Liebe Wählerin, lieber Wähler!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Liebe Wählerin, lieber Wähler! [] Sie haben die Aufgabe, am 6. September, den Mann Ihres Vertrauens in den Bundestag zu wählen. [] Da ich durch meine Freunde in der Sozialdemokratischen- Partei mit der Kandidatur für den Kreis Ravensburg/ Tet...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Müller, Karl, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Druckhaus Friedrich-Ebert-Bau, Stuttgart
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/A6C258DD-B5E3-47F4-AD62-D7022727A711
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Liebe Wählerin, lieber Wähler! [] Sie haben die Aufgabe, am 6. September, den Mann Ihres Vertrauens in den Bundestag zu wählen. [] Da ich durch meine Freunde in der Sozialdemokratischen- Partei mit der Kandidatur für den Kreis Ravensburg/ Tettnang betraut wurde, möchte ich Ihnen einige persönliche Daten über meinen Werdegang mitteilen. [] Ich bin am 11. Januar 1897 in Glatt als Ältester von zehn Kindern aus einer bäuerlichen Familie hervorgegangen, erlernte das Schlosserhandwerk und arbeitete in verschiedenen Betrieben in allen Teilen Deutschlands. Seit über zehn Jahren bin ich als kaufmännischer Angestellter bei der OMIRA Ravensburg tätig. [] Nach 1948 stellte ich mich sofort für die Wiederaufbauarbeiten im Lande Württemberg-Hohenzollern zur Verfügung. Ich wurde 1947 durch das Vertrauen meiner Wähler Mitglied des württ.-hohenz. Landtags. Seit 1948 gehöre ich auch dem Stadtrat in Ravensburg an. In diesen wurde ich 1951 wiedergewählt und gleichzeitig mit einem Mandat für den Kreistag beauftragt. Meine Haupttätigkeit widmete ich der Neuorganisation der Gewerkschaften. Seit 1947 bin ich Vorsitzender des Kreisausschusses der Gewerkschaften in Ravensburg. Bei der Neugründung der Konsumgenossenschaft Oberschwaben war ich führend tätig und bin auch heute noch Aufsichtsratsvorsitzender dieser Genossenschaft. 1952 wurde ich Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung im neuen Land Baden-Württemberg. Ich bin dort im Finanz-, Landwirtschafts- und Ernährungsausschuß besonders tätig. Diese Arbeit entspricht völlig dem Aufgabenkreis, der mir durch die Zusammensetzung meines Wahlkreises gestellt ist. [] Ich habe es als meine Lebensaufgabe angesehen, die wirtschaftlichen Verhältnisse der schaffenden Menschen besser zu gestalten und hoffe, damit dem großen Ziel der Erhaltung des inneren Friedens in der Bundesrepublik und dem größeren Frieden als Grundlage einer besseren Zukunft am besten zu dienen. [] Wenn Sie mir Ihr Vertrauen schenken wollen, so danke ich Ihnen und werde mich bemühen, dasselbe zu rechtfertigen. [] Ihr [] Karl Müller [] Das Ergebnis der Bundestagswahl von 1949 war eine Regierung, die innenpolitisch gegen die SPD und außenpolitisch ohne die SPD regierte [] Die Folge war eine zunehmende Verschärfung der Gegensätze im Innern, außenpolitisch aber eine bedenkliche Aufspaltung deutscher Politik. [] Einige Tatsachen zur Innenpolitik: [] Die Umsatzsteuer wurde von 2% auf 4% erhöht. [] Die Folge: eine enorme Belastung des Haushaltungsgelds der breiten Verbraucherschichten. Eine gerechte Steuerpolitik schont die wirtschaftlich Schwachen und zieht die wirtschaftlich Starken mehr heran. Die Bundesregierung aber machte das Gegenteil, sie erhöhte die Verbrauchssteuern und ermäßigte die direkten Steuern. Wie die Einnahmen des Bundes gedeckt wurden, zeigt folgende Tabelle. [] 1949 zu 48% aus Eink.-Steuern = direkte Steuern, [] zu 52% aus allgem. Verbrauchssteuern [] 1951 zu 39% aus Eink.-Steuern = direkte Steuern, [] zu 61% aus allgem. Verbrauchssteuern [] Die kleinen Sparer wurden bei der Währungsreform enteignet, das Aktienkapital dagegen wurde geschont. Folgende Übersicht zeigt das klar: [] Spareinlagen des Volkes [] 1 Tag vor der Währungsreform 71 Milliarden [] 1 Tag nach der Währungsreform 3,6 Milliarden [] Aktienbesitz [] 1 Tag vor der Währungsreform 21 Milliarden [] 1 Tag nach der Währungsreform 17 Milliarden [] Trotz aller Propaganda um das sogenannte deutsche Wirtschaftswunder hinken die Löhne hinter den Kapitalgewinnen drein. Während die industrielle Lohnquote von 1936 auf 1951 um mehr als 10 % fiel, stieg die Bruttogewinnquote im selben Zeitraum um mehr als 10 % an. [] Eine vierköpfige Arbeiterfamilie muß 44%, eine zwei/dreiköpfige Rentnerfamilie sogar 50,5% ihres Einkommens allein für Lebensmittel ausgeben. Steigende Preise und Verbrauchssteuern machten jede kleine Erhöhung des Lohnes wett. Die Rentenempfänger werden durchweg mit viel zu niederen Renten abgespeist. [] 931000 Angest.-Vers.-Rentner erhalten durchschn. 70.70 DM [] 3,2 Millionen Sozialrentner erhalten durchschn. 58.50 DM [] 1.8 Millionen Fürsorgeempfänger erhalten ganze 38.- DM [] insgesamt sind es etwa sechs Millionen Menschen, die mit ihren Angehörigen von Bezügen leben müssen, die unter dem Existenzminimum liegen. Auf der anderen Seite ermöglichte es die Steuerpolitik der Bundesregierung, daß über 10000 Personen noch Abzug ihrer Steuern [] über ein Einkommen von mehr als 65000 DM [] verfügen können, und dies noch einer Währungsreform, nach der alle mit 40.- DM in der Hand dastanden. Im sozialdemokratisch regierten Schweden geht es gerechter zu. Dort ehrt man das Alter durch eine Volkspension von 4886.- Kronen = 3909,- DM im Jahr. Während bei uns an den notwendigsten Sozialausgaben gespart wird, behauptet Bundesfinanzminister Dr. Schäffer, ohne neue Steuern [] 10 Milliarden für die neue Aufrüstung [] aufbringen zu können. Gegen denselben Minister erzwang die SPD auch die Senkung der Kaffee- und Teesteuer. Immer mußte es zu Kampfabstimmungen im Bundestag kommen, bevor sich die Regierungsparteien zu kleinen Verbesserungen bereit fanden. Meist aber wurden die Vorschläge der SPD stur niedergestimmt. [] Es ist derselbe Pharisäer-Geist, [] der auch in der Außenpolitik den Gegensatz zwischen Regierung und Opposition immer scharfer hervortreten ließ. Von Anfang an betrieb die Regierungskoalition unter dauernder Ausschaltung der SPD ihre sogenannte [] Politik der Stärke. [] Man behauptet, nur dadurch könne man Rußland zum Entgegenkommen zwingen. Diese Auffassung wurde durch die jüngsten Ereignisse glatt widerlegt. Durch diese Politik kam immer wieder [] neues Elend über die Menschheit [] und die Gefahr, daß es auch diesmal so sein wird, ist viel größer, als man wahrhaben will. [] Wir warnen das Volk vor Adenauers Rüstungspolitik! [] Jede Regierung, die sich einbildet, sich nur auf Divisionen verlassen zu brauchen, hat diese Auffassung mit dem Blut ihres Volkes bezahlen müssen. [] Wollt Ihr wieder Kanonen statt Butter? [] Wer mit seinem Stimmzettel die Fortsetzung dieser CDU-Politik ermöglicht, lädt eine ungeheure Verantwortung auf sich. [] Noch ein Wort zum sogenannten "Nein-Sagen der SPD": Wir nehmen diesen Vorwurf deshalb ernst, weil er für viele Wähler etwas Bestechendes haben mag. Die Außenpolitik der Bundesregierung war keine Politik aus deutschem Willen, sondern war der Wunsch der westlichen Alliierten. Unsere Hinweise auf die Verfassungswidrigkeit dieser Politik wurden in den Wind geschlagen. Die von uns beantragte [] Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde hintertrieben. [] Da diese Entscheidung immer noch aussteht, kann die SPD aus politischen und verfassungsrechtlichen Gründen dieser Politik weder ganz noch teilweise folgen. Unser Nein ist die logische Folge des Verhaltens des Bundeskanzlers und seiner Regierung, die ausländische Presse und Staatsmänner besser unterrichtete als die eigenen Landsleute. [] Dr. Kurt Schumacher sagte einmal: "Wenn einer seine Jacke beim ersten Knopf falsch zumacht, dann ist nachher der ganze Anzug nicht in Ordnung." So ist es auch mit der Außenpolitik Adenauers. [] Liebe Wählerinnen und Wähler! Sie werden in diesen Tagen viel Propagandamaterial erhalten. Für die CDU wird es von der Industrie bezahlt, denn diese Kreise haben ein lebhaftes Interesse an der Fortsetzung dieser Politik. [] Wir können Sie nur noch einmal auf die Ergebnisse der letzten vier Jahre verweisen und Sie aufrufen, daraus auch politische Schlußfolgerungen zu ziehen. Es liegt in Ihrer Hand, diesen Kurs zu ändern. Die SPD und ihre Kandidaten versprechen keine Wirtschaftswunder für die oberen Zehntausend, sondern arbeiten unermüdlich für das große Ziel: Soziale Sicherheit für alle für Frieden in Freiheit. [] Wählen Sie den Kandidaten und die Liste der SPD [] Druckhaus Friedrich-Ebert-Bau, Stuttgart
Published:06.09.1953