Günter Ossenbrügge

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; warum [] Günter Ossenbrügge [] wurde am 25. Dezember 1924 in Steinkirchen (Kreis Stade) geboren. Nach der Volksschule lernte er Einzelhandelskaufmann. 1942 wurde er zum Arbeitsdienst und anschließend zur Wehrmacht eingezogen. Als Panzergrenad...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Werbeagentur ARE (Harry Walter), Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand, Vorwärts-Druck, Bad Godesberg
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 28.09.1969
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/8ADB6DBB-EC50-4CA8-8EB5-F9A941ED40E7
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; warum [] Günter Ossenbrügge [] wurde am 25. Dezember 1924 in Steinkirchen (Kreis Stade) geboren. Nach der Volksschule lernte er Einzelhandelskaufmann. 1942 wurde er zum Arbeitsdienst und anschließend zur Wehrmacht eingezogen. Als Panzergrenadier kam er an die Ostfront und wurde viermal verwundet. Neben anderen Auszeichnungen erhielt er als Gefreiter und Kompanietrupp-Führer - mit 18 Jahren - das Eiserne Kreuz 1. Klasse. Nach kurzer Gefangenschaft konnte er wieder in seinem erlernten Beruf arbeiten. 1956 ging Günter Ossenbrügge als Unteroffizier zur Bundeswehr. Er ist jetzt Hauptfeldwebel im Kommando Depotorganisation (Heer). 1959 wurde er in den Bundesvorstand des Deutschen Bundeswehr-Verbandes e.V. gewählt. Seit 1964 ist er Mitglied der SPD und Ratsherr in Bad Neuenahr. Günter Ossenbrügge ist seit 1949 verheiratet. [] ... bin ich Sozialdemokrat [] Üppig waren die Verhältnisse bei uns zu Hause nie. Als Kriegsblinder des Ersten Weltkrieges bezog mein Vater eine Rente, die mit Hilfe eines kleinen Kolonialwarenladens aufgebessert werden mußte. Da mein Onkel in Hamburg mehrere Feinkostgeschäfte besaß, aber keinen Sohn hatte, lag der Gedanke nahe, daß ich eines Tages diese Geschäfte übernehmen sollte. So war es jedenfalls beschlossen und versprochen. Der Krieg hat dann alle diese Pläne zunichte gemacht. [] Meine Lehre als Einzelhandelskaufmann hatte ich gerade noch beenden können, ehe ich im April 1942 eingezogen wurde. Die folgenden drei Jahre war ich - soweit ich nicht im Lazarett lag - an der Ostfront. So wie ich haben damals Tausende ihre Jugendjahre verleben müssen, an keinem sind sie spurlos vorübergegangen. Darin sehe ich eine Garantie, daß unsere Generation es besser machen und die Fehler unserer Väter vermeiden wird. [] Beim Zusammenbruch lag ich in Thüringen im Lazarett. Ich konnte vor den heranrückenden Amerikanern fliehen und mich bis in meine Heimat durchschlagen, wo ich dann allerdings doch noch in Gefangenschaft geriet. Im Herbst 1945 wurde ich wieder entlassen. Für mich war der Krieg zu Ende. Ich stand vor dem Nichts. Mein Onkel war mit seiner Familie im Bombenkrieg umgekommen, die Hamburger Geschäfte lagen in Trümmern. Die alten Pläne waren also nicht mehr zu verwirklichen. Nach einem kurzen Zwischenspiel in der Landwirtschaft gelang es mir, im Lebensmittelhandel Fuß zu fassen. Die Laufbahn eines Kaufmanns lag vor mir. [] Politik spielte damals keine Rolle für mich - meine Freizeit gehörte dem Sport. Das bedeutete natürlich nicht, daß ich mir keine Gedanken über die Politik gemacht hätte, über unsere Demokratie und ihre Zukunft. Ich hatte sehr wohl begriffen, daß die demokratische Staatsform den besten Schutz darstellt gegen eine Wiederkehr der Diktatur in Deutschland. Ich war mir auch klar darüber, daß man die Politik nicht anderen allein überlassen darf, wenn die Demokratie funktionieren soll. Nur wenn der Staatsbürger bereit ist, an seinem Platz seinen Teil der Verantwortung für das Ganze zu tragen, kann sich die Demokratie gegen ihre Widersacher behaupten. Zunächst aber mochte ich aus solchen Überlegungen keine Konsequenzen ziehen. [] Sie trugen jedoch wesentlich zu meinem Entschluß bei, zur Bundeswehr zu gehen. Denn auch bei der Bundeswehr kommt es in erster Linie auf das staatsbürgerliche Verantwortungsbewußtsein an: auf die Bereitschaft des Staatsbürgers, sich mit der ganzen Person für die Verteidigung seines Staates, der Bundesrepublik Deutschland, einzusetzen. Eine Bundeswehr, die nicht auf dieses Verantwortungsbewußtsein, sondern etwa nur auf die Lust am Soldatspielen gegründet wäre, könnte für unsere Demokratie nicht taugen. [] 1956 wurde ich als Unteroffizier zunächst Rekrutenausbilder bei der Feldzeugtruppe im Gerätedepot Hesedorf bei Bremervörde. 1963 kam meine Versetzung zum Kommando Deportorganisation (Heer) in Bad Neuenahr. Hier ist es meine Aufgabe, für die Zuweisung von Munition an die Versorgungseinheiten, also für den Munitionsnachschub, zu sorgen. [] Da die Soldaten in der Demokratie nach meiner Auffassung für ihre Belange selbst einzutreten haben, bin ich 1957 Mitglied des Bundeswehr-Verbandes geworden. Dieser Verband ist ein parteipolitisch neutraler Zusammenschluß der Berufs- und Zeitsoldaten. Er hat die Aufgabe, wie es in der Satzung heißt, "die allgemeinen, ideellen und wirtschaftlichen Belange der Soldaten der Bundeswehr, ihrer Familienangehörigen und ihrer Hinterbliebenen wahrzunemen" [!]. 1959 wurde ich in den Bundesvorstand gewählt. Die Arbeit, die mit diesem Ehrenamt verbunden ist, tue ich deshalb besonders gern, weil sie einmal dazu dient, die Interessen der Soldaten in unserem Staat zur Geltung zu bringen - etwa wenn es um Besoldungsfragen oder um das Wohnungsproblem geht - und weil sie zum anderen deutlich macht, daß die Bundeswehr keine Sonderrechte für sich beansprucht, sondern sich als Bestandteil unseres demokratischen Staatsgefüges versteht. [] Das wird vielleicht noch deutlicher durch die Tatsache, daß sich heute viele Soldaten in den politischen Parteien betätigen. Mein Entschluß, der SPD beizutreten, war nicht über Nacht gereift. Ich hatte nach dem Zusammenbruch erlebt, was die SPD in den Ländern Niedersachsen, Hamburg und Bremen beim Wiederaufbau leistete. Schon damals hatte sie meine Sympathien. Dann kam 1959 das Godesberger Programm. Hier war die positive Einstellung der SPD zur Landesverteidigung so deutlich hervorgetreten, daß seither niemand mehr das Ja der Partei zur Bundeswehr in Zweifel ziehen kann. Es kam die Flutkatastrophe im Frühjahr 1962. Zusammen mit meinen Kameraden wurde ich bei der Bekämpfung der Flut an der Unterelbe eingesetzt. Da wurde ich auf einen Mann aufmerksam, der sich große Verdienste um die vom Wasser bedrohten Menschen erwarb. Es war Helmut Schmidt, der damalige Innensenator der Hansestadt Hamburg. Durch seine unerschrockene Tatkraft gewann er in der gesamten Bundeswehr hohes Ansehen. Das Vorbild dieses Mannes war auch für mich entscheidend. [] Als dann hier in Bad Neuenahr die Parteien an uns herantraten und um unsere Mitarbeit bei der Lösung der kommunalen Probleme baten, war es für mich keine Frage mehr, welcher Partei ich beitreten würde. [] So wurde ich 1964 Mitglied der SPD und kandidierte mit Erfolg für den Stadtrat von Bad Neuenahr. Bei dieser Wahl konnte die SPD ihre Ratssitze von vier auf sieben erhöhen. Im Stadtrat kann es nicht nur meine Aufgabe sein, die Wünsche und Interessen meiner Kameraden und ihrer Familien zu vertreten. Hier geht es um die Interessen aller Bürger unserer Stadt. Wir, meine Freunde in der SPD-Fraktion und ich, haben beispielsweise dafür gesorgt, daß neue Spielplätze angelegt wurden und daß ein neuer Kindergarten gebaut wurde. Die Erweiterung unserer Schulen ist vorgesehen. Ein neuer Sportplatz befindet sich bereits im Bau. Ein Hallenschwimmbad ist geplant, mit dem Bau soll schon demnächst begonnen werden. Dahinter steckt eine Unmenge Arbeit, von der sich ein Außenstehender wohl selten eine richtige Vorstellung machen kann. Es ist aber eine Arbeit, die sich lohnt, denn man sieht, daß es in unserer Stadt vorangeht. [] Als Vorstandsmitglied des Bundeswehr-Verbandes habe ich mich häufig mit Problemen zu befassen, die der gesetzlichen Regelung durch den Bundestag bedürfen. Gegenwärtig geht es um die Besoldungsordnung und um das Stabsfeldwebel-Problem, die sogenannte vierte Laufbahn. Bei dieser Arbeit ergeben sich Kontakte zu allen Fraktionen des Bundestages. Am intensivsten hat sich verständlicherweise meine Zusammenarbeit mit den Abgeordneten unserer Partei entwickelt, insbesondere mit den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses Willi Berkhan und Detlef Haase. Bei diesen hervorragenden Kennern der militärpolitischen Materie finde ich immer ein offenes Ohr für die Sorgen der Soldaten. Mit ihrem Eintreten für die Bundeswehr geben sie uns Soldaten die Gewähr, daß wir nicht nur im Wahljahr umworben werden, sondern daß wir auf das beständige Interesse des deutschen Parlaments zählen dürfen. Nichts wäre verhängnisvoller, als wenn die Soldaten das Gefühl haben müßten, mit ihren Sorgen von unserer Volksvertretung alleingelassen zu werden. [] Die Bundeswehr ist kein Staat im Staate. Sie ist ein Bestandteil unserer demokratischen Gesellschaft. Das beweist auch die Tatsache, daß die NPD ohne nennenswerten Anklang in der Bundeswehr geblieben ist. Es muß alles getan werden, damit das in Zukunft so bleibt. Mit meiner Arbeit in der SPD hoffe ich, meinen Beitrag dazu zu leisten. [] Ihr Günter Ossenbrügge [] Herausgeber: Vorstand der SPD, Bonn
Published:28.09.1969