Rede Erich Ollenhauers

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Rede Erich Ollenhauers [] vor dem Bezirksparteitag Hamburg-Nordwest [] der Sozialdemokratischen Partei am 22. Juni 1947 in Hamburg [] Das Leben oder Sterben des deutschen Volkes ist ein europäisches und ein internationales Problem, und es kan...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt Auerdruck GmbH
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 22.06.1947
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/CB1F6C9D-0CB9-4060-9273-7B95083AB02A
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Rede Erich Ollenhauers [] vor dem Bezirksparteitag Hamburg-Nordwest [] der Sozialdemokratischen Partei am 22. Juni 1947 in Hamburg [] Das Leben oder Sterben des deutschen Volkes ist ein europäisches und ein internationales Problem, und es kann nur gelöst werden durch eine gemeinsame Anstrengung der demokratischen Kräfte in der Welt und der demokratischen Kräfte in Deutschland selbst. [] "Ich mochte wissen, was in Deutschland geschieht, wenn die deutsche Sozialdemokratie nicht besteht?", so fragte der Norweger Haakon Lie Dr. Schumacher auf dem internationalen Sozialistenkongreß in Zürich [] Wir haben die Sonnenwende gefeiert, aber ich glaube, viele Menschen in Deutschland haben das in diesem Jahre mit dem Gefühl einer verstärkten Sorge und Beklemmung getan, denn nun werden die Tage wieder kürzer, und wir kommen dem nächsten Winter näher. Das war in normalen Zeiten ein Vorgang, den viele Millionen von Stadtmenschen in Deutschland kaum bewußt erlebten. Jetzt aber, im Jahre 1947, lebt das deutsche Volk bewußt oder unbewußt sozusagen zwischen zwei Wintern. Auf uns lastet noch all die drängende Not des harten Winters, der hinter uns liegt, und in unseren Gedanken kreisen die Sorgen um den nächsten Winter. Nur noch vier Monate, und wieder werden Kälte und Frost das Leben in unserem Land in Fesseln schlagen, und niemand von uns vermag zu sagen, ob wir in dem kommenden Winter in den Wohnungen der deutschen Städte Heizung und Brot in genügender Menge haben werden. Diese Aussicht trifft ein Volk, das schon jetzt am Rande seiner physischen und moralischen Kräfte steht. Wir haben in den letzten Monaten in Deutschland Tausende von Menschen durch Hunger und Kälte verloren. [] Aber vielleicht noch schwerer als diese physischen Verluste wiegen die moralischen. Die Not hat in einer Weise von der moralischen Substanz unseres Volkes gezehrt, daß wir nicht wissen, ob ein neuer ebenso schweren und harter Winter nicht alle Kräfte des Aufbauwillens oder gar nur der Erhaltung auflösen und zerstören muß. Alles, was zu einem menschenwürdigen, wenn auch primitiven Menschenleben notwendig ist, fehlt heute in Deutschland Nahrung, Kohle, Baustoffe, Konsumgüter, und gerade in diesen Wochen haben wir im ganzen gesehen einen Tiefstand in der Ernährung der großen Masse des deutschen Volkes erlebt, wie wir ihn noch nicht gesehen haben. Ich glaube nicht, daß, wenn man Deutschland als Ganzes sieht, in der letzten Woche der vergangenen Rationsperiode die Kalorienzahl für den durchschnittlichen Normalverbraucher in Deutschland höher als 700 bis 800 Kalorien gewesen ist. [] Ich glaube, es ist unsere Pflicht als Sozialdemokratische Partei, als der stärkste politische Faktor in diesem Lande, daß wir an die Betrachtung unserer Aufgaben herangehen mit der klaren Erkenntnis der ungeheuren Schwierigkeiten und Gefahren, vor denen wir stehen; denn wenn wir aus diesem Tal herauskommen wollen, wenn wir ein neues Deutschland aufbauen wollen, dann müssen wir uns über den Ausgangspunkt, auf dem diese Arbeit beginnen soll, ohne Illusionen und ohne Schönfärberei, ohne Verzerrung klar werden. Unsere ernährungspolitische, wirtschaftliche und politische Lage ist auch jetzt, zwei Jahre nach dem Ende der eigentlichen Kampfhandlungen des zweiten Weltkrieges, lebensgefährlich ernst, und niemand vermag zu sagen, ob es unseren Anstrengungen gelingt, in absehbarer Zeit einen sichtbaren Aufstieg durchzusetzen. [] Die Reaktion sucht Chancen [] Seien wir uns auch klarüber die Ursachen, die zu dieser Situation geführt haben. Auch da ist es notwendig, daß wir Sozialdemokraten nicht nur unter uns, sondern überall da, wo wir öffentlich wirken, ein offenes und klares Wort sprechen. Es gibt in Deutschland viele, die ein verflucht kurzes politisches Gedächtnis haben, und es gibt viele in Deutschland, die aus der gegenwärtigen Not des deutschen Volkes politisches Kapital für ihre nationalistische und totalitären Absichten schlagen wollen. Gegenüber allen diesen ist es notwendig, immer wieder von neuem festzustellen; das, was immer an Unzulänglichkeiten und Fehlern und Mängeln in diesen zwei Jahren seit dem Zusammenbruch der Hitlerdiktatur in Deutschland von uns und von den Besatzungsmächten geschehen sein mag, die entscheidende Ursache für die katastrophale Lage des deutschen Volkes in diesem Augenblick sind das Naziregime und der verbrecherische Krieg, den dieses Regime über Europa und über die Welt gebracht hat. Nur wenn wir diese letzte Verantwortlichkeit immer wieder herausstellen, wird es möglich sein, die Erziehung des deutschen Volkes zu demokratischer und sozialer Gesinnung auf einem festen Grund anzufangen. Nur so können wir uns erfolgreich wehren gegen das Anwachsen eines neuen Nationalismus oder eines neuen Glaubens an die Allmacht irgendeiner neuen diktatorischen Gewalt, unter welcher Fahne sie immer den Deutschen präsentiert wird. [] Das ist das eine. Eine andere entscheidende Ursache liegt nicht bei uns, sie liegt bei denen, die diesen Krieg gegen Hitler-Deutschland geführt und gewonnen haben bei denen, die von den Größen des Dritten Reiches die Unterschriften bekommen haben für die bedingungslose Kapitulation Deutschlands. Alles das, was wir in den hinter uns liegenden zwei Jahren in Deutschland erlebt haben an mühseligen, umständlichen und fragwürdigen Versuchen in Deutschland eine neue demokratische Ordnung aufzubauen, hat zu einem entscheidenden Teil seine Ursache in der Tatsache, daß eben im Ende dieses Krieges der Demokratie gegen die Diktatur keine echte Kooperation zwischen den demokratischen Kräften in der Welt und den demokratischen Kräften in Deutschland bestand. Daß wir heute immer noch experimentieren an dem Versuch, den Deutschen die Demokratie von unten auf wieder beizubringen, ist auch eine Ursache für einen erheblichen Teil der Schwierigkeiten, mit denen wir in unserem täglichen Leben zu tun haben. Und schließlich, eine dritte Ursache ist die einfache Tatsache, daß die Mächte, die heute Deutschland besetzt haben, die die faschistischen Diktaturen in Europa und in Asien auf die Knie gezwungen haben, einig waren, solange es darauf ankam, das unmittelbare Kriegsziel zu erreichen, daß sie aber nicht einig sind, seit dem Augenblick, in dem es darauf ankam, zu beginnen mit der Neuordnung Europas und der Welt auf der demokratischen und freiheitlichen Grundlage, die als die Ziele dieses [] Krieges herausgestellt wurden. Deutschland im Herzen Europas hat diese Uneinigkeit der Sieger am allerschwersten zu fühlen, weil auf seinem Gebiet die Gegensätze dieser Siegermächte sich nicht nur auswirken in den großen politischen Verhandlungen, sondern in dem alltäglichen Leben von 60 oder 70 Millionen Deutschen. Es ist eine phantastische Situation. Noch niemals in der Geschichte des deutschen Volkes war das deutsche Volk im Sinne einer machtpolitischen Vorstellung so macht- und wehrlos, wie es heute ist; aber noch niemals haben auch zu irgendeiner Stunde unserer Geschichte die internationalen Zusammenhänge der Politik so unmittelbar in das tägliche Leben der Deutschen gewirkt wie heute. Jeder Konflikt und jede Spannung wirken sich aus bis in das letzte Dorf, bis in den letzten Haushalt und tragen dazu bei, unsere Ansätze, unsere Versuche zum Aufbau eines neuen Deutschlands zu erschweren. [] Es gibt kein isoliertes deutsches Problem [] Wir wissen nicht, was die letzten Folgen einer solchen Entwicklung sein können oder sein werden, aber eines ist sicher, und mehr und mehr begreift es die Welt: wenn dieser europäische Kontinent zu einer dauernden Befriedung und zu einer vernünftigen Regelung der Beziehungen der Völker kommen will, dann muß man diesem deutschen Volk im Herzen Europas die Möglichkeiten geben, zu arbeiten und menschenwürdig zu leben. Zerfallen dieses Land und dieses Volk, dann ist es unvermeidlich, daß sich zu den Ruinen der Städte und industriewerke auch die moralischen Ruinen eines Volkes gesellen, das den Glauben an Fortschritt, an Frieden und Demokratie verloren hat, und triumphieren wird nicht das Gefühl der Sicherheit, das die Völker um Deutschland herum jetzt haben möchten, triumphieren werden auf diesem totalen Trümmerfeld ein neuer Nationalismus eine neue Reaktion und eine neue Kriegsgefahr. Es gibt kein isoliertes deutsches Problem. Diese Wahrheit ist an sich so einfach und klar, aber wir haben in Europa in den letzten zwei Jahren erlebt, daß es anscheinend für alle Völker schwer ist, einfache Wahrheiten zu begreifen und aus solchen Wahrheiten und Erkenntnissen praktische Schlußfolgerungen zu ziehen. Das Leben oder Sterben des deutschen Volkes ist ein europäisches und ein internationales Problem, und es kann nur gelöst werden durch eine gemeinsame Anstrengung der demokratischen Kräfte in der Welt und der demokratischen Kräfte in Deutschland selbst. [] Wenn wir diese Bedeutung der demokratischen Kräfte herausstellen. dann müssen wir sagen, ohne Überheblichkeit und Selbstbeweihräucherung: die Frage, ob in Mitteleuropa die Demokratie eine Chance hat oder nicht, hängt heute mehr als jemals in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung davon ab, ob die deutsche Sozialdemokratie in Deutschland ein Machtfaktor ist oder nicht. [] Auf der internationalen Konferenz der Sozialisten in Zürich wurden nach dem Referat von Dr. Kurt Schumacher über die politischen und organisatorischen Vorstellungen der deutschen Sozialdemokratie von den einzelnen Delegierten Fragen gestellt der verschiedensten Art. Ich will sie nicht im einzelnen aufzählen; aber einer stand auf und fragte: "Ich möchte wissen, was in Deutschland geschieht wenn die deutsche Sozialdemokratie nicht besteht?" Der da fragte, war der Generalsekretär der Norwegischen Arbeiterpartei Haakon Lie. Hinter dieser Frage stand die klare Erkenntnis, was immer an Anstrengungen in Westeuropa in bezug auf die Erhaltung und die Stärkung der Demokratie gemacht werden wird und gemacht werden kann, ihr Erfolg hängt im entscheidenden Maße davon ab, daß die deutsche Sozialdemokratie lebt und daß sie in ihrer Existenz ermutigt und gefördert wird durch die demokratischen Kräfte, vor allen Dingen durch die Kräfte der Arbeiterbewegung außerhalb Deutschlands. [] Der Sozialdemokratie nimmt keiner die Verantwortung ab [] Diese Erkenntnis ist ein wichtiger und entscheidender Fortschritt. Aber wir dürfen uns darauf nicht ausruhen. Damit wird die Größe unserer Verantwortung ganz klar aufgezeigt nicht nur gegenüber unserem eigenen Volke, sondern auch gegenüber Europa und der Welt. Das ist heute eine ernste Frage unter unseren Parteigenossen Wir haben viele unserer Besten, unsere Vertrauensleute in dem komplizierten und schwierigen Apparat der deutschen Verwaltung, Wirtschaft und Ernährung, und sie haben dort einen ungeheuer schweren Stand, weil sie buchstäblich aus dem Nichts dem Volke Brot, Kleidung und Wohnung geben sollen, und es ist allzu verständlich, wenn immer wieder die Frage auftaucht Ist es unsere Aufgabe, daß wir uns belasten mit dieser Erbschaft und, mit dieser übermenschlichen Anstrengung, indem wir die Besten der Partei auf diese Positionen stellen und indem wir den moralischen Kredit der Sozialdemokratie im Volke einsetzen? - Die Frage ist berechtigt; aber die Frage, wo wir Verantwortung zu tragen haben und wie weit, wir sie zu tragen haben wird in dem Deutschland von heute nicht mehr beantwortet auf der Ebene von Gesprächen über Koalitionen oder von Arbeiten in Koalitionen, sondern was immer wir in den einzelnen, Länderregierungen oder Städten tun oder nicht tun, ob wir in dem einen oder anderen Falle es aus taktischen Gründen für richtig halten, in der Regierung oder außerhalb der Regierung zu sein, das ist heute nicht die entscheidende und nicht die prinzipielle Frage; denn [] ganz gleich, wo wir stehen, innerhalb der Verwaltungen und der Regierungen oder außerhalb, die Verantwortung, die wir als die größte demokratische Partei in Deutschland gegenüber der Gesamtheit des deutschen Volkes und der Gesamtheit der Demokratie in Europa haben - diese Verantwortung nimmt uns niemand ab, und wir können uns ihr nicht durch irgendeine taktische Maßnahme entziehen. Denn hier geht es um mehr, hier geht es im Grunde um Sein oder Nichtsein einer Lebensart, mit der alle Ideen und alle Vorstellungen des freiheitlichen und demokratischen Sozialismus stehen oder fallen. [] Wir brauchen eine echte Kooperation [] Dabei ist völlig klar, daß wir die Aufgabe in Deutschland nicht allein aus eigener Kraft lösen können. Was wir brauchen, ist eine echte Kooperation mit den demokratischen Kräften außerhalb Deutschlands. Diese echte Kooperation darf sich nicht nur auswirken in programmatischen Erklärungen oder Proklamationen, sie muß sich auch auswirken in der täglichen praktischen Zusammenarbeit mit den Autoritäten, die die demokratischen Mächte hier in Deutschland eingesetzt haben. Es muß auch hier eine positive aktive Zusammenarbeit sein mit dem Ziel, eine lebensfähige, starke deutsche Demokratie aufzubauen, in erster Linie mit den deutschen demokratischen Kräften Das heißt nicht, daß die deutsche Sozialdemokratie irgendeine Protektion durch irgendeine Siegermacht hier wünscht. Die Grundlage unserer Politik war, ist und bleibt unsere politische und organisatorische Unabhängigkeit gegenüber jeder Besatzungmacht. Wir haben keine Neigung hier im Westen, das Beispiel nachzumachen, das die kommunistische SED in der Ostzone bietet, die ihre Unabhängigkeit damit aufgegeben hat, die ihre Förderung durch die Besatzungsmacht dadurch erkauft hat, daß sie in ihrer praktischen Politik nichts anderes ist als das Werkzeug einer fremden Macht, auf deren Entscheidungen und Beschlüsse die Menschen, die in dieser Partei stehen, nicht den geringsten Einfluß haben. [] ... und eine echte Selbstverwaltung [] Was wir brauchen, ist eine politische Unabhängigkeit und vor allem eine echte Selbstverwaltung. Es genügt nicht, daß man von Zeit zu Zeit proklamiert, daß den Deutschen weitere Vollmachten zu ihrer Eigenverwaltung übergeben werden und daß in den Richtlinien weite Gebiete der deutschen Verwaltung in die deutsche Kontrolle übergehen, wenn auf der anderen Seite immer noch der ganze tausendfältige, und schwerfällige Apparat der Militärregierungen in Positionen interveniert, in denen sie nach ihren Erklärungen nichts mehr zu intervenieren haben. Nur wenn man den Deutschen die Möglichkeit gibt, unter eigener Verantwortung und echter eigener Kontrolle in der Arbeit sich demokratisch wieder zu schulen und zu bilden, kann eine lebensfähige Demokratie hineinwachsen. Eine Demokratie, die nur ein Mittel ist, damit die Menschen sozusagen das politische Stimmungsbarometer im Volke von Zeit zu Zeit neu aufzeichnen, eine Demokratie, die die Gewählten nicht ausschließlich unter die Kontrolle und Verantwortung der Wähler stellt - sondern unter die Kontrolle An außenstehenden Mächten -, eine solche Demokratie kann nicht lebensfähig werden und bleiben, weil eben das Bewußtsein der Verantwortung und der Entscheidungsfreiheit fehlt. [] Es ist unsere erste politische Aufgabe in Deutschland, daß wir als eine unabhängige deutsche Partei darum kämpfen, daß ein solches demokratisches Leben in Deutschland sich entwickeln kann. Wir müssen diese echte Selbstverwaltung haben, weil wir nach unserer festen Überzeugung dieses Deutschland aus dem Chaos von heute nicht herausbringen können durch irgendwelche Not- und Flicklösungen. sondern allein durch den radikalen Versuch einer Neugestaltung unseres staatlichen und wirtschaftlichen Lebens von Grund auf. [] Sozialisierung ist nationale Notwendigkeit [] in Deutschland ist heute die Frage der Wirtschaftsordnung nicht mehr eine theoretische Frage, in Deutschland ist die Forderung nach der Sozialisierung der Schlüsselindustrien nicht mehr eine Frage der Auseinandersetzung zwischen dem industriellen Protetariat und den Kapitalisten in Deutschland ist die Frage: Wann kommt die Sozialisierung? nicht ein wahldemagogischer Trick der Sozialdemokraten in Deutschland ist sie heute eine nationale Notwendigkeit; denn, wenn wir nicht den Versuch machen, auf diesem Trümmergrund eine neue wirtschaftliche Ordnung aufzurichten nach einem einzigen Prinzip, daß jede Wirtschaftliche Kraft allein und ausschließlich dem allgemeinen Wohl zu dienen hat, dann werden wir bei dem Mangel an Maschinen und Rohstoffen und qualifizierten Arbeitskräften bei allen Anstrengungen auf Jahre und Jahrzehnte hinaus in Deutschland die tiefe Kluft behalten zwischen einer kleinen Schicht von Menschen, die über Besitz und Beziehungen verfügen und 90 Prozent der Deutschen, die mehr und mehr ins Lumpenproletariat absinken müssen. Wenn das deutsche Volk gesunden soll, dann muß es eine stabile und auf gerechten, Grundsätzen aufgebaute wirtschaftliche Basis haben. Außerdem ist es unsere Überzeugung, daß die beste Garantie für eine friedliche Entwicklung des deutschen Volkes die ist, wirtschaftliche Machtpositionen aus den Händen kleiner Gruppen von Menschen zu reißen, die in der Vergangenheit diese wirtschaftliche Macht benutzt haben, ihre reaktionäre und nationalistische [] Politik, fortzusetzen. Wir wollen doch nicht vergessen, daß die Hitler-Diktatur in Deutschland siegen konnte, weil in dem Augenblick, als sieben Millionen Menschen in Deutschland auf der Straße lagen, einige hundert in Deutschland bereit waren, Millionen zu opfern, um den Nationalsozialismus zu einer Streitmacht gegen die Kräfte der Demokratie in der Weimarer Republik zu machen. Wir haben einiges aus der Zeit von Weimar zu lernen; aber das scheint mir eine der wichtigsten Lehren, daß wir der Reaktion in Deutschland und dem Nationalismus das wirtschaftliches [!] Fundament durch den Aufbau einer Gemeinwirtschaft entziehen. [] Haben wir in Deutschland Chancen, unter den gegebenen Bedingungen eine echte aktive Demokratie und eine sozialistische Wirtschaft aufzubauen? Besteht eine Aussicht, ein neues Deutschland in ein neues Europa einzuordnen als einen geachteten und gleichberechtigten Faktor? Auch hier muß ich sagen: es ist töricht, sich darüber hinwegzutäuschen, daß die internationale Lage, von der auch die Beantwortung dieser Frage in hohem Maße abhängt, außerordentlich ernst ist. Das Scheitern der Moskauer Konferenz, das Scheitern des Versuches der großen Alliierten, sich über das Schicksal Deutschlands zu einigen, ist ein ernstes, ernstes Warnungssignal, und ich brauche ihnen nicht zu sagen, daß die Spannungen seitdem nicht geschwunden, sondern in bedrohlichem Maße gewachsen sind. Die Alliierten von gestern sprechen heute eine Sprache untereinander, die nichts mehr erkennen läßt von freundschaftlichen Gefühlen füreinander. [] Aber in diesem Zusammenhang ein Wort, soweit unsere eigene Politik in Deutschland in Frage kommt. Es ist klar, daß ein Volk wie das deutsche in dieser Situation diese internationale Entwicklung mit großer innerer Anteilnahme verfolgt; aber es ist unsere Pflicht, daß wir jedem Versuch entgegentreten, in Deutschland eine Stimmung zu schüren, die auf der Vorstellung basiert, daß die gegenwärtigen Spannungen unter den Alliierten unabweislich und naturnotwendig zu einem neuen Kriege führen müssen. Es gibt in Deutschland Menschen, die haben nichts gelernt. Sie stehen Tag für Tag vor den Trümmern des zweiten Weltkrieges und faseln heute schon wieder genau so gedankenlos von der Möglichkeit eines dritten Weltkrieges. Es gibt Menschen, die sich den Aufstieg eines Volkes nicht anders vorstellen können als auf dem Wege militärischer Auseinandersetzungen, und es gibt in Deutschland Menschen, die sich für ganz klug halten und die meinen, daß, wenn es zu einem Konflikt zwischen den Alliierten kommen sollte, dann bei diesem Konflikt sozusagen die Deutschen die lachenden Dritten wären und mit einem Schlage von der ganzen Last des verlorenen Krieges befreit werden könnten. Eine solche Vorstellung ist ein Verbrechen, eine solche Vorstellung ist Wahnsinn. Niemand weiß, wenn dieser Krieg käme, wie er ausgehen würde; aber eines scheint mir sicher, das erste unzweifelhafte Opfer dieses dritten Krieges wäre das deutsche Volk mit all dem Rest, was wir an Lebenskraft aus dieser Katastrophe des [] Dritten Reiches noch gerettet haben. [] Flüsterpropaganda gefährdet die Demokratie [] Warum sage ich das? Wir haben in der letzten Woche aus den verschiedensten Städten Deutschlands Dutzende von Nachrichten bekommen, in denen alle möglichen Alarmgeschichten über Vorbereitungen für den Krieg verbreitet wurden. Sie stimmen im Tenor und Inhalt alle überein. Was steckt dahinter? Das ist eine bewußte Flüsterpropaganda der Feinde der Demokratie, die nicht nur darauf berechnet ist, die Gedankenlosen wieder in das Lager des Nationalismus zutreiben, sondern die - und vielleicht, ist das sogar politisch klüger gesehen - auch das politische Ziel verfolgen, den Menschen, die den Willen haben, eine neue demokratische Ordnung trotz aller Schwierigkeiten aufzubauen, den Willen zu nehmen, anzupacken, sie in ihrer Entschlußkraft und in ihrem Arbeitswillen noch mehr zu lähmen, als ohnehin die Lähmung durch die schlechte Ernährung hervorgerufen hat. Und täuschen wir uns nicht! Millionen von Menschen sind im Augenblick in Deutschland in dem Zustand einer großen Labilität des letzten verzweifelten Widerstandes gegen die Aufgabe der Positionen eines vernünftigen und anständigen Lebens. Sie sind alle in Gefahr, die Hände nicht nur buchstäblich, sondern auch geistig und moralisch sinken zu lassen und damit das Werk des Aufbaues noch weiter zu erschweren. Es ist unsere Aufgabe, solchen Tendenzen und Vorstellungen, mit aller Entschiedenheit und Klarheit entgegenzuwirken. Das heißt nicht, daß wir die Spannungen und Gefahren leugnen; das wäre töricht. Das, was jetzt in der Welt vor [] sich geht, ist natürlich ein erbitterter und zäher politischer und diplomatischer Kampf in Europa und in der ganzen Welt um die Aufteilung der neuen interessensphären, die nach dem Zusammenbruch von drei Großmächten in diesem Gebiet aufzuteilen sind. Das, was jetzt in Ungarn und Bulgarien vorgeht, ist natürlich die bewußte Antwort auf das Vorgehen der Amerikaner in Griechenland und in der Türkei. Aber das ist nur das, was jedem sichtbar ist. [] Mindestens ebenso leidenschaftlich wird zur Zeit der Kampf geführt um den Einfluß dieser Mächte, Stimmungen und Vorstellungen auf deutschem Boden in Deutschland wird nicht nur in der Ostzone, bis zu der Demarkationslinie ein Kampf ausgefochten um Machtpositionen in diesen Auseinandersetzungen. Wir erleben diesen politischen Kampf mit derselben Schärfe und Leidenschaft in jedem Ort, in jeder Großstadt, in jedem Industriezentrum der drei westlichen Zonen. Auch in Hamburg, im Ruhrgebiet, in der französisch besetzten Zone, an der Saar wird dieses politische Ringen ausgetragen. Nicht mit diplomatischen Noten und nicht mit irgendwelchen militärischen Apparaten. Er wird geführt mit politischen Mitteln, um in den Westzonen das stärkste Bollwerk einer freiheitlichen Entwicklung in Deutschland, nämlich die deutsche Sozialdemokratie von innen her zu unterminieren. Nehmen Sie das ganze Getue und die ganze Aktivität der KPD und der SED in den letzten Monaten alles in allem die letzte Ursache für diese Aktivität ist der Versuch, da, wo man nicht mit den der Roten Armee sitzt, mit den Hilfstruppen der Kommunisten den Westen Deutschlands zu infiltrieren und politisch zu erobern. [] Da geht es nicht mehr um die Frage SPD oder KPD, da geht es um einen entscheidenden Teilkampf zwischen den beiden Vorstellungen: totalitärer Gewalt oder freiheitlicher Demokratie. Und es ist notwendig, daß wir uns dieser großen Zusammenhänge bewußt sind. Wir sind in einer verzweifelten Situation, denn unser Kampf und der Ausgang dieses Kampfes sind nur ein Teilstück aus einer Auseinandersetzung, die weit über Europa hinaus in die ganze Welt reicht, und es ist erstaunlich, wie wenig Menschen sich dieser Tatsache bewußt sind, und es ist erstaunlich, wie im Zeitalter der Radiotechnik, im Zeitalter der Nachrichtenübermittlung um den ganzen Erdball im Bruchteil einer Sekunde, hier in Europa z.B. wir so gut wie nichts wissen, was sich im Gründe um die gleichen Ziele seit Monaten in anderer Form im Fernen Osten abspielt, wo es nicht um ein Stück Besatzungszone amerikanischer oder englischer Besetzung geht, sondern wo es um Kontinente und Weltmeere, um Rohstoffe von unendlichen Werten geht. [] Hunger und Kälte müssen überwunden werden [] Wir, die wir unsere Arbeit immer ausgerichtet haben auf eine höhere Entwicklung der Menschheit, haben die Pflicht, auch in den dunkelsten Tagen, und täglichen Sorgen die großen Zusammenhänge zu sehen und unser Schicksal in diese einzuordnen. Das ist notwendig, weil wir hier in diesem Lande jetzt gezwungen werden, Stunde für Stunde zwei Dinge gleichzeitig zu tun. Was ist die besondere historische Situation, in die die Sozialdemokratie hier in Deutschland gestellt wird? Wir müssen den Versuch machen, ganz konkret gesprochen, in den nächsten vier Monaten an Ernährung, Heizung und Konsumgütern wenigstens soviel aufzubringen, sei es aus eigener Kraft oder durch Importe, daß im nächsten Winter nicht Millionen von Menschen in Deutschland sterben vor Hunger und vor Kälte. Wir müssen jeden Versuch begrüßen, der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Westzonen steigert und der uns eine Chance gibt, über die notwendigsten Produkte für den eigenen Verbrauch hinaus Deutschland wieder in einen echten Export zu bringen, um die erforderlichen Rohstoffe und Nahrungsmittel im Ausland zu bekommen. Deshalb haben wir Sozialdemokraten vom ersten Augenblick an den Versuch der britischen und amerikanischen Militärregierung, die Westzonen Deutschlands wirtschaftlich zusammenzuschließen, begrüßt. Nach dem Scheitern der Moskauer Konferenz ist dieses Abkommen erst wirklich real geworden. Der Zusammentritt des Wirtschaftsrates der beiden Zonen war ein bedeutsamer Vorgang, sowohl unter dem [] Gesichtspunkt der unmittelbaren Hilfsmöglichkeit wie auch unter dem eines allmählichen Aufbaus einer neuen deutschen verwaltungsmäßigen und wirtschaftlichen Einheit. Dieser Wirtschaftsrat hat weit über das hinaus, was, bisher deutsche Stellen an Vollmachten hatten, eine weitgehende Exekutivgewalt über Zonen- und Ländergrenzen hinaus. Zum erstenmal seit dem Zusammenbruch der Hitlerdiktatur ist das Statut einer deutschen Verwaltung oder Körperschaft auf dem Grundsatz aufgebaut: Reichsrecht bricht Landesrecht! - Das ist ein ungeheuer wichtiger Fortschritt sowohl nach der praktischen wie nach der prinzipiellen Seite, und wir Sozialdemokraten werden in diesem Wirtschaftsrat und in seinen Institutionen mitarbeiten, um schnell zu Resultaten zu kommen. [] Unsere Forderung: Ein einheitliches Deutschland [] Gleichzeitig aber müssen wir sagen, daß diese wirtschaftliche Zusammenfassung der beiden Westzonen nicht unsere sozialdemokratische Lösung für ein kommendes Deutschland ist, daß wir nicht einfach damit zufrieden sind, daß ein Wirtschaftsrat auf der Basis der alten wirtschaftlichen Ordnung produziert und die Produkte verwaltet, sondern daß wir daran festhalten, daß von Grund auf eine neue sozialistische Wirtschaft aufgebaut werden muß. Das ist das eine. Das andere: diese bizonale Lösung, so notwendig, so lebensnotwendig sie ist, darf nicht so ausgebaut werden, daß an ihr eine zentrale gesamtdeutsche Lösung scheitert. Wir akzeptieren sie, weil die 40 Millionen, die im Westen leben, leben müssen. Wir akzeptieren sie, weil wir wissen; daß, wenn hier im Westen Hunger und Chaos herrschen, die 20 Millionen in der Ostzone mit uns zu Grunde gehen und für immer verloren sein werden; aber wenn wir hier mitarbeiten, dann sagen wir ganz deutlich: Zusammenarbeit in der Not der Zeit auf dieser Basis, ja, aber damit geben wir die Gebiete Deutschlands nicht auf, die heute außerhalb dieser Regelung unter russischer Besatzung stehen. Wenn wir an das neue Deutschland, an eine politische und wirtschaftliche Einheit Deutschlands denken, wenn wir uns die neue deutsche Republik vorstellen, dann denken wir nicht an Frankfurt, dann denken wir an Berlin! Dann denken wir jetzt vor allem daran, daß dort 20 Millionen Menschen und unter ihnen Millionen von Sozialdemokraten in Angst und Sorge leben, daß [] ihre Gesinnungsgenossen im Westen sie über ihre eigenen Nöte und Sorgen vergessen könnten. Wir Sozialdemokraten werden diesen Teil des deutschen Volkes und vor allen Dingen unsere sozialdemokratischen Gesinnungsgenossen, die heute nicht frei sagen dürfen, daß sie Sozialdemokraten sind, wir werden sie nicht aufgeben! Wir werden um dieses einheitliche Deutschland kämpfen, solange und soweit unsere Kräfte reichen. [] Ich habe an diesem einen Beispiel, an dieser aktuellen Frage klarmachen wollen, in welcher schwierigen Position heute jede Politik in Deutschland steht; auf der einen Seite schnelles Handeln in Notlösungen, auf der anderen Seite in jedem einzelnen Falle der Wille, daß wir nicht Notlösungen schaffen oder schaffen helfen, die den Aufbau eines neuen Deutschlands nach unseren sozialdemokratischen Vorstellungen erschweren oder verbauen. Es gäbe noch andere Beispiele, die in diesem Zusammenhang unsere Lage als Partei illustrieren, ich will darauf nicht eingehen. Eines möchte ich nur sagen: ich möchte, daß wir in der Sozialdemokratie über all diese praktischen Fragen miteinander sachlich verhandeln, daß wir den Versuch machen, in unserer Partei einen Funktionärkörper und eine Mitgliederschaft heranzuziehen, die mit aller Leidenschaft und Eindeutigkeit der Gesinnung gleichzeitig verbindet den Sinn für die praktischen Notwendigkeiten unserer Arbeit. Denn die heutige deutsche Sozialdemokratie hängt nicht nur ab von den materiellen Lebensbedingungen, die wir den Deutschen schaffen können, sie hängt im gleichen Maße davon ab, daß die Menschen begreifen, daß der tiefste Kern des Wesens der Demokratie darin beruht, nicht daß der einzelne Rechte hat, sondern daß er auch seinen Teil Verantwortung trägt und daß er bereit sein Muß, diese Verantwortung zu tragen und an der praktischen Gestaltung des Neuen mitzuarbeiten. [] Fort mit Haß und Mißtrauen [] Alles das - das wissen wir alle - hängt nicht allein von uns ab. Es hängt von jenen Kräften ab, die außerhalb Deutschlands, vor allen Dingen in der internationalen sozialistischen Arbeiterbewegung nach den gleichen Ideen arbeiten und kämpfen. Auch da ist der Weg zu der Arbeitsgemeinschaft mit den andern nicht leicht. Die Mauern von Haß und Mißtrauen, die die Politik der Hitlerdiktatur aufgerichtet hat, lassen sich nicht in einer Woche, in einem Monat, in einem Jahr oder auf einer Konferenz überwinden. Sie müssen abgebaut werden in zäher praktischer Arbeit, indem wir durch unsere Leistungen den Beweis für die Existenz eines ehrlichen, anderen Deutschland erbringen. Obwohl die Züricher Konferenz in ihrem formalen Ergebnis für uns eine Enttäuschung war, die sozialistischen Arbeiterparteien wachsen trotzdem zusammen! Auf unserem Parteitag in Nürnberg werden wir zum erstenmal seit vielen Jahren autorisierte Vertreter der sozialdemokratischen Parteien Europas als unsere Gäste sehen. Das ist ein wichtiges Sympton [!], d. h. daß nun auch durch den Schritt der Genossen draußen diese Mauer allmählich abgebaut wird und schließlich fällt. Wir werden uns zusammenarbeiten müssen. Ich glaube, daß dieser Prozeß des Zusammenwachsens schneller gehen wird als wir heute denken, denn im Grunde ist der Kampf, den wir heute in Deutschland führen, der gleiche Kampf, der in Frankreich oder in Italien oder in England geführt wird. Der Kampf nämlich um eine neue soziale Ordnung und auch ein Kampf um [] die Erhaltung und Sicherung der elementarsten Menschenrechte, der Freiheit und der Sicherheit jeder einzelnen Persönlichkeit, d. h. der Kampf um die Grundprinzipien, unter denen der freiheitliche Sozialismus und die moderne Arbeiterbewegung in Europa vor 80 Jahren angetreten ist, nach deren Prinzipien sie leben muß, wenn sie nicht untergehen und unsere Ziele nicht dauernd Phantome bleiben sollen. Es steht die alte Frage vor jedem Sozialisten in Europa, ob wir eine freiheitliche und gerechte Welt aufbauen wollen in einer neuen sozialistischen Ordnung, oder ob wir in der einen oder anderen Form unter totalitären und nationalistischen Regimen leben werden. [] Der Sozialismus hat die größte Chance [] Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten hart mit den Nöten des Tages zu kämpfen haben. Wir müssen versuchen, mit ihnen fertig zu werden. Es gibt kein fertiges Rezept für jede Aufgabe. Jeder muß an seinem Platz mit seinen Mitteln und Möglichkeiten das Beste herauszuholen versuchen. Eines aber ist uns gegeben. Wenn Sie in der Flut der Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten unterzugehen drohen, wenn Sie einen Augenblick haben, in dem Sie das Gefühl haben, es geht ja doch nicht, es ist nicht zu schaffen, dann denken Sie daran, daß das, was von jedem einzelnen Vertrauensmann der Partei getan wird, ein Stück in dem Gesamtablauf des Kampfes ist, der weit hinaus reicht über den engen Kreis unseres Wirkens. Die deutsche Sozialdemokratie hat eine bewegte Geschichte von Siegen und Niederlagen. Wir haben hinter uns die Nacht einer zwölfjährigen Diktatur, wir haben große Opfer gebracht in diesem Kampf, materielle und an Menschen, aber es ist erst zwei Jahre her, seitdem das "Tausendjährige Reich" in Trümmern zusammenbrach. Heute ist die deutsche Sozialdemokratie mit mehr als einem Drittel der Wählerstimmen allein in den Westzonen und mit 3/4 Million organisierter Frauen und Männern ein entscheidender politischer Faktor. Es kommt darauf an, daß wir durch dieses Tal, durch die Kälte der Not, durch die Kälte des Elends hindurchgehen mit dem Willen, keiner Schwierigkeit aus dem Wege zu gehen. Wir wissen, wenn es gelingt, diesem Volke auf dem Trümmerfeld wieder Grund, wieder Glauben an [] das Leben zu geben, dann wird der demokratische Sozialismus in Deutschland und in Europa die größte Chance seiner Geschichte haben, nämlich die Chance, unsere Ideen von der Demokratie, der Freiheit, der Menschlichkeit und des Friedens, aus dein Reich der Forderungen und Ideale in das Reich der Wirklichkeit zu überführen. [] 1947 [] Verlag und Druck: Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt Auerdruck G.m.b.H., [] Hamburg, Pressehaus, Speersort 1
Published:22.06.1947