An die Wählerinnen und Wähler! . Zu den bevorstehenden Gemeindewahlen am 15.09.1946

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; An die Wählerinnen und Wähler! [] Zu den bevorstehenden Gemeindewahlen am 15. 9. 1946 haben wir [] 3 Kirsch, Helene, Schützenstr. 86 Ehefrau SPD. [] 4 Langer, Franz, Schützenstr. 81 Vorarbeiter SPD. [] 6 Sauer, Fritz, Schützenstr. 75 Gatter...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 15.09.1946
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/A2E4C998-BE8B-4850-953F-65843386AF51
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; An die Wählerinnen und Wähler! [] Zu den bevorstehenden Gemeindewahlen am 15. 9. 1946 haben wir [] 3 Kirsch, Helene, Schützenstr. 86 Ehefrau SPD. [] 4 Langer, Franz, Schützenstr. 81 Vorarbeiter SPD. [] 6 Sauer, Fritz, Schützenstr. 75 Gatterschneider SPD. [] uns als Kandidaten aufstellen lassen. Wir bitten Sie höflichst, uns Ihr Vertrauen und damit zugleich Ihre Stimme zu geben. Im folgenden geben wir Ihnen einen kurzen Überblick über unsere Einstellung zu den dringendsten Fragen deutscher Zukunft, aus denen Sie ersehen mögen, was Sie von uns und unserer Arbeit im Gemeinderat erwarten dürfen. Wir alle sind Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei und damit in unserer Grundeinstellung zu den großen sozialen und demokratischen Existenzfragen des Reiches eindeutig positiv festgelegt. Im Rahmen der Gemeindlichen Selbstverwaltung sind es jedoch im wesentlichen Fragen der alltäglichen Existenz, die wir zu lösen mithelfen wollen, und darum sollen Sie vor allem hierzu unseren Standpunkt kennenlernen. Wir greifen die dringendsten Probleme heraus. Hören Sie, was wir dazu zu sagen haben: [] 1. Zur Flüchtlingsfrage: Unsere Grundhaltung ergibt sich aus folgendem Grundsatz: [] Die Sozialdemokratie, und somit auch wir, kannte noch nie Menschen zweiter Klasse. Die vollberechtigte Eingliederung ist höchstes Ziel. Unsere Haltung ist klar, eindeutig, sozial und gerecht. [] 2. Zur Ernährungsfrage: Das gesamte Sozialprodukt, alles, was deutscher Boden und deutsche Wirtschaft herzugeben vermögen, gehört dem ganzen Volke. Nur wenn gerecht verteilt wird, ist für jeden Lebensmöglichkeit. Wir fordern daher: Planmäßige Verteilung, planmäßige Produktion, planmäßige Bodenbearbeitung, dazu ergänzend planmäßigen Industrieausbau, planmäßige Arbeitslenkung. Export und Import dürfen nur ein Ziel kennen: Das Dringendste zuerst, dem Bedürftigsten zuerst. (Lesezeichen und bemalte Wandkacheln können wir gut entbehren!) [] 3. Zur Wohnraumfrage: Vorhandener und neuzuschaffender Wohnraum kann nicht der privaten Verfügung überlassen werden, solange solcher Wohnraummangel besteht, wie er durch den totalen Wahnsinn des Krieges herbeigeführt wurde. Wer heute "freie Bauwirtschaft" ohne "Baulenkung" verlangt, verweist praktisch die Bauwirtschaft auf den "schwarzen Markt". Wir bekennen uns zur straffen, intensiven, gemeindlichen und genossenschaftlichen Wohnraumlenkung mit dem Hochziel: [] Jeder Familie ihren eigenen Herd! [] Der Weg ist weit, das Ziel noch fern, bis dahin gilt für uns das Wort: [] Kein Wohnraum ungenutzt, jedem gebührt ein Dach über dem Kopf. [] 4. Zur Heizungsfrage: Zur Heizmaterialfrage gilt das gleiche wie zur Ernährungsfrage. Das gesamte Produkt gehört der Allgemeinheit. Von einer zentralen gemeindlichen Verteilung kann auf keinen Fall abgesehen werden. Alle Privat- und Geschäftsinteressen haben angesichts der Notlage zu schweigen. [] 5. Zur Rentenfrage: Wir werden nicht ruhen, solange auf diesem Gebiet nicht den Grundsätzen der Menschlichkeit Genüge geschehen ist. Wer Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und Lebensglück opferte, hat Anspruch auf unsere Hilfe. Wir fordern daher großzügigen Neubau der Sozialversicherung. Solidarische Nächstenhilfe ist das Grundprinzip. Wo Millionen enteignet sind durch die Schrecken des Krieges können nicht Wenige den ungeschmälerten Besitz ihres Erbes verlangen! [] Aus dieser unserer Stellungnahme zu einigen der dringendsten Tagesfragen mögen Sie die Linie unserer Haltung entnehmen. Wenn Sie mit unserer Zielsetzung einverstanden sind, geben Sie uns Ihre Stimme am 15. September 1946. [] Hochachtend [] Helene Kirsch [] Lassen Sie uns noch hinzufügen einiges Grundsätzliche sozialdemokratischer Forderungen: [] Die SPD fordert unter anderem: [] a) Selbstverwaltung: = für das Volk, durch das Volk und mit dem Volk. [] b) Frieden und Demokratie: = als die unerläßlichen Voraussetzungen für Deutschlands Weiterexistenz. [] c) Lastenverteilung: = streng nach dem Grundsatz: Jedem das, was er tragen kann. Nicht die Last den sozial Schwachen, sondern den ökonomisch Starken und den am Unglück Deutschlands Schuldigen! [] d) nationale und internationale Gesundung: = ein lebensfähiges Deutschland in einem gesunden friedlichen Europa mit vernunftmäßiger Eingliederung in die gesamte Weltwirtschaft. [] e) Toleranz auf Gegenseitigkeit: = gesunde menschenwürdige Duldsamkeit anderen Anschauungen gegenüber. Dabei muß 100prozentige Toleranz auch von der Gegenseite erwartet werden, woran es leider oft zu fehlen scheint! [] f) Neubau durch Sozialismus: = Vernunftgebotene Besitzverteilung besonders nach der radikalen Umschichtung durch die große Wertvernichtung und Verarmung durch den totalen Wahnsinn des totalen Krieges und den totalen Zusammenbruch. Die private Beherrschung wichtiger Produktionsmittel ist nicht mehr tragbar. Die Gesamtheit allein kann noch als Träger in Betracht kommen. Handel, Handwerk, kleine Industrie, Bauern, Arbeiter und Intellektuelle sind daran gleicherweise interessiert. Keine wahrhafte Demokratie ohne demokratisierte Wirtschaft. Alle Parolen von "Marxismus" und Enteignung der kleinen selbständigen Existenzen sind Spekulation auf Unerfahrenheit und mangelnde Kenntnis der Dinge zum Schutze unberechtigter Privatinteressen. Nur die Ordnung der Dinge hat Berechtigung, die ein lebenswertes Dasein für alle garantiert. Diese Form ist das Ziel der Sozialdemokratie! Arbeiter, Bauern und Handwerker, Gewerbetreibende und Intellektuelle gehören daher in die SPD. [] g) Neu- und Ausbau der Sozialversicherung: = kein Volk der Erde ist so verarmt wie wir. Also brauchen auch wir die beste Sozialversicherung mit ausgiebigem Schutz für Alte, Kranke, Schwache, Arbeitsunfähige, Kriegs- und Naziopfer. Die Basis ist Solidarhaft des ganzen Volkes. [] h) Schaffung der Reichseinheit: = die weitgehende demokratische Selbstverwaltung soll der Grundstein sein zum Aufbau eines lebensfähigen demokratischen einheitlichen deutschen Reiches. Alle heutigen Formen von der Gemeinde- über Kreis-, Bezirk- und Länderverwaltung können nur Bausteine sein, die sich organisch einfügen in das einstige Deutsche Reich als gleichberechtigter Teil eines geeinten Europa und einer organisch zusammenarbeitenden Welt.
Published:15.09.1946