Soldaten, Kameraden

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; [!] = sic! Soldaten, Kameraden! [] Was wollt Ihr eigentlich in Berlin? Denkt genau nach, Ihr wißt es eigentlich selbst nicht ordentlich, und Auskunft, wenn Ihr fragt, erhaltet Ihr nur aus dem Munde Eurer Vorgesetzten! Was hat man Euch nicht a...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: N.N.
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 03.1920
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/6829DE82-2F66-4F5D-88AE-55BF7ACF3636
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; [!] = sic! Soldaten, Kameraden! [] Was wollt Ihr eigentlich in Berlin? Denkt genau nach, Ihr wißt es eigentlich selbst nicht ordentlich, und Auskunft, wenn Ihr fragt, erhaltet Ihr nur aus dem Munde Eurer Vorgesetzten! Was hat man Euch nicht alles schon erzählt? [] Den Ehrhardt-Truppen wurde in Döberitz mitgeteilt, es solle nur in guter Ordnung zu Noske marschiert werden, um die Auflösung der Baltikumtruppen als unnötig erscheinen zu lassen. [] Den Truppen, die Noske bewachten, hat man gesagt, sie könnten sich ruhig schlafen legen, es sei nichts los! Als sie aufwachten, standen die Baltikumer vor ihnen [] Anderen nach Berlin gezogenen Truppen wurde gesagt, hier seien Unruhen ausgebrochen, um Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten, seien sie hier. [] Nur einen kleinen Teil, denen man es zutrauen konnte, daß sie ihren Soldateneid ohne weiteres brechen würden, wurde ins Ohr getuschelt: Wir wollen die Regierung, wenn sie auch aus der Mehrheit des Volkes zusammen gesetzt ist, verjagen und uns an ihre Stelle setzen, dann solls Euch herrlich gut gehen! So ist es, der Landschaftsdirektor Kapp und der General Lüttwitz wollen, durch Euere Waffen geschützt, das ganze deutsche Volk so regieren, wie sie es für richtig halten. Das ist die Diktatur. Im Vorjahre gelang es den Kommunisten nicht, sie aufzurichten. Soll es jetzt mit Eurer Hilfe einem General von Lüttwitz gelingen? [] Was hat diese sogenannte Regierung in Wirklichkeit getan? Sie hat das deutsche Geld im Auslande, wo es in letzter Zeit im Werte fortgesetzt stieg, auf einen Schlag völlig wertlos gemacht. Wißt Ihr, daß Deutschlands Landwirtschaft nicht genug produziert, um uns alle ernähren zu können, daß alljährlich in den letzten Monaten vor der Ernte vom Auslage Lebensmittel gekauft werden müssen? Lüttwitz hat die deutsche Mark gekappt, sie gilt nichts im Ausland seit 3 Tagen. Wir können kein Mehl und Fleisch einführen. [] Und Ihr habt diese Leute, ohne es zu wissen, was Ihr dabei getan habt, noch mit Euren Waffen unterstützt! Deutschland schaffte in letzter Zeit zunehmend mehr Kohle, die Bergarbeiter leisteten eifrig Ueberstunden, die Wagenstellung wurde immer besser. Die Kapp-Leute in der Wilhelmstraße haben das alles zerschlagen. Die Bergarbeiter streiken, weil sie nach 4 Jahren und 1 Jahr glücklich abgewehrter Kommunistenherrschaft keine Offiziersdiktatur haben wollen. Welche Folgen das Aufhören der Kohlenförderung hat, ist heute noch nicht abzusehen! Und Ihr sollt Kapp und Lüttwitz dabei unterstützen, Deutschlands Grab zu schaufeln? [] Bayern, Baden Württemberg und Sachsen wollen nichts von dem Kapp ohne Verstand wissen. Sachsen hat seine in Berlin stehenden Truppen zurückgerufen. Die Süddeutschen unter den Truppen gelten als nicht mehr zuverlässig. In Hamburg haben die Soldaten den Wahnsinn nicht weiter mitgemacht. Senat und Bürgerschnft [!] [Bürgerschaft] haben sich für die alte Regierung erklärt. Es ist nicht wahr, daß dort der Generalsunsinn gesiegt hat. [] Und Ihr sollt dazu helfen, daß Deutschland doch zu Grunde geht? Euch will man verleiten den Treueid zu brechen, den Ihr der Republik geschworen? Das werdet Ihr nicht tun! Deswegen weigert Euch, das Verbrechen wildgewordener Alldeutscher, der Kapp und Lüttwitz zu unterstützen. [] Süddeutschland und Westdeutschland hält treu zur Regierung. Bildet Ihr Euch ein, daß Noske schläft? In ganz Mecklenburg stehen regierungstreue Truppen mit republikanischen Führern. Glaubt Ihr daß sich zehntausende gefallen lassen werden, daß die Republik durch Wahnwitzige zerstört wird? [] Morgen tritt in Stuttgart die Nationalversammlung zusammen. Die Reichsregierung ist beisammen, in den Reichsministerten hört man auch heute noch nur auf die Befehle der alten Regierung. Also wie kommt Ihr dazu, politisch Verrückten, wie sie jetzt in der Wilhelmstraße sitzen, Schutz angedeihen zu lassen? [] Soldaten, Kameraden, seid vernünftig, rettet Deutschland vor dem Untergang. Sagt dem Kapp und Lüttwitz den Gehorsam auf, sie haben Euch belogen und betrogen, Ihr gehört zur alten Regierung, der Ihr Treue geschworen.
Published:03.1920