Richtlinien für Ostkontakte

Bemerkungen: handschriftlicher Vermerk: DW 2-2 b 4 e 3 ; [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Richtlinien für Ostkontakte [] Beschlossen vom Parteivorstand und Parteirat am 30. Januar 1960 [] A. Politisch [] 1. Die Sozialdemokratie lehnt jede organisatorische und politische Beziehung zu kommu...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand, Druckhaus Deutz, Köln
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 30.01.1960
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/68118032-9F82-42C4-AD17-CAECBFF8FC52
Description
Summary:Bemerkungen: handschriftlicher Vermerk: DW 2-2 b 4 e 3 ; [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Richtlinien für Ostkontakte [] Beschlossen vom Parteivorstand und Parteirat am 30. Januar 1960 [] A. Politisch [] 1. Die Sozialdemokratie lehnt jede organisatorische und politische Beziehung zu kommunistischen Organisationen, besonders zur SED, ab. Sie hat immer wieder davor gewarnt, sich von Kommunisten für deren propagandistische Zwecke mißbrauchen zu lassen. Sie weiß aber auch, daß bei der gegenwärtigen weltpolitischen Lage, die durch die wachsende Herausforderung des Kommunismus gekennzeichnet ist, der absolute Verzicht auf jede Verbindung mit den östlichen Staaten eine wirksame Auseinandersetzung mit dem Kommunismus verhindert. 2. Die Sozialdemokratie anerkennt deshalb die Notwendigkeit von informativen Reisen in östliche Staaten im kommunistischen Herrschaftsbereich, vorausgesetzt, daß dabei die Unabhängigkeit der sozialdemokratischen Gesprächsteilnehmer gewahrt bleibt. Diese Bereitschaft für informative Reisen erstreckt sich nicht auf offizielle Einladungen, Besuche oder Kontaktbemühungen sowjetzonaler Stellen. 3. Für die Kommunisten ist die Kontaktaufnahme nur ein taktisches Mittel. Dabei ist ihr Ziel, den Gegner zu überlisten, ihn zu manipulieren und schließlich zu unterwerfen. Vor allem wird immer wieder versucht werden, Kontakte zu Propagandazwecken und Einheitsmanifestationen zu mißbrauchen. Ohne die Kenntnisse dieser Ausgangsposition ist jeder Kontakt illusionär. 4. Die Bejahung der Demokratie durch die Sozialdemokraten ist eindeutig klarzumachen. Wir wollen die Demokratie, wie sie sich in den westlichen Ländern entwickelt hat, vervollkommnen und nicht durch eine Parteidiktatur abschaffen. 5. Bei jedem Gespräch mit Kommunisten haben Vertreter des demokratischen Sozialismus klarzustellen, daß sie mit der von der UdSSR erreichten Stufe der industriellen Entwicklung zu rechnen bereit sind, diese aber in keiner Weise als Rechtfertigung des Anspruchs der Kommunisten anerkennen, den Sozialismus verwirklicht zu haben. Es ist festzustellen, daß die erreichte Entwicklungsstufe der UdSSR auch nachträglich keine Rechtfertigung und Entschuldigung für die Schrecken des bolschewistischen Systems, für die Vertreibung von vielen Millionen Menschen und die Mißachtung des Selbstbestimmungsrechtes des deutschen Volkes darstellt. 6. Die Sozialdemokraten werden sich durch informative Kontakte mit kommunistischen Ländern in ihrem Kampf gegen den Kommunismus nicht hindern lassen. 7. In den kommunistischen Ländern ist die persönliche Bewegungsfreiheit der Besucher ebenso wie die Möglichkeit der Einheimischen zu freier Meinungsäußerung stark eingeschränkt, so daß eine unbeeinflußte Information, ein fruchtbarer Meinungsaustausch und eine objektive Urteilsbildung nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich sind. Ob die notwendigen sachlichen und persönlichen Voraussetzungen gegeben sind, ist in jedem Einzelfall gründlich zu überprüfen. Sind sie nicht gegeben, müssen die Kontakte unterbleiben. [] B. Organisatorisch [] 8. Ohne Einverständnis mit dem zuständigen Parteibezirk und ohne entsprechende Vorbereitungen dürfen Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei politische Kontakte nicht aufnehmen. 9. Die Mittel für die Reise müssen aus politisch einwandfreien Quellen stammen. 10. Die Verschiedenartigkeit der Umstände, unter denen Reisen und Kontakte zustande kommen, macht es notwendig, sehr sorgfältig zu prüfen, welcher Kontakt, in welcher Form, durch welche Personen und zu welchem Zweck gerechtfertigt ist. 11. Die Kontakte in der Sowjetzone erfordern eine besondere Prüfung. Es muß vermieden werden, der SED Propagandamaterial zu liefern. Man muß wissen, daß die SED alles tut, um die Gegensätze zwischen dem Kommunismus und der Sozialdemokratie zu verwischen. Sie versucht, den demokratischen Sozialismus zu mißbrauchen, um eine Wiedervereinigung zu verhindern. 12. Jede sogenannte Aktionseinheit und alle organisatorischen Beziehungen mit der SED und ihren Nebenorganisationen sind abzulehnen. Auf die Beschlüsse des Parteivorstandes über Kontaktaufnahmen zur DDR vom 12. März 1959 wird nachdrücklich verwiesen.*) 13. Mit den befreundeten Jugendorganisationen ist eine Vereinbarung anzustreben, die die Anwendung dieser Richtlinien sicherstellt. 14. Alle Erfahrungen über Kontakte und ihre Entwicklung sind bei einer Stelle beim Parteivorstand zu konzentrieren. Die bisherigen Ergebnisse von Informationsreisen sind auszuwerten. [] *) Richtlinien über die Behandlung von Delegationen aus der "DDR" [] Funktionäre, Mitglieder und Mandatsträger der Sozialdemokratischen Partei werden in zunehmendem Maße von Einzelpersonen oder Delegationen aufgesucht, die für die Entsendung von Delegationen aus der Bundesrepublik nach der "DDR" werben. [] Häufig bedienen sich die Abgesandten aus der "DDR" verwandtschaftlicher Beziehungen oder suchen Verbindung auf Grund entsprechender gewerkschaftlicher Zugehörigkeiten oder berufen sich auf ihre kommunalpolitische Tätigkeit in der "DDR". Das Präsidium der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands stellt aus diesen Anlässen fest: [] 1. Die in dem im "Vorwärts" am 20. Februar 1959 unter der Überschrift "Keine Aktionseinheit" veröffentlichten Artikel des stellvertretenden Parteivorsitzenden Herbert Wehner begründete Aufforderung an alle Mitglieder und Freunde der Sozialdemokratischen Partei, sich weder an der "Gesamtdeutschen Arbeiterkonferenz" in Leipzig noch am "Arbeiterjugendkongreß" in Erfurt zu beteiligen, entspricht dem Beschluß, keinerlei organisatorische Beziehungen zur SED und KPD einzugehen oder zu pflegen. Er gilt auch für alle anderen Veranstaltungen, die - auch wenn sie mit einem kommunalpolitischen oder gewerkschaftlichen Anstrich versehen sind - dem Zweck dienen, Sozialdemokraten in getarnte organisatorische Beziehung zur SED und KPD zu bringen. 2. Am 24. Februar 1959 wurde bereits an die Presse eine Mitteilung gegeben, in der ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wird, daß Versuche, Sozialdemokraten zur Teilnahme an Veranstaltungen des "Gemeindetages" in der "DDR" zu gewinnen, mit dem deutlichen Hinweis darauf abzulehnen sind, solange nicht freier Reiseverkehr zwischen beiden Teilen Deutschlands gewährleistet ist, könne überhaupt keine Rede von einer Teilnahme an solchen oder ähnlichen Konferenzen sein. 3. Eine Teilnahme von Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei an der Werbung und der Vorbereitung zur Beteiligung an den kommunistischen "Weltjugendfestspielen" ist nicht vereinbar mit der Zugehörigkeit zur Sozialdemokratischen Partei. 4. Die Sozialdemokratische Partei setzt sich nachdrücklich für geordnete sportliche und kulturelle Beziehungen über die Zonengrenze ein. Sie wendet sich gegen die zunehmende Strangulierung des Reiseverkehrs durch die zuständigen sowjetzonalen Stellen, infolge deren heute selbst Besuche von Verwandten nur noch in Ausnahmefällen möglich sind. Alle offenen oder getarnten Versuche zur Anbahnung sogenannter politischer oder gewerkschaftlicher Aktionseinheit sind mit politischer Begründung zurückzuweisen. [] Herausgeber: Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Bonn
Published:30.01.1960