Ein persönliches Wort richtet an Sie Adolf Arndt

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Ein persönliches Wort richtet an Sie Adolf Arndt [] Im August 1953 [] Liebe Wählerin! Lieber Wähler! [] Vier Jahre sind vergangen, seit das Vertrauen der Wähler mich in den ersten Bundestag als den Abgeordneten des Wahlkreises Hersfeld-Hünfel...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/51C57C55-21F8-4FAD-8AFF-7D25F7C10E15
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Ein persönliches Wort richtet an Sie Adolf Arndt [] Im August 1953 [] Liebe Wählerin! Lieber Wähler! [] Vier Jahre sind vergangen, seit das Vertrauen der Wähler mich in den ersten Bundestag als den Abgeordneten des Wahlkreises Hersfeld-Hünfeld-Rotenburg berief. Als ich mich damals um ihre Stimme bewarb, habe ich Ihnen nur das eine Versprechen gegeben, nämlich regelmäßig in den Wahlkreis zu kommen. Ihnen selbst steht jetzt das Urteil darüber zu, ob ich mein Versprechen hielt. Meinerseits danke ich allen, die in meine Versammlungen kamen, als ich Monat für Monat der Reihe nach in allen größeren Orten Rechenschaft über meine Arbeit im Bundestage ablegte. In meinen Sprechstunden haben die Menschen ihre Nöte an mich herangetragen. Durch zahlreiche Betriebsbesichtigungen wurde ich mit der Arbeit der werktätigen Menschen vertraut und lernte die wirtschaftlichen und sozialen Sorgen der Unternehmen und der Schaffenden kennen. Bei allen diesen Begegnungen haben Sie dazu beigetragen, daß mir in diesen schweren und mühevollen Jahren der Wahlkreis ans Herz wuchs. Er ist ein Teil auch meiner Heimat, nicht nur, weil eine meiner Großmütter aus Sontra stammt. [] Sie haben ein Anrecht darauf, auch etwas über mich selbst zu hören. Ich stehe im 50. Lebensjahr, bin ein Sohn des zuletzt an der Universität Marburg tätig gewesenen Professors der Rechtswissenschaft Adolf Arndt, bestand 1922 in Marburg das Abitur, 1925 in Kassel das Referendarexamen, wurde 1930 Richter in Berlin und war seit 1933 als Rechtsanwalt tätig. Seit 27 Jahren bin ich verheiratet und habe zwei erwachsene Kinder. Wie so viele Familie mußten wir 1945 neu anfangen, da wir zuvor unseren Wohnsitz in Marklissa/ Schlesien genommen hatten und dort durch die Austreibung alles verloren. Mein Junge kehrte erst 1949 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurück. Ich bekenne mich zum christlichen Glauben evangelischer Konfession und bin für die Kirche tätig. [] Nach dem Zusammenbruch hielt ich es für meine Pflicht, mich dem Neuaufbau des deutschen Staates zur Verfügung zu stellen und arbeitete bis zu meiner Wahl 1949 als Ministerialrat im Hessischen Justizministerium in Wiesbaden. Seither widmete ich mich ausschließlich der politischen Aufgabe, insbesondere der Vertretung meines Wahlkreises. [] Wie ich es bei meiner Wahl versprach, habe ich keinen je nach seiner Partei oder Konfession gefragt, auch nicht nach seiner politischen Vergangenheit. Mein Bemühen ist, für alle da zu sein. Keiner der vielen Briefe an mich blieb unbeantwortet. Mein Bestreben war und ist, jedermann gerecht zu werden und nach besten Kräften zu helfen. Dankbar bin ich allen, die sich an mich wandten, insbesondere den Gemeinden und Betrieben, die meine Unterstützung für die Schaffung neuer Arbeitsplätze, für den sozialen Wohnungsbau, für Errichtung von Sportanlagen und in vielen anderen Nöten in Anspruch nahmen. Für mich kann es keine größere Freude geben, als helfen zu dürfen. Jetzt haben Sie zu entscheiden, ob mein Bemühen fruchtbar war. [] Hilfe war auch das Ziel meiner Arbeit im Bundestag. Jahr für Jahr suchte ich durch Reden und Anträge die Aufmerksamkeit des Bundestages auf die brennende Not an der Zonengrenze zu lenken. Ich verlangte die von der Bundesregierung noch immer verweigerte Anerkennung Nordhessens als Notstandsgebiet, unterstützte die Fortführung des Kupferbergwerkes Sontra und erreichte durch meinen Antrag, daß seine Siedlungsgemeinden jetzt 2,1 Millionen DM vom Bund zur kommunalen Erstausstattung bekommen. Beklagen muß ich aber, daß die Bundesregierung Adenauer die Zonengrenzgebiete vernachlässigte. [] Das Land an der Werra, der Fulda und der Haune darf nicht verdorren; denn es ist deutsches Herzland und muß durch die Wiedervereinigung in Freiheit wieder Mitte und Kernstück werden. [] Ich fordere, daß die deutsche Einheit in Freiheit das erste und vordringlichste Ziel aller deutschen Politik sein muß. Friedlich ist dieses Ziel nur durch unverzügliche Viermächteverhandlungen zu erreichen, um unsere von der sowjetrussischen Unterdrückung gequälten und versklavten Landsleute jenseits des Eisernen Vorhangs endlich zu befreien. Deshalb verwerfe ich Adenauers Verträge von Bonn und Paris, die der Wiedervereinigung entgegenstehen, die uns die Gleichberechtigung nicht bringen und die auch keine Sicherheit begründen, sondern das Kriegsrisiko erhöhen. Unsere Zugehörigkeit zum freien Westen steht außer Frage, aber wir müssen alle zusammenstehen und zu einer Gemeinsamkeit in der deutschen Außenpolitik kommen, um auch den Westmächten klarzumachen, daß wir Deutschen kein Volk minderen Ranges sind und daß eine Fortdauer unserer Spaltung eine furchtbare Kriegsgefahr für die Welt bedeutet. Allein durch Verhandlungen kann die notwendige Entspannung erreicht werden. Der heldenmütige Aufstand der Deutschen in der Sowjetzone verpflichtet die westliche Welt zum Beistand und hat der Sowjetunion bewiesen, wie vergeblich ihr Terror ist. Am Verhandlungstisch muß daher die Sowjetunion vor die Frage gestellt werden, ob auch sie jetzt vom kalten Krieg ablassen und die Einheit eines freien Deutschland zugestehen will. Das deutsche Volk ersehnt den Frieden und braucht um der Kriegsverhütung willen seine Einheit in Freiheit. Das deutsche Volk hat in den Weltkriegen mutig und ehrenvoll die Waffen getragen. Es wird sich auch in Zukunft an Freiheitsliebe, Heimatverbundenheit und notfalls Verteidigungsbereitschaft nicht übertreffen lassen. Aber es will die Gewißheit haben, daß es der Verteidigung des Friedens, seiner Einheit als freies Volk und seines ungeteilten Vaterlandes sicher ist. Schließen wir uns zusammen in dem unüberhörbaren Ruf: [] Wiedervereinigung jetzt! [] Der Weg zur Einheit verlangt aber auch in unserer inneren Politik, daß anders als bisher die soziale Gerechtigkeit der Maßstab werden muß. Die harten Lasten des letzten Krieges sind ungerecht verteilt worden. Die von der Welt bewunderten Leistungen aller Schaffenden sind durch die stets von mir bekämpfte, einseitige Politik der Parteien der Bonner Regierungskoalition ganz überwiegend den wirtschaftlich Mächtigen zugute gekommen, aber in ihrem Ertrag den Arbeitern und Angestellten, den Beamten und Handwerkern, den Landwirten und der Kaufmannschaft, besonders aber den Rentnern, Kriegsopfern, Heimatvertriebenen und allen sonst Kriegs- und Besatzungsgeschädigten, den Arbeits- oder Wohnungslosen vorenthalten worden. Nur die Großen bekamen die süßesten Früchte. Prüfen Sie bitte selbst, ob nicht die den Großen gefällige Interessen-Politik der bisherigen CDU-FDP-DP-Mehrheit im Bundestag keine Rücksicht nahm auf Ihre Erwartungen und die berechtigten Anliegen vieler Volkskreise außer Acht ließ und auch den Mittelstand, die Bauernschaft und die Beamten ebenso enttäuschte wie die Angestellten und die Arbeiter. Alle sind doch aber Glieder des einen Volkes und aufeinander angewiesen. Jetzt haben Sie selbst die Wahl. Wollen Sie nicht durch Ihre Stimme mithelfen, daß ein besserer Bundestag gewählt wird, dessen Politik mehr dem Wohl des ganzen Volkes dient? Jeder Deutsche soll in der Demokratie nicht allein politisch, sondern muß endlich auch wirtschaftlich und sozial ein vollberechtigter Bürger seiner Heimat werden Ich bekenne mich daher zum sozialen Rechtsstaat, der sowohl jede rechtschaffene Arbeitsleistung und das wohlerworbene Eigentum, als auch die Menschenwürde und nicht zuletzt die Hilfsbedürftigkeit und das Lebensrecht der Notleidenden und Benachteiligten achtet. [] Als freiheitlicher Sozialdemokrat rufe ich alle und jeden, an welchem Platze im Leben unseres Volkes er auch stehen möge, zur Mitwirkung am Kampf um eine neue Gemeinschaft: für den Frieden! für die deutsche Einheit in Freiheit! für soziale Gerechtigkeit! für wirtschaftlichen Wohlstand! für ein Europa, dessen Glied ein freies, wirklich gleichberechtigtes und ganzes Deutschland ist! [] Adolf Arndt [] Als Abgeordneten Ihres Vertrauens für die Kreise Hersfeld - Rotenburg - Hünfeld wählen Sie bitte Dr. Adolf Arndt in den Bundestag und geben Sie Ihre Zweitstimme der Liste 1 SPD
Published:06.09.1953