Richtlinien für den Aufbau der Deutschen Republik

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Richtlinien für den Aufbau der Deutschen Republik [] Beschlossen in der Sitzung des Vorstandes der SPD am 13. und 14. März 1947. [] A. [] 1. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands fordert, daß die Verfassung der Deutschen Republik die Mö...

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Bibliographic Details
Main Author: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 13.03.1947 - 14.03.1947
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/CC88F563-22D4-4215-A870-3BBF86BDDECA
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author Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
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collection AdsD leaflets
dateSpan 13.03.1947 - 14.03.1947
description Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Richtlinien für den Aufbau der Deutschen Republik [] Beschlossen in der Sitzung des Vorstandes der SPD am 13. und 14. März 1947. [] A. [] 1. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands fordert, daß die Verfassung der Deutschen Republik die Möglichkeit einer künftigen Zugehörigkeit Deutschlands zu einem europäischen Staatenbund berücksichtigt. Die friedliche Entwicklung zu einem europäischen Bunde verlangt eine. klare Absage an jede Politik eines nationalen Egoismus, der sich unter Ausnutzung der politischen Machtstellung durch den jeweils Mächtigen auf Kosten des jeweils Schwächeren insbesondere in Annexionen, äußert. Annexionen können nicht die Grundlage friedlicher Entwicklungen bilden. [] Die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts sind bindende Bestandteile des Reichsrechts. Sie sind für den Staat und für den einzelnen Staatsbürger verbindlich. [] Die Verfassung soll Bestimmungen enthalten, die es ermöglichen, durch Reichsgesetz Hoheitsrechte im Rahmen internationaler Vereinbarungen an internationale Institutionen zu übertragen [] 2. Die deutsche Sozialdemokratie bekennt sich zur politischen und staatsrechtlichen Einheit Deutschlands. Sie lehnt unter Anerkennung stammesmäßiger Besonderheiten jeden offenen oder versteckten Separatismus und Partikularismus ab. Die Verfassungen der Länder dürfen nicht enthalten, was der Reichseinheit entgegenstehen kann. Daher haben die Länderverfassungen einen Vorbehalt aufzunehmen, daß Reichsrecht Länderrecht bricht. Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung müssen diesen Grundsätzen folgen. [] 3. Die deutsche Sozialdemokratie lehnt die Umwandlung der Deutschen Republik in einen Staatenbund ab, weil ein Staatenbund nach außen die Entwicklung zu einer europäischen Einheit hemmen und nach innen einer unerwünschte Zersplitterung der zur Gesundung und zum Aufbau erforderlichen Kräfte bedeuten würde. Deutschland wäre bei einer Auflösung in selbständige Staaten nicht lebensfähig. Es liegt kein Grund vor, Deutschland auf längst überlebte Zustände zurückzubringen. Die Entwicklung zu größeren staatlichen Einheiten ist nicht nur eine deutsche oder europäische Erscheinung, sondern eine Tatsache, die in der allgemeinen Entwicklung zur Universalität und in der Natur der modernen Technik liegt und darum eine generelle Erscheinung des politischen und wirtschaftlichen Lebens aller Kontinente ist. [] 4. Die Deutsche Republik wird ein Bundesstaat sein müssen, in dem sowohl die Einheitlichkeit der Regierungsgewalt als auch die damit vereinbarte Eigenständigkeit der Länder im Sinne einer gesunden Dezentralisation gewährleistet ist. [] B. [] 1. Die Reichsgewalt geht von dem gesamten deutschen. Volk aus, das seinen Willen durch einen Reichstag, gebildet auf Grund eines allgemeinen, gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahlrechts aller wahlberechtigten Männer und Frauen, kundgibt. [] Die Verfassung der Deutschen Republik ist von einer nach den gleichen Grundsätzen gewählten Nationalversammlung zu beschließen. [] 2. Neben dem Reichstag besteht der Reichsrat. Seine Mitglieder werden von den Landtagen gewählt. Sie können nicht zugleich Mitglieder des Reichstages oder eines Landtages sein. Der Reichsrat ist an der Gesetzgebung und an der Aufstellung des Reichshaushaltes zu beteiligen. Ihm steht gegen die vom Reichstag beschlossenen Gesetze ein Einspruchsrecht zu. Der Einspruch hat lediglich aufschiebende Wirkung. Zur erneuten Beschlußfassung des Reichstages bedarf es keiner qualifizierten Mehrheit. Die Bildung weiterer, insbesondere ständischer Organe oder Einrichtungen wird der frühere Reichswirtschaftsrat, die an der gesetzgebenden Gewalt des Reiches zu beteiligen wären, wird abgelehnt, da sie in keinem Falle geeignet sind, das Gesamtinteresse des Volkes zu vertreten. [] 3. An der Spitze der Deutschen Republik steht ein Präsident, dessen Amtszeit mindestens zwischen der einfachen und doppelten Legislaturperiode des Reichstages liegen soll. [] 4. Die vollziehende Gewalt liegt bei der Reichsregierung. Diese bedarf des Ver trauens des Reichstages. Ein Mißtrauensvotum führt nur dann zu dem Rücktritt der Regierung, werden binnen einer bestimmten Frist eine neue Regierung gebildet wird. [] 5. Die Verfassung darf keine Bestimmung über ein Notstandsrecht enthalten, die dem Parlament gestattet, sich der politischen Verantwortung zu entziehen. [] 6. Für die Deutsche Republik ist ein Staatsgerichtshof einzurichten, der für Verfassungsstreitigkeiten und Ministeranklagen ausschließlich zuständig ist. [] C. [] Die Verfassung hat die Grundrechte und Grundpflichten eines jeden Deutschen zu enthalten. Die unveränderlichen Ideen der Menschenwürde, der Freiheit und Gerechtigkeit, der Achtung vor der religiösen und der politischen Ueberzeugung des anderen, aber auch der Verpflichtung des einzelnen gegenüber der in einem Staat zusammengefaßten Lebensgemeinschaft müssen ein wesentlicher Bestandteil des staatlichen Lebens und der Verfassung sein. [] 2. Der Mensch ist berufen, in der ihn umgebenden Gemeinschaft seine Gaben in der Freiheit und in der Erfüllung des Sittengesetzes zu seinem und der anderen Wohle zu entfalten. Es ist die Aufgabe des Staates, dem Menschen hierbei zu dienen. [] 3. Der Krieg darf kein Mittel der Politik sein. Er ist daher in der Verfassung zu ächten. [] D. [] 1. Gesetzgebende Gewalt [] a) Die Bestimmung der Zuständigkeiten wird reichsrechtlich geregelt. Die Finanz- und Steuerhoheit, die Regelung des Finanz- und Lastenausgleiches ist Sache der Reichsgewalt. Die einheitliche Finanzpolitik ist notwendig, weil sie ein wesentliches Mittel zur Lenkung der Wirtschaft ist und weil der Neuaufbau eine gerechte Lastenverteilung verlangt. Innerhalb dieser Grenzen bleibt den Ländern und Selbstverwaltungskörperschaften das Recht, die ihnen überlassenen Einnahmequellen heranzuziehen. [] b) Das Recht, Gesetze vorzuschlagen, liegt ausschließlich bei dem Reichstag oder bei der Reichsregierung. Die Gesetze werden vom Reichstag beschlossen. Ein Volksentscheid ist nur für bestimmte in der Verfassung festzulegende Fälle unter Wahrung bestimmter Verfahrensvorschriften möglich. [] 2. Vollziehende Gewalt [] a) Regierung: Regierungsfunktionen mit Hoheitscharakter sind ausschließlich Sache der Reichsgewalt. [] b) Verwaltung: Reichseigene Sonderverwaltungen sind nur ausnahmsweise zulässig. Die Verwaltung wird in der Regel auf den Gebieten, die der Reichsgewalt zustehen, in derem Auftrag von den Ländern ausgeübt. Der Auftrag kann sich auch auf die organisatorischen Formen der Durchführung erstrecken (Dezentralisierte Verwaltung). [] 3. Richterliche Gewalt [] Die Einheit des Rechts in Deutschland wird nur durch eine Einheit der Rechtsprechung gesichert. Diese kann nur durch Reichsgerichte gewährleistet werden. [] E. [] Aufbau der Länder [] Die augenblicklichen Ländergrenzen können nur, als vorläufige angesehen werden. Die endgültige Festlegung wird erst dann möglich sein, wenn die deutschen Grenzen feststehen und die Zonengrenzen nicht mehr als politische Trennungslinien wirken. [] Die Aufgliederung der Deutschen Republik soll einen sinnvollen Ausgleich der Länder untereinander herbeiführen und die Hegemonie eines einzelnen Landes ausschließen. Die Länder sollen Gebiete umfassen, die kulturell, wirtschaftlich und verkehrstechnisch möglichst eine geschlossene Einheit bilden. Sie müssen genügend groß sein, um eine eigene innere Tragfähigkeit zu besitzen und um den ersten Ausgleich in sich selbst vollziehen zu können. Damit wird zugleich ein einfacher und übersichtlicher Verwaltungsaufbau ermöglicht und eine lebendige Anteilnahme der Bevölkerung auf allen Stufen der Verwaltung gewährleistet. Gebiete einseitiger Struktur oder Gebiete, denen wesentliche Lebensgrundlagen fehlen, eignen sich nicht zur Zusammenfassung, da sie in jeder Krise die nächst höhere Instanz zur Hilfe heranholen müssen. [] F. [] Die Landesgewalt [] Die Landesgewalt wird durch den Landtag und die Landesregierung ausgeübt. [] Der Landtag geht aus allgemeinen, gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahlen aller wahlberechtigten Männer und Frauen hervor. [] Für die Länder sind zweite Kammern abzulehnen. [] Die Länder bedürfen keines besonderen Staatspräsidenten. [] G. [] Aufbau der Landesverwaltung [] Der Aufbau der Verwaltung in den Ländern ist Landesangelegenheit. Durch reichsgesetzliche Richtlinien kann gewährleistet werden, daß die den Ländern übertragenen Auftragsangelegenheiten gleichmäßig und ohne Reibungen durchgeführt werden. [] Erfüllt ein Land die ihm nach Reichsrecht obliegenden Pflichten nicht, so wird es zur Erfüllung des rechtmäßigen Zustandes angehalten. [] H. [] Die gemeindliche Selbstverwaltung [] Die Gemeinden haben in ihrem Gebiet unter eigener Verantwortung alle öffentlichen Aufgaben wahrzunehmen, soweit diese nicht nach gesetzlichen Vorschriften anderen Stellen ausdrücklich zugewiesen sind (Universalitätsprinzip). [] Die Sozialdemokratie fordert daher eine Erweiterung des Wirkungsbereiches der gemeindlichen Selbstverwaltung. Die Größe der Gebietskörperschaften hat dem erweiterten Aufgabenkreis Rechnung zu tragen.
era SPD-Vorstellungen über den Aufbau einer deutschen Republik, beschlossen in der Vorstandssitzung vom 13.3.1947 und 14.3.1947
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publishDate 13.03.1947 - 14.03.1947
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Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
[Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Parteivorstand, Demokratie, Deutsche Einheit, Europäische Einigung, Föderalismus, SPD-Programmatik, Verfassung, Wiederaufbau]
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