Pfarrer Niemöller und der Bruderrat der Bekennenden Kirche gegen die Kriegsvorbereitungen in Westdeutschland

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Pfarrer Niemöller und der Bruderrat der Bekennenden Kirche gegen die Kriegsvorbereitungen in Westdeutschland [] Der Bruderrat der Bekennenden Kirche hat auf seiner Tagung am 3. und 4. Oktober 1950 in Darmstadt den folgenden Brief an Adenauer...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Nationale Front des Demokratischen Deutschland, Nationalrat
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 10.1950
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/F1C323EA-F953-430D-A88C-91FA714DDBF3
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Pfarrer Niemöller und der Bruderrat der Bekennenden Kirche gegen die Kriegsvorbereitungen in Westdeutschland [] Der Bruderrat der Bekennenden Kirche hat auf seiner Tagung am 3. und 4. Oktober 1950 in Darmstadt den folgenden Brief an Adenauer gerichtet: [] "Herr Bundeskanzler! Angesichts der Wiederaufrüstung, die unter Ihrer Autorität allenthalben mit Nachdruck anläuft, müssen wir Sie fragen: [] 1. Sie haben als Bundeskanzler die Bereitschaft erklärt, im Rahmen einer europäischen Armee deutsche Truppenkontingente zur Verfügung zu stellen. Wer hat Ihnen das Recht zu einer solchen Erklärung gegeben? Als die Bevölkerung 1949 ihre Vertreter in den Bundestag entsandte, der Ihnen das Kanzleramt übertrug, gab sie damit weder den Mitgliedern des Bundestages, noch Ihnen den Auftrag, uns wieder aufzurüsten. [] Wir stellen fest: Die Wiederaufrüstung geschieht nicht im Namen des deutschen Volkes, sondern in Ihrem eigenen Namen und im Auftrage Ihrer Befehlshaber gegen den Willen eines großen Teiles unseres Volkes. [] 2. Wir haben zuverlässige Nachricht, daß am 1. Oktober dieses Jahres Generäle der alten deutschen Wehrmacht in einem Organisationsstab die Aufstellung eines deutschen Truppenkontingents erörtert haben und die Rüstungsindustrie entsprechende Aufträge erhielt. Dies alles geschieht nach monatelangen Vorbereitungen hinter dem Rücken des deutschen Volkes, das im unklaren gelassen wird, wieweit hier ohne seinen Willen Tatsachen geschaffen wurden, die nicht wieder rückgängig zu machen sind. [] Ist das die Demokratie, in der wir leben sollen und wollen? Dieses Verfahren bringt unser Volk wieder in die Gefahr, ohne gefragt zu werden, von seinen Politikern und von Generälen der alten deutschen Wehrmacht auf die Schlachtfelder geführt zu werden. [] Wir fordern Sie daher auf, den Weg für Neuwahlen des Bundestages frei zu machen, in denen das deutsche Volk selbst entscheidet, ob es wieder aufgerüstet werden will. Sie sollen wissen, Herr Bundeskanzler, daß wir die über den Kopf unseres Volkes hinweg geschaffenen Tatsachen nicht anerkennen. Wir werden nichts unterlassen, um alle, die unsere Stimme erreicht, über diese Vergewaltigung unseres Volkes aufzuklären." [] In einem Privatbrief des hessischen Kirchenpräsidenten Dr. Niemöller an Adenauer heißt es u. a.: [] "Herr Bundeskanzler! Trotz aller gegenteiligen Zeitungsnachrichten wird die Remilitarisierung Westdeutschlands, d. h. die Wiederaufrüstung deutscher Menschen für einen möglichen Krieg zwischen Ost und West mit allen Mitteln betrieben. Hohe Offiziere werden eingestellt. Organisationsstäbe zur Aufstellung deutscher Einheiten innerhalb einer europäischen Armee sind ab 1. Oktober dieses Jahres tätig. Rüstungsaufträge an die deutsche Industrie sind erteilt. Es hält sich hartnäckig die Behauptung, daß zwischen dem Bundeskanzler, der nach der Verfassung die Richtlinien der Politik bestimmt, und Herrn McCloy und vielleicht auch dem britischen Oberkommissar Abmachungen bestehen, wonach alsbald eine ganze Anzahl deutscher Divisionen aufzustellen ist, als deutscher Beitrag für eine westeuropäische Streitmacht, die der 'Verteidigung' dienen soll. [] Daß das deutsche Volk von diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs einer solchen Aktion des Bundeskanzlers in seiner Mehrheit zustimmen könnte, ist nach vorgenommener privater Probeabstimmung äußerst fraglich. Eine offizielle Volksbefragung ist durch die Bundesverfassung nicht vorgesehen. [] Diese Verfassung ist ja so geschickt gearbeitet, daß das deutsche Volk wieder in einen Krieg hineingestürzt werden kann, ohne daß es zuvor überhaupt gefragt wird. [] Und diese Verhinderung des deutschen Volkes ist nichts Neues. [] Die evangelische Kirche in Deutschland hat keine Zweifel gelassen, daß sie einer Remilitarisierung nicht das Wort reden könne. Darüber hinaus werden sich ev. Christen jeder Remilitarisierung praktisch widersetzen und sich darauf berufen, daß ihnen die Bundesverfassung dieses Recht gibt. Und wenn ihnen durch eine Verfassungsänderung dieses Recht endlich entzogen werden sollte, so werden wir uns wieder einmal darauf berufen müssen, daß man Gott mehr gehorchen muß als den Menschen. [] Vor den Augen und Ohren des gesamten deutschen Volkes bitte ich Sie, Herr Bundeskanzler, in dieser entscheidenden Stunde nicht vollendete Tatsachen zu schaffen, ohne eine vorherige echte Befragung der Bevölkerung des Bundesgebietes. Wenn diese Befragung auf Grund der Bundesverfassung nicht als Volksabstimmung geschehen kann, so müßten Neuwahlen vorgenommen werden. [] Diese Neuwahlen hätten aber so zu geschehen, daß die deutsche Bevölkerung in der Lage ist, die von ihr zu wählenden Kandidaten eindeutig zu fragen, ob sie sich in ihrer Amtsführung für oder gegen diese 'Wiederaufrüstung' einsetzen werden. [] Wenn der gegenwärtige Bundestag über diese Frage entscheidet, so käme das einem Volksbetrug gleich, da keiner der Wähler bei der Wahl im Sommer 1949 die Absicht gehabt hat, dem deutschen Bund die Vollmacht zu einer Kriegsrüstung oder gar Beteiligung zu geben. Wenn die westlichen Alliierten von Westdeutschland einen Beitrag an Waffen und Soldaten verlangen, sollen sie das selber öffentlich befehlen und sich nicht hinter einer deutschen Demokratie verstecken. [] gez. Dr. Martin Niemöller." [] Deutsche Friedensfreunde und deutsche Patrioten einig im Kampf für das Leben der Nation [] Diese beiden Dokumente sprechen eine deutliche Sprache! Der Bruderrat klagt Adenauer und die Kriegstreiber von Bonn an, daß sie "hinter dem Rücken des deutschen Volkes" die westdeutsche Jugend erneut in ein fürchterliches Blutvergießen hineintreiben wollen. Und der hessische Kirchenpräsident Dr. Niemöller stellt fest, daß "Rüstungsaufträge an die deutsche Industrie" (d. h. an die westdeutsche!) erteilt sind und spricht in seinem Brief von einem "Volksbetrug"! [] Die Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik hat für die Forderung Dr. Niemöllers, bei einer Neuwahl zum Bundestag der deutschen Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, "die von ihr zu wählenden Kandidaten eindeutig zu fragen, ob sie sich in ihrer Amtsführung für oder gegen diese 'Wiederaufrüstung' einsetzen werden", das vollste Verständnis. Sie hat von diesem demokratischen Grundrecht in der Wahlkampagne zur Vorbereitung der Volkswahl am 15. Oktober in allen Versammlungen Gebrauch gemacht. Jeder Kandidat für die Volkswahl mußte sieh für eine konsequente Friedenspolitik festlegen. [] Alle wahrhaften und ehrlichen deutschen Patrioten werden deshalb die Erklärung des Bruderrates der Bekennenden Kirche und die ebenso unmißverständlichen wie tapferen Worte des Herrn Kirchenpräsidenten Dr. Niemöller mit freudiger Zustimmung und Dankbarkeit aufgenommen haben. [] Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik ist bereit, die friedliebende Bevölkerung Westdeutschlands mit ganzem Herzen und mit allen Kräften zu unterstützen und im Interesse des deutschen Volkes für den Frieden und damit für das Leben der Nation einzutreten. [] Sie verwirklicht in diesem Kampf das Programm der Nationalen Front des demokratischen Deutschland. [] Nationalrat der Nationalen Front des demokratischen Deutschland
Published:10.1950