Verfassung mit Volksentscheid. Für die Demokratisierung der Verfassungsordnung

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Verfassung mit Volksentscheid. [] Für die Demokratisierung der Verfassungsordnung. [] [] GRUNDGESETZ FÜR DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND [] Artikel 146 [] Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kra...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) / Linke Liste, Arbeitskreis Recht und Verfassung
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1994
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/7E8A9EE0-6DF4-41B0-B618-116D212BD94C
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Verfassung mit Volksentscheid. [] Für die Demokratisierung der Verfassungsordnung. [] [] GRUNDGESETZ FÜR DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND [] Artikel 146 [] Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist. [] Bonn am Rhein, am 23. Mai 1949. [] [] PDS LINKE LISTE IM BUNDESTAG [] [] Grundgesetz fordert neue Verfassung. [] [] Präambel des Grundgesetzes in der Fassung von 1949: [] "Das gesamte deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden." [] [] Für die Mütter und Väter des Grundgesetzes bestand also über zwei Dinge kein Zweifel: [] Das Grundgesetz wurde als "Provisorium" für eine "Übergangszeit" angesehen. Genau deshalb sollte es auch nicht Verfassung" heißen. [] Gerade aus diesem Grunde sollte das Grundgesetz keinem Volksentscheid unterworfen werden. [] [] "Es ist alter und guter Brauch, daß eine Verfassung durch das Volk sanktoniert [!][sanktioniert] werden soll. Aber wir wollen hier ja keine Verfassung machen ... einem Notbau gibt man nicht die Weihe, die dem festen Haus gebührt." (Carlo Schmid, Vorsitzender des Hauptausschusses, in der Schlußabstimmung über das Grundgesetz im Plenum des Parlamentarischen Rates am 8. Mai 1949) [] [] Auch in der Folgezeit gingen alle Parteien des Bundestages und das Bundesverfassungsgericht im Urteil gegen die KPD vom 17. August 1956 davon aus, daß mit der Vereinigung Deutschlands die verfassungsgebende Gewalt des deutschen Volkes zum Tragen kommen muß. [] [] Mit dem 3. Oktober 1990, dem "Jahrhundertereignis" der staatlichen Vereinigung Deutschlands, entstand eine neue Staatlichkeit. Es war unzweideutig jener Zeitpunkt gekommen, da nach Artikel 146 des Grundgesetzes das deutsche Volk "in freier Entscheidung" über seine endgültige Verfassung entscheidet. [] [] Deshalb beruft sich die PDS/Linke Liste mit Recht bei ihrer Forderung nach einer neuen Verfassung mit Volksentscheid auf den Verfassungsauftrag von 1949. Sie brachte als einzige Bundestagspartei am 12. Januar 1994 einen geschlossenen Verfassungsentwurf in den Bundestag ein. [] [] Das ist der Pfennig. Aber wo ist die Mark? [] [] Warum wird eine neue Verfassung verweigert? [] Verfassungsgebung schließt ein, daß die verfassunggebende Versammlung mit einfacher Mehrheit eine neue Verfassung beschließt. Mehrheiten für eine progressive Verfassungsänderung waren möglich gewesen. [] Verfassungsgebung bedeutet die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen einer umfassenden Verfassungsdebatte - bis hin zum Volksentscheid. Das erschien zu riskant. [] [] Deshalb wählte man den Weg einer "Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes" durch eine Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat, die ihre "Empfehlungen" mit Zweidrittel-Mehrheit faßte. Damit verfügten die konservativen Kräfte über ein Vetorecht. Das Volk wurde lediglich als Bittsteller zugelassen. [] [] Die wichtigsten Empfehlungen der GVK, die noch der Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates bedürfen, sind: [] "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." [] "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtssprechung." [] "Der Staat schützt auch in Verantwortung die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtssprechung." (Artikel 20a) [] "Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung." (Anfügung an Artikel 28 Absatz 2 Satz 2) [] "Der Staat achtet die Identität der ethnischen kulturellen und sprachlichen Minderheiten." (Artikel 20b) [] [] Die letztgenannte Empfehlung wurde von der CDU/CSU bereits wieder abgelehnt. [] Auf die wenigen, mehr marginalen Verfassungsverbesserungen trifft das zu, was Kurt Tucholsky in seinem Gedicht "Bürgerliche Wohltätigkeit" schrieb: "Gut. Das ist der Pfennig. Aber wo ist die Mark?" [] [] Mehr Demokratie verwirklichen! [] [] "'Wir sind das Volk', war richtig in einem totalitären System, für die Demokratie bedeutet dieser Slogan aber die Diskriminierung unseres parlamentarischen Systems." (Rupert Scholz, CDU, Vorsitzender der GVK) [] [] Der Verfassungsentwurf der PDS/Linke Liste bekennt sich zum Prinzip der partizipatorischen Demokratie, die repräsentative und unmittelbare Demokratie miteinander verbinden will. [] Nur bei der Länderneugliederung kennt das Grundgesetz Volksbegehren und Volksentscheid. Ansonsten beschränkt es sich auf das Prinzip der repräsentativen Demokratie und hat dadurch zur Entwicklung von Parteienabsolutismus und Politikverdrossenheit beigetragen. [] [] In Übereinstimmung mit Forderungen der Demokratiebewegungen entwickelt die PDS in ihrem Verfassungsentwurf konkrete Vorschläge, wie das Demokratieprinzip alle Bereiche des politischen und gesellschaftlichen Leben durchdringt: [] Die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte des Einzelnen gegen Bürokratie und Überwachungsstaat werden deutlich gestärkt. [] Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid ermöglichen es den Bürgerinnen und Bürgern, direkt auf den politischen Entscheidungsprozeß Einfluß zu nehmen. [] Erweiterte Frauenrechte zielen auf die Beseitigung der patriarchalischen Strukturen im Staat und im politischen System ab. [] Umfassende Teilhaberechte wie die Rechte auf Verfahrensbeteiligung und Bürgergutachten sollen die Demokratie realer und lebendiger gestalten [] Vielfältige Mitbestimmungs- und Informationsrechte der Lohnabhängigen öffnen den Weg für eine Demokratisierung der Wirtschaft. [] Alle länger als fünf Jahre hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer erhalten den vollen Bürgerstatus und damit das Wahlrecht und alle Grundrechte. [] [] Artikel 20 Grundgesetz in der Fassung von 1949: [] "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke ... ausgeübt." [] [] Sozialstaat ausbauen. [] [] Kaum eine andere Frage bewegt die Menschen im staatlich vereinigten Deutschland derart intensiv wie die ungelösten und sich auf vielfältige Weise verschärfenden sozialen Probleme. [] Verfassungsgebung hat sich auch damit zu befassen, wie und inwieweit Verfassungsnormen den mit den ökonomischen und sozialen Krisenentwicklungen verbundenen Alltagssorgen der Bürgerinnen und Bürger Rechnung tragen können und müssen. [] Die Gruppe der PDS/ Linke Liste bejaht dies in ihrem Verfassungsentwurf ausdrücklich. Es geht ihr um verfassungsrechtliche Barrieren gegen die Mißachtung elementarer Alltagssorgen seitens der Staatspolitik. [] Soziale Staatsziele und Grundrechte müssen die Politik binden. [] Erforderlich sind: [] Regelungen zur Begrenzung der Wirtschaftsfreiheit und zu den Zielen staatlicher Wirtschaftspolitik wie Vollbeschäftigung und ökologische Vertraglichkeit der Produktion, [] Verankerung von sozialen Grundrechten auf Arbeit und Arbeitsförderung, auf soziale Sicherung, auf Bildung, auf angemessenen Wohnraum und auf gesundheitliche Fürsorge [] Fixierung eines Diskriminierungsverbots gegenüber behinderten Menschen und eines Anspruchs dieser Menschen auf einen angemessenen Ausgleich. [] [] Im Verfassungsentwurf der PDS/Linke Liste heißt es dazu u. a.: [] [] Artikel 49 Recht auf Arbeit, Verbot der Zwangsarbeit [] (1) Jede Bürgerin und jeder Bürger hat das Recht auf Arbeit. Der Bund ist verpflichtet, durch eine Politik der Vollbeschäftigung und Arbeitsförderung, insbesondere durch den Ausbau der Arbeitsbereiche Umwelt, Altenpflege, Kinderbetreuung und Erziehung, für die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit zu sorgen, welches das Recht aller Bürgerinnen und Bürger umfaßt, den Lebensunterhalt durch frei gewählte Arbeit zu menschenwürdigen und gerechten Bedingungen zu verdienen. [] [] Artikel 51 Soziale Sicherung [] (1) jede Bürgerin und jeder Bürger hat Anspruch auf soziale Sicherung, die eine Grundsicherung einschließt. Damit ist eine von Dritten unabhängige Lebensführung zu ermöglichen, auch wenn die Teilnahme an der Erwerbsarbeit nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. [] [] Verfassung und Ostdeutschland. [] [] "Staatsverfassungen lassen sich nicht auf Menschen, wie Schößlinge auf Bäume pfropfen." (Wilhelm von Humboldt, 1791) [] [] Unter dem Druck der Bundesregierung lehnte die Volkskammer die Verfassung des Runden Tisches vom April 1989 ab. [] Die in der DDR selbstverständlichen Rechte auf [] Arbeit, Wohnung, Bildung, soziale Sicherheit und selbstbestimmte Schwangerschaft gingen im vereinigten Deutschland verloren. [] [] Der Verfassungsentwurf der PDS/ Linke Liste setzt sich dafür ein, daß diese und weitere Verfassungserfahrungen der Ostdeutschen in der Verfassungsordnung des staatlich vereinigten Deutschland Aufnahme finden. [] [] Ausgehend von den Erfordernissen des Einigungsprozesses fordert die PDS/Linke Liste darüber hinaus [] ein Staatsziel "Vollendung der Einheit Deutschlands" mittels der Herstellung gleichwertiger sozialer und wirtschaftlicher Lebensverhältnisse; [] die Einrichtung einer ostdeutschen Kammer, die die Rechte der Ostdeutschen im politisch-staatlichen Entscheidungsprozeß wahrnimmt; [] eine Toleranzregelung mit Verfassungsrang nach dem Vorbild des Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes vom 23. Dezember 1956, die eine Diskriminierung wegen "der politischen Haltung zur DDR" unmöglich macht. [] [] "Herr Heuer, daß Sie nun hierher kommen, und gleich einen kompletten Persilschein für die ganze Innung haben wollen, das grenzt an Unverschämtheit." (Detlef Kleinert, FDP, in der 22. Sitzung der GVK zum Vorschlag einer Toleranzregelung) [] [] Herausgeberin: PDS/Unke Liste im Bundestag, Arbeitskreis Recht und Verfassung [] Bundeshaus Bonn-Center, 53113 Bonn [] Über die o. g. Adresse kann der Wortlaut des Verfassungsentwurfs der PDS/Linke Liste kostenlos bezogen werden. [] Redaktion: Uwe-Jens Heuer (V.i.S.d.P.), Ekkehard Lieberam [] Reduktionsschluß: 15. 2. 1994 [] Foto: Joker
Published:1994