Zentrum und politische Neuordnung

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Zentrum [] und politische Neuordnung [] 20. November 1918. [] Die in Berlin anwesenden Mitglieder der Zentrumsfraktion des Deutschen Reichstags und der beiden Häuser des Preußischen Landtags erlassen, im Einvernehmen mit leitenden Personen der...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Christliche Volkspartei (CVP), Germania Aktien-Gesellschaft für Verlag und Druckerei, Berlin
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 20.11.1918
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/81323ECF-3133-468B-BD79-5340EFF086B0
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Zentrum [] und politische Neuordnung [] 20. November 1918. [] Die in Berlin anwesenden Mitglieder der Zentrumsfraktion des Deutschen Reichstags und der beiden Häuser des Preußischen Landtags erlassen, im Einvernehmen mit leitenden Personen der rheinischen und westfälischen Zentrumsparteien, gemeinsam mit Vertretern der Zentrumspresse, der christlichen Arbeiterorganisationen, des Volksvereins für das katholische Deutschland, Mitgliedern der Bauernvereine und Vertreterinnen der im Zentralrat vereinigten katholischen Frauenbünde folgenden [] Aufruf! [] Weltkrieg und Revolution haben das alte Deutschland zertrümmert. In Sturm und Drang wird ein neues geboren. Ein freier sozialer Volksstaat soll es werden, in dem sich alle deutschen Stämme, alle Klassen und Stände, alle Bürger ohne Unterschied des Glaubens und der Parteizugehörigkeit wohlfühlen können. Dieses neue Deutschland zu schaffen, ist Aufgabe des Gesamtvolkes, nicht einer Parteidiktatur. Alle Parteien wollen und müssen dabei sein. Dazu bedürfen aber die alten Parteien einer inneren und äußeren Erneuerung. [] Ein neues Zentrum [] muß und wird entstehen im Wandel dieser Tage. Rückhaltloses Bekenntnis zum demokratischen Volksstaat, Bekämpfung jedweder Klassenherrschaft, Ordnung in der Freiheit, offene Absage an den Mammonismus und Materialismus unserer Tage, Pflege der ideellen Werte, die Volk und Staat erst gesund machen: das sind die fundamentalen Grundsätze seiner Erneuerung [] als christlich-demokratische Volkspartei. [] Alle Volksschichten, Männer und Frauen, die zu diesen Grundsätzen sich bekennen und mit dieser Parole in die Wahlen zur Nationalversammlung eintreten wollen, soll das neue Zentrum erfassen. Das Zentrum darf nicht untergehen. Es muß mit neuen Zielen und auf breiterer Grundlage weiterbestehen. Es muß zu neuer Blüte geführt werden. [] Wir unterbreiten für diese politische Um- und Neubildung vorläufig und vorbehaltlich späterer endgültiger Festsetzung von Namen und Programm durch die neu zu schaffenden Parteinstanzen folgende [] Leitsätze [] I. Außenpolitik [] 1. Baldigster Abschluß des Weltfriedens, der Verständigung und Versöhnung der Völker und sofortige Herbeiführung eines Präliminarfriedens. [] 2. Regelung der Beziehungen der Völker und Staaten zu einander durch das ewige Recht, nicht durch die Gewalt. Durchführung eines den christlichen Grundsätzen entsprechenden Völkerrechtes. [] 3. Schaffung eines Völkerbundes mit Gleichberechtigung der kleinen und großen Völker unter Einführung der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit für alle Streitigkeiten. Gegenseitige und gleichzeitige weitergehende Abrüstung. [] 4. Schutz der nationalen Minderheiten in allen Staaten. [] 5. Völlige Erneuerung des auswärtigen Dienstes in persönlicher und sachlicher Hinsicht. Abschaffung der Geheimverträge. [] 6. Vollkommene, durch völkerrechtliche Bürgschaften gesicherte Unabhängigkeit des Heiligen Stuhles. [] 7. Wirtschaftliche Entwicklungsfreiheit und Gleichberechtigung für alle Völker. Freiheit der Meere. [] 8. Internationale Regelung des Arbeiterrechtes, des Arbeiterschutzes und der Arbeiterversicherung. Gleiche Maßnahmen für die Angestellten. [] 9. Schaffung eines den deutschen Bedürfnissen genügenden Kolonialgebietes. Förderung der Erziehung und Christianisierung der Eingeborenen. Beseitigung jeder Form der Sklaverei. [] II. Innenpolitik [] A. Verfassung. [] 1. Schleunige Einberufung der Nationalversammlung. [] 2. Vereinigung der deutschen Stämme zu einem vom starkem Nationalbewußtsein getragenen Volksreich. [] 3. Wahrung der Eigenart der deutschen Stämme. [] 4. Gleiches Wahlrecht mit Verhältniswahl und Frauenwahlrecht im Reich, in den Bundesstaaten und in den Gemeinden. [] 5. Unabhängige, auf dem Vertrauen der Volksvertretung beruhende Volksregierung mit starker Vollzugsgewalt an der Spitze im Reich und in den Bundesstaaten. [] 6. Schaffung der Verfassung durch die Nationalversammlung. [] 7. Gleiches Recht aller Volksschichten auf Teilnahme an der Verwaltung aller öffentlichen Angelegenheiten ohne Kastengeist und Klassenbevorzugung. [] 8. Erhaltung eines unabhängigen, in seiner Lebensstellung gesicherten Berufsbeamtentums. [] 9. Schutz der politischen Minderheiten. [] 10. Freiheit der Meinungsäußerung in Wort und Schrift, Versammlungs- und Vereinsfreiheit. [] B. Wirtschafts- und Sozialpolitik. [] 1. Ausbau und Regelung der Volkswirtschaft aus der produktiven Arbeit im Dienste des Gemeinwohls unter grundsätzlicher Erhaltung des Privateigentums auch an Produktionsmitteln. Aufrechterhaltung unserer Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt. Ersatz der privatkapitalistischen Monopole durch gemeinwirtschaftliche Ordnung. Schaffung und Erhaltung eines kräftigen Bauernstandes und Förderung unserer landwirtschaftlichen Eigenproduktion zur Sicherung unserer Volksernährung. Regelung und Kontrolle des Warenmarktes der Massenbedarfsgüter nach gesunden wirtschaftlichen Grundsätzen unter Berücksichtigung der Kaufkraft der Bevölkerung. [] 2. Schutz und Förderung der einzelnen Erwerbsstände als notwendiger Glieder eines gesunden Wirtschaftskörpers. Entschiedene Bevorzugung des Gemeinwohls vor allen Privat- und Standesinteressen. Fortführung der Sozialpolitik für die städtische und ländliche Bevölkerung. Schärfste Bekämpfung jeglischen Wuchers. Erhaltung und Stärkung eines lebenskräftigen Handwerkerstandes. Schutz der berechtigten Interessen der Kaufmannschaft. [] 3. Gemeinnützige Bodenpolitik. Innere Kolonisation. Durchgreifende Wohnungs- und Siedelungsreform. [] 4. Grundsätzliche Verteilung der Steuerlast nach der Leistungsfähigkeit, schärfste steuerliche Erfassung der hohen Einkommen und großen Vermögen, besonders der Kriegsgewinne des unverdienten Wertzuwachses. [] 5. Gewissenhafte Fürsorge für die Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen. Einführung eines neuen Heimstättenrechtes unter besonderer Berücksichtigung der Kriegsteilnehmer. [] C. Kulturpolitik. [] 1. Erhaltung und Kräftigung des christlichen Kulturideals im deutschen Volksleben. [] 2. Erhaltung und Förderung der deutschen christlichen Familie. Durchgreifende Bevölkerungspolitik. Schutz des Kindes. [] 3. Erneuerung des Bildungs- und Erziehungswesens im Sinne einer einheitlichen deutschen Kulturpolitik unter Anwendung und Ausnutzung der sittlichen und religiösen Erziehungskräfte. Erhaltung der konfessionellen Volksschule, Wahrung des Rechtes der Eltern auf die Kinder. [] 4. Freie Entfaltung und Wirkungsmöglichkeit für alle Freie Bahn zum Aufstieg der Tüchtigen aus allen Volksschichten. [] 5. Heranziehung der Frauen auf allen Gebieten unter Auswertung der weiblichen Eigenart. [] 6. Gewissensfreiheit, Freiheit der Religionsübung. Gleiche Berücksichtigung der Angehörigen der verschiedenen Glaubensbekenntnisse aus allen Gebieten. Freiheit der Kirchengesellschaften, der kirchlichen Genossenschaften und Vereine, der katholischen Orden und Kongregationen. Keine gewaltsame Änderung der staatlich-kirchlichen Rechtsverhältnisse, Rücksichtnahme ans die Ueberzeugung und die rechtlichen Ansprüche der kirlich gesinnten Volkskreise. [] Wir bitten politische und andere Körperschaften ebensowohl wie Einzelpersonen um Kundgebung ihrer Zustimmung oder um Meinungsäußerung an den Generalsekretär Reichstagsabgeordneten Dr. Pfeiffer, Berlin W. 8, Französische Str. 62 II Druck der Germania, Aktien-Gesellschaft für Verlag und Druckerei, Berlin C 2, Stralauer Straße 25
Published:20.11.1918