Einheits-Partei?

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Einheits-Partei? [] EIN OFFENER BRIEF DES FRÜHEREN KOMMUNISTISCHEN REICHSTAGSABGEORDNETEN DR. FRITZ LÖWENTHAL [] Nach zwanzigjähriger Mitgliedschaft bin ich aus der jetzt fälschlich "Einheitspartei" genannten Kommunistischen Partei...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Hamburg, Presse und Propaganda, Kähler, Ernst, Auerdruck GmbH, Hamburg
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1947
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/DC8B100E-A895-485F-9962-899D7E6F282A
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Einheits-Partei? [] EIN OFFENER BRIEF DES FRÜHEREN KOMMUNISTISCHEN REICHSTAGSABGEORDNETEN DR. FRITZ LÖWENTHAL [] Nach zwanzigjähriger Mitgliedschaft bin ich aus der jetzt fälschlich "Einheitspartei" genannten Kommunistischen Partei ausgetreten. Vor Ausbruch des "Dritten Reiches" habe ich der kommunistischen Fraktion des Deutschen Reichstages, dem Zentralvorstand der Roten Hilfe Deutschlands und jahrelang als Vorsitzender der unter kommunistischer Führung stehenden Internationalen Juristischen Vereinigung angehört. Als Rechtsanwalt habe ich Tausende von Mitgliedern der Kommunistischen Partei vor den Gerichten verteidigt. Von April 1935 bis Dezember 1946 habe ich in der Sowjetunion gelebt. Nach Deutschland zurückgekehrt, war ich als Ministerialdirektor bei der Deutschen Justizverwaltung der Ostzone tätig, wo ich in die Verhältnisse dieses mit Hilfe der "Einheitspartei" schonungslos ausgebeuteten, jeglicher Freiheit beraubten Gebietes tiefen Einblick erhielt. [] Nicht aus persönlicher Verärgerung oder in augenblicklicher Wallung, sondern nach reiflicher Überlegung und nach schwerem inneren Kampf habe ich einer Bewegung den Rücken gekehrt, deren Reihen viele von mir persönlich geschätzte alte Freunde und Bekannte noch angehören. Die Gründe, die mich bewegten, habe ich in meinem Austrittsschreiben kurz zusammengefaßt: "In der schmerzlichen Erkenntnis, daß die 'Einheitspartei' nicht die Interessen der deutschen Bevölkerung, sondern die Interessen der Besatzungsmacht wahrnimmt, und angesichts der Tatsache, daß der Bolschewismus keine geringere Gefahr für die Menschheit bedeutet als der Faschisimus [!] [Faschismus], erkläre ich hiermit meinen Austritt aus der Partei." [] In dem Glauben, daß die Sowjetunion wirklich, wie so oft verkündet, das "Vaterland aller Werktätigen" sei, bin ich hingekommen; als durch tausendfältige Erfahrung überzeugter Gegner des Bolschewismus - bin ich weggegangen. Ihr alten Kommunisten, die Ihr in den Konzentrationslagern der Hitlerbanditen geschmachtet, die Ihr in den Reihen der internationalen Brigaden für die Freiheit Spaniens gekämpft habt, seid Ihr dafür ausgezogen, daß nun in der Ostzone deutsche Antifaschisten wiederum wegen ihrer politischen Gesinnung in die Keller der Geheimen Staatspolizei und in Konzentrationslager kommen? Seid Ihr damit einverstanden, daß deutsche Männer und Frauen zu Zehntausenden zur Zwangsarbeit in die Arbeitslager verschleppt werden, daß Ingenieure, Techniker, Facharbeiter, junge Burschen und Mädel von der Straße weg verschwinden, ohne daß jemand erfährt, was ihr Schicksal ist? Findet Ihr es richtig, daß weite deutsche Gebiete jenseits der Oder zwangsweise umgesiedelt und die Massen des deutschen Volkes ohne genügenden Nahrungsraum zusammengepfercht werden, daß die Ostzone zum Objekt der Auspowerung und des politischen Eroberungskrieges wird? [] Denkt einmal ernstlich nach! Liegt es im Sinne wirklichen Fortschritts, was sich jetzt in der Ostzone abspielt? Laßt Euch nicht von einer gerissenen Propaganda umnebeln, blickt den Tatsachen ins Auge. [] Und Ihr, antifaschistisch gesinnten Geistesarbeiter, die Ihr als Vorkämpfer wahren Fortschritts und wahrer Menschlichkeit unbeirrt mit weitem Blick, heißen Herzens und ehrlichen Willens die Geschehnisse wägt, die Ihr für die künftige Entwicklung besondere Verantwortung tragt, seht Ihr denn nicht, was rings um Euch vorgeht? Spürt Ihr nicht die finstere Gewalt und Willkür? Laßt Ihr Euch noch immer täuschen durch eine gleisnerische Propaganda? [] Ihr alten Genossen aus der Kommunistischen Partei, bleibt dem Ziel wirklicher Menschheitsbefreiung treu. Dieses Ziel kann nur durch entschlossenen Kampf für eine demokratische und sozialistische Planung erreicht werden. Heute ist demokratischer Sozialismus weder reformistisch noch opportunistisch, sondern die einzige Kraft, die die Menschheit vor der Barbarei neuer Versklavung zu retten und eine nicht auf Zwang und Willkür beruhende neue Weltordnung aufzubauen vermag. [] Auf zum Kampf gegen die Niedertracht jeglicher Unterdrückung! Das ist die Losung, in deren Zeichen sich alle finden müssen, denen es um wirkliche Einheit gegen Faschismus und faschistische Methoden zu tun ist. Macht Euch frei von der "Einheitspartei", die der Einheit Deutschlands und der Einheit aller Schaffenden nur den Weg versperrt. [] gez. Dr. Fritz Löwenthal, [] ehemaliger Reichstagsabgeordneter der KPD [] Herausgeber: SPD Hamburg, Presse und Propaganda - Verantwortlich: Ernst Kähler [] Druck: Auerdruck GmbH., EP 36, Hamburg 1, Pressehaus - 3366/ 10000/ 10.47/ Kl. C Pol 190/ 10.47 [] Mit Genehmigung der Militärregierung.
Published:1947