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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Sozialdemokratischer Informationsdienst [] Frau und Gesellschaft [] Nr. 9 [] August 1980 [] partei [] Die ASF-Modellaktion: Gegen Diskriminierung in der Werbung [] Der ASF-Bundesvorstand hat in einem Gespräch dem Deutschen Werberat, einer Institution der freiwilligen Selbstkontrolle in der Werbung, seine Meinung vom Mißbrauch von Frauen in der Werbung dargelegt. Unterstützt wurde der ASF-Bundesvorstand dabei durch die Vorsitzende der AG-Verbraucherpolitik der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Anke Martiny-Glotz und Prof. Dr. Christine Schmerl, Soziologin an der Universität Bielefeld. [] - "Die Darstellung der Frauen in der Werbung muß sich messen lassen an zwei Grundgesetzartikeln: Art. 1, der besagt: ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar', und Art. 3, der die Gleichberechtigung der Geschlechter festlegt. Die einschlägigen Werbegesetze stellen zwar eindeutige Zusammenhänge zu diesen beiden Grundgesetzartikeln nicht ausdrücklich her, und auch die Rechtsprechung ist in dieser Hinsicht noch nicht sehr weit entwickelt, aber es steht doch außer Frage, daß die freie Berufsausübung in der Werbung niedriger rangiert als die Menschenwürde." [] - Frauenbilder - vor allem der nackte, halbnackte oder besonders sexy umhüllte Frauenkörper - werden werbend eingesetzt, und zwar überwiegend nicht für Gegenstände, die vorwiegend nur Frauen verwenden, sondern um Fernseher, Feuerzeuge, Autos, Waschbecken, Toilettenpapier, Urlaubsreisen, Autoreifen und vieles andere mehr anzupreisen. Es handelt sich um reine Blickfangwerbung, die vor allem an Personen männlichen Geschlechts gerichtet ist und mit weiblichen Personen wirbt. [] - Die wissenschaftlichen Untersuchungen von Frau Prof. Dr. Christine Schmerl aus Bielefeld haben erbracht, daß "Werbung ein bestimmtes Bild von Menschen mitverkauft". So ergibt sich, "daß sich auf den Werbebildern auf seiten der Männer Überlegenheit, Expertentum, Initiative und körperliche Überlegenheit, auf seiten der Frauen Unterlegenheit, Unwissenheit, Passivität, Schwäche und körperliche Verfügbarkeit aus dem Zueinander der gezeigten Personen deutlich ablesen" lassen. [] - "Durch die millionenfache Dauerberieselung mit veralteten femininen Leitbildern wird ‚falsches Bewußtsein' bei Frauen, Männern und Kindern gefördert. Diese Werbung ist diskriminierend, weil sie: [] - ‚ein einseitiges und verlogenes Bild von der Realität der Frauen zeichnet' [] - ‚Vorstellungen von einer ‚mormalen', ‚richtigen', ‚idealen' Frau auf eine zwanghafte Gleichförmigkeit von 4-5 typischen Frauenklischees festlegt' [] - ganz gezielt die Minderwertigkeit, die Benutzbarkeit und insbesondere die sexuelle Ausbeutbarkeit der Ware Frau propagiert, um sie für Werbezwecke profitabel zu machen." [] Der Werberat konnte sich dieser kritischen Haltung zwar nicht anschließen, war aber bereit, nach dem 5. Oktober weitere praktische Beweise für die oben angeführte Kritik entgegenzunehmen und mit dem ASF-Bundesvorstand Maßnahmen dagegen zu beraten. Wir bitten alle ASF-Frauen: Achtet bis nach der Wahl auf frauendiskriminierende Werbung und teilt dem Frauenreferat in Bonn Eure Beobachtungen mit und schickt entsprechende Anzeigen (SPD-Parteivorstand, Frauenreferat, z.Hd. Anni Jansen, Ollenhauerstraße 1 5300 Bonn). Macht Aktionen vor Ort ("Leute, kauft kein Menschenfleisch"). Wählt bewußt die Produkte, die ohne Fleischbeschau auskommen. Wendet Euch an das Referat Frauen, wenn Ihr Argumente, Material etc. braucht. Wir wollen noch ein Flugblatt zu diesem Thema in unserer Reihe "Aktuelles für Frauen" herausbringen. [] Vernünftiger Umgang mit wertvollen Rohstoffen [] Recycling-Papier [] aktuell [] Aktivitäten der Arbeiterwohlfahrt: [] Auf einer Sitzung des Fachausschusses Familie beim Bundesverband der AWo, Bonn, Ollenhauerstr. 3, führte Prof. Dr. J. Esser zum Thema "Gewalt in unserer Gesellschaf t - neue Auf gaben für die Sozialarbeit." folgendes aus: [] "Als Leitwerte für gewaltfreies Handeln schälen sich heraus: Kooperation, Bedürfnisorientierung, Autonomie, Solidarität. Der Referent nennt 4 Elemente für kritische Sozialarbeit, um notwendige gesellschaftliche Korrekturen zu erzielen: [] - 1. Familienarbeit, Schulsozialarbeit sollten zunehmend in den Mittelpunkt gestellt werden, daß Kinder und Jugendliche sich nicht mehr unterzuordnen haben. [] - 2. Im Schulalltag und in anderen gesellschaftlichen Institutionen prägt der Konkurrenzkampf noch zu sehr die menschlichen Beziehungen und produziert Apathie, Versagungsängste u.a. ; Kooperation und politischer Dialog müssen statt dessen gefördert werden. [] - 3. Es muß eine "Grammatik des Alltagsverhaltens gegenüber Gewalt" gelernt werden. Z. Zeit besteht die- Reaktion entweder in Gegengewalt oder Flucht. Statt Gewaltverherrlichung muß Haß auf Gewalt erzeugt werden. Es müssen Verfahren für das Erlernen einer gewaltfreien Lebenskultur aufgebaut werden. [] - 4. Die Frage, ob diese Forderungen utopisch sind, fordern die Sozialarbeit heraus anders als mit "Ruhigstellung", "Verwaltung" oder "Versorgung" zu antworten." [] Die AWo macht auf mehreren Gebieten mit der Verwirklichung dieser kritischen Sozialarbeit ernst. Z.B. Frauenhäuser: [] So beantragte der Fachausschuß Familie der AWo: [] - "Die Bundeskonferenz 1980 möge beschließen, daß die AW-Bezirks- und Landesverbände aufgefordert werden, Frauenhäuser einzurichten." In der Stellungnahme der AWo zur öffentlichen Finanzierung von Frauenhäusern heißt es: [] "Es ist ein Verdienst der Frauenhausinitiativen, auf dieses Problem aufmerksam gemacht zu haben, denn die Frauenmißhandlung, ein im Privatbereich weitverbreitetes Phänomen, war bis vor kurzem der öffentlichen Diskussion vorenthalten. Es fand deshalb auch keine Beachtung in der Rechtsprechung, in den sozialen Institutionen und in der wissenschaftlichen Forschung. Männliche Gewalt wurde bislang als privates Problem und als eine Randerscheinung familiären Lebens verstanden sowie häufig durch Erklärungen z. B. Alkoholismus verharmlost und gerechtfertigt. Eine Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Verursachung und den sozialen Konsequenzen erfolgte deshalb nicht und die sozial bedingten Abhängigkeits- und Machtverhältnisse in Ehe und Familie - als eine wesentliche Ursache des Phänomens - blieben unangetastet. [] Die berechtigten Erwartungen an die Bundesländer und Kommunen, öffentliche Mittel für die Einrichtung und Führung von Frauenhäusern zur Verfügung zu stellen, werden bislang unzureichend eingelöst. Die Frauenhausinitiativen lehnen die teilweise angebotene und praktizierte Förderung nach § 72 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ab, sowie den mit der öffentlichen Mittelvergabe politisch verbundenen Kontroll- und Überwachungsanspruch staatlicher und kommunaler Stellen. [] Die Arbeiterwohlfahrt teilt die Auffassung, die sich unter den Sozialhilfeträgern zunehmend herausbildet, wonach die Grundsätze der Sozialhilfe dem Hilfeansatz in der Frauenhausarbeit mit seinen wesentlichen Handlungsprinzipien "Offenheit des Hauses" für alle Frauen, sowie "Selbstorganisation" und "Selbstbestimmung" - d.h. die Frauen bestimmen selbst z.B. wie lange sie bleiben wollen - entgegenstehen. Die Sozialhilfe [] - folgt dem Grundsatz der Individualhilfe und knüpft insbesondere bei den "Hilfen in besonderen Lebenslagen" an bestimmten Merkmalen der hilfesuchenden Person an. Der § 72 BSHG lautet: "Personen, bei denen besondere soziale Schwierigkeiten der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft entgegenstehen, ist Hilfe ... zu gewähren, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind" und [] - ist an die Überprüfung der im Gesetz definierten Hilfevoraussetzungen gebunden, was zwangsläufig eine Einzelfallüberprüfung zur Folge hat. [] Die Arbeiterwohlfahrt ist der Ansicht, daß die öffentliche Finanzierung den genannten Arbeitsprinzipien in der Frauenhausarbeit nicht entgegenstehen dürfen. Diese Prinzipien sind vielmehr zu garantieren und zu fördern. Die Arbeiterwohlfahrt lehnt die Förderung der Frauenhäuser auf der Grundlage des § 72 BSHG ab, [] - weil die Inanspruchnahme des Hauses und seiner Angebote die Überprüfung des Einzelfalles notwendig macht und damit das Prinzip der "Offenheit des Hauses" für alle Frauen, die ihrer Meinung nach der Aufnahme bedürfen, verhindert; [] - weil nur ein Teil der im Frauenhaus lebenden Frauen dem § 72 BSHG zugeordnet werden kann. Die meisten Frauen sind entsprechend ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihrer gesellschaftlichen Situation durchaus fähig, am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen. Die Anwendung des § 72 BSHG würde gerade diese Frauen in unzulässiger Weise zu "Fürsorgefällen" und "Randgruppen" stempeln. [] Die Arbeiterwohlfahrt setzt sich jedoch ein [] - für die institutionelle Förderung der Frauenhäuser; [] - für die anteilige Übernahme der Sach- und Personalkosten durch die Kommunen und die jeweiligen Bundesländer; [] - für eine Regelung nach § 11 ff. BSHG für den Fall, daß Hilfe zum Lebensunterhalt erforderlich ist; [] - für die Aufnahme auch der Frauen im Frauenhaus, die für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen und denen demnach keine Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 11 ff. BSHG zusteht; [] - für die Schaffung finanzieller Voraussetzungen durch die öffentlichen Finanzträger für nachfolgende Angebote außerhalb des Frauenhauses (z.B. Beratung, Erziehungshilfen, Wohngemeinschaften)." [] Der Bezirksverband der AWo Niederrhein e. V. hat an die Mitglieder des Rates der Stadt Essen einen "offenen Brief" geschrieben, um die Gründung eines schon lange geplanten "Instituts für Schwangerschaftskonflikte" zu beschleunigen: [] In den letzten Wochen und Monaten war wiederholt unser geplantes "Institut für Schwangerschaftskonflikte" Gegenstand der öffentlichen Diskussion in Essen. Mit unsachlichen Vorwürfen und teilweise falschen Darstellungen wurde dabei offensichtlich auch versucht, unsere geplante Einrichtung in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. [] Wir sehen uns deshalb veranlaßt, noch einmal umfassend und unmißverständlich darzulegen, welche Aufgaben und Ziele wir mit unserem "Institut für Schwangerschaftskonflikte" erreichen wollen. Gleichzeitig hoffen wir, damit auch zur Versachlichung der weiteren Diskussion beizutragen. [] Um der Frau unnötige Belastungen zu ersparen, zeitliche Verzögerungen - und damit mögliche gesundheitliche Gefährdungen - weitgehendst zu vermeiden und eine notwendige Koordination ärztlicher und sozialer Beurteilung zu gewährleisten, sollen Arzt und Sozialberater an einer Stelle zusammengefaßt werden. - Diese Bedingung stellt das Land Nordrhein-Westfalen für die Vergabe von Landesmitteln an Träger entsprechender Beratungsstellen. [] Diese Einschätzung, die von der Arbeiterwohlfahrt inhaltlich geteilt und bereits in allen AW-Beratungsstellen praktiziert wird, ist auch konzeptioneller Ausgangspunkt für das "Institut für Schwangerschaftskonflikte". [] Die bisherigen Erfahrungen in der Beratungstätigkeit erfordern jedoch nach Auffassung der Arbeiterwohlfahrt und vieler Fachleute eine qualitative Weiterentwicklung der Beratungsstruktur und -organisation. [] Die derzeit praktizierte Beratung ist nicht in der Lage, die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. So haben die Frauen in der Regel ihre Entscheidung bereits getroffen und kommen mit großem Mißtrauen und zurechtgelegten Argumenten zur "zwangsweise" vorgeschriebenen Beratung, die sie häufig als "Prüfungssituation" empfinden. [] Die Beratung selbst findet unter Zeitdruck statt und reicht kaum aus, ein für die Beratung erforderliches Vertrauensklima zu schaffen, ganz zu schweigen von der Möglichkeit, die wirklichen Konfliktursachen, die nahezu immer außerhalb der aktuellen Situation liegen, mit einzubeziehen. [] Nach unserer Auffassung, die wir im "Institut" entsprechend realisieren wollen, muß deshalb diese Beratung so früh und so umfassend wie möglich angeboten werden, um dem Entstehen schwerer Konfliktsituationen frühzeitig zu begegnen und ungewollte Schwangerschaften zu verhindern. Deshalb soll die wichtigste und quantitativ umfangreichste Aufgabe des "Instituts" in einem breiten qualifizierten Angebot in den Bereichen Sexualerziehung, -beratung, Familienplanung, Ehe- und Lebensberatung und weiteren Bereichen der Vorsorge bestehen. Die Verwirklichung dieses Anspruchs wollen wir mit einer ausreichend großen Zahl qualifizierter hauptamtlicher Mitarbeiter/innen aus den verschiedensten Berufsfeldern sichern. [] Im "Institut für Schwangerschaftskonflikte" wollen wir die Möglichkeit schaffen, den Kontakt zu einer Vertrauensperson unmittelbar vor, während und vor allem sofort nach dem Eingriff aufrechtzuerhalten und fortzusetzen. Dies macht allerdings die Zusammenfassung von Beratung und ärztlicher Praxis erforderlich. Deshalb soll den Beratungsangeboten im Institut eine gynäkologische Arztpraxis angegliedert werden, in der neben den üblichen gynäkologischen Aufgaben, mit dem Schwerpunkt Familienplanung, auch Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind und sich keine anderen Lösungsmöglichkeiten ergeben haben. [] Die Arbeiterwohlfahrt hat immer deutlich gemacht, daß der Schwangerschaftsabbruch für sie kein geeignetes Mittel der Familienplanung darstellt, sondern nur der letzte Ausweg aus einer verzweifelten Lage sein kann. Sie hat sich aber auch immer dazu bekannt, den Frauen, die in Not geraten sind, die gesetzlich möglichen Hilfen anzubieten. Darüber hinaus müssen jedoch geeignete Möglichkeiten gefunden und verwirklicht werden, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern und das Problem "Schwangerschaftsabbruch" langfristig zu lösen. [] Die ASF sieht in diesen Aktivitäten einen fundierten und praktisch realisierbaren Weg mit der alltäglichen Gewalt, der Frauen und Kinder in unserer Gesellschaft ausgesetzt sind, fertig zu werden. Für sie ist der Weg, den Gerhard Mauz im "Spiegel" vom 4.8.80 beschreibt, nicht gangbar: [] "Nach der erfolgreichen Verteidigung eines der Vergewaltigung angeklagten Mannes mußte Nicolas Becker eine neue Erfahrung machen. 50 Frauen stürmten sein Büro, streuten Dessous und gossen Parfüm aus, sie photographierten ihn mit einem Schild , Zuhälteranwalt' vor der Brust." [] personalien [] Margot Brunner, ehemalige Redakteurin der IG-Metall Zeitschrift "metall", die im April 1980 zu der Alice-Schwarzer-Zeitschrift "Emma" überwechselte, wurde nach nicht einmal drei Monaten von Frau Schwarzer wieder gefeuert. Margot Brunner, die zunächst einen Artikel der "metall" "Alice im Unternehmerland" scharf kritisiert hatte: "Aus keiner Zeile war zu entnehmen, daß es sich bei ‚Emma' um ein alternatives Projekt handelt, mit all den Schwierigkeiten, denen emanzipatorische Bewegungen in unserer Gesellschaft ausgesetzt sind", ist von dieser Ansicht gründlich kuriert: "Das ist kein alternatives Projekt. Das ist ein kapitalistischer Kleinbetrieb mit patriarchalischer Führung und allen Nachteilen, die Arbeitnehmer in Kleinbetrieben haben." [] Wir können nur präzisieren: ...und mit den besonderen Nachteilen, die weibliche Arbeitnehmer in patriarchalischen Kleinbetrieben haben... [] Herausgeber: SPD-Parteivorstand (Verantwortlich Hanspeter Weber) Redaktion: Anni Jansen; Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF); Ollenhauerstraße 1, 5300 Bonn 1, Tel. (0 22 21) 53 22 06 Druck: NW Druck & Service!
Published:1980